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STRAFRECHT/330: Die Rechte der Kriminalitätsopfer stärken (BMJ)


Bundesministerium der Justiz - Berlin, 20. März 2008

Kriminalitätsopfer haben Rechte

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zum Tag des Kriminalitätsopfers am 22. März 2008:


"Zu den zentralen Aufgaben eines Rechtsstaates gehört es nicht nur, Straftaten zu verfolgen und zu sanktionieren. Ebenso wichtig ist es, diejenigen zu unterstützen, deren Rechtsgüter verletzt wurden. Sie müssen vor weiteren Belastungen geschützt, ihre Schäden müssen ausgeglichen werden. Deshalb haben wir mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen im Bereich des Strafrechts und des Zivilrechts die Opferrechte gestärkt.

Seit den 90 Jahren hat sich die Rolle des Opfers im Strafverfahren substanziell verbessert. Früher stand allein der Täter im Mittelpunkt, der durch eine Straftat Verletzte hatte als Zeuge praktisch nur die Funktion eines "Beweismittels". Heute hat das Kriminalitätsopfer eine eigenständige aktive Rolle als Beteiligter im Verfahren.

Diese Entwicklung ist richtig und wichtig, weil nicht nur dem Täter in einem rechtsstaatlichen Verfahren Gerechtigkeit widerfahren muss, sondern auch dem Opfer, das oft langwierig mit den Folgewirkungen der Tat zu kämpfen hat. Deshalb unterstütze ich die im November beschlossene Initiative des Bundesrates, die Möglichkeiten für einen kostenlosen Opferanwalt über das geltende Recht (Sexualdelikte, Tötungsdelikte, Menschenhandel) hinaus bei weiteren Delikten wie der schweren Körperverletzung für das Strafverfahren zur Seite zu stellen. Ich hoffe sehr, dass die Initiative für mehr Opferrechte nicht am Ende an den fiskalischen Interessen der Finanzminister in den Bundesländern scheitert.

Wir prüfen flankierend, ob weitergehende Verbesserungen notwendig sind, dazu hat bereits ein Runder Tisch mit Vertretern der Opferhilfe, der Anwaltschaft und aus den Ländern stattgefunden, zudem unterstützen wir Hilfemaßnahmen unterhalb des Gesetzes wie beispielsweise die sozialpädagogischen Prozessbegleitung", sagte Bundesjustizministerin Zypries.

Weitere Verbesserungen von Opferrechten aus jüngerer Zeit:

Wir haben den Schutz von Menschen verbessert, die unter Stalking - also beharrlichen Nachstellungen und permanenter Bedrohung und Verfolgung durch andere - zu leiden haben. Seit April 2007 gibt es eine ausdrückliche Vorschrift im Strafgesetzbuch, die für solche Verhaltensweisen eine Strafe von bis zu drei Jahren androht. Polizei und Justiz können auf dieser Grundlage wesentlich früher als bisher Maßnahmen zum Schutz von Stalking-Opfern ergreifen. Außerdem haben wir die Strafprozessordnung ergänzt. Jetzt kann auch gegen gefährliche Stalking-Täter die Untersuchungshaft angeordnet werden, wenn schwere Straftaten gegen Leib und Leben zu befürchten sind.

Strafe allein reicht aber nicht immer aus, um künftige Straftaten zu verhindern und Opfer effektiv zu schützen. Wichtig ist es auch, den Straftäter während und nach der Haftverbüßung so anzuleiten und zu führen, dass er künftig keine Straftat mehr begeht. Die Kontrolle und Nachsorge bei entlassenen Straftätern im Rahmen der Führungsaufsicht und bei solchen Tätern, die zur Besserung und Sicherung im sogenannten Maßregelvollzug untergebracht werden müssen, haben wir deshalb verbessert und ausgebaut. Im Rahmen der Führungsaufsicht kann zukünftig etwa auch ein mit Strafe bewehrtes Kontaktverbot ausgesprochen werden. Damit kann verhindert werden, dass der Verurteilte nach seiner Freilassung das Opfer erneut belästigt oder bedroht. Ein Täter, der aus dem Maßregelvollzug - z.B. aus einem psychiatrischen Krankenhaus - entlassen wird, kann künftig angewiesen werden, sich in regelmäßigen Abständen bei einem Psychotherapeuten vorzustellen. Professionelle Betreuer können so die Einnahme von Medikamenten überwachen und riskante Entwicklungen gegebenenfalls frühzeitig erkennen.

Wir haben außerdem die Regelungen über die Sicherungsverwahrung ergänzt. Seit 2004 können die Gerichte unter strengen Voraussetzungen auch nachträglich die Sicherungsverwahrung eines Täters anordnen, wenn sich erst während der Haftzeit Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er nach Verbüßung seiner Strafe weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen wird. Mit dieser Regelung schützen wir die Allgemeinheit auch in den seltenen Fällen, in denen die besondere Gefährlichkeit eines Straftäters erst im Vollzug erkennbar wird. Wir haben jetzt zudem vorgeschlagen, auch bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht unter sehr engen Voraussetzungen in besonderen Fällen eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen junge Gewalttäter zuzulassen.

Für Menschen, die Opfer einer Straftat geworden sind, stellt das anschließende Strafverfahren oftmals eine erhebliche Belastung dar. Mit dem Opferrechtsreformgesetz haben wir ihre Rechtsstellung im Strafverfahren deshalb gestärkt. So kann eine Anklage heute beispielsweise auch aus Gründen des Zeugenschutzes direkt beim Landgericht erhoben werden, um dem Opfer eine wiederholte Vernehmung in einer Berufungsverhandlung zu ersparen. Wir haben ferner das Recht auf einen Beistand bei Zeugenvernehmungen verbessert. Außerdem haben wir die Berechtigung zur Nebenklage ausgeweitet. Sie ist jetzt auch in Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz und wegen Stalkings sowie in Verfahren gegen Jugendliche möglich. Nahe Angehörige von Getöteten haben zudem die Möglichkeit, sich einen kostenlosen Anwalt beiordnen zu lassen.

Opferschutz bedeutet auch: Ausgleich von materiellen und immateriellen Schäden. Schon im Jahr 2002 haben wir daher mit der Änderung des Schadensersatzrechts die Ansprüche auf Schmerzensgeld ausgebaut. Heute besteht auch bei unverschuldeten Unfällen im Straßenverkehr und im Rahmen der Produkthaftung die Pflicht zur Zahlung von Schmerzensgeld. Gleichzeitig haben wir sämtliche Haftungshöchstgrenzen angehoben. Außerdem haben wir die Möglichkeit erweitert, schon im Strafverfahren Entschädigung vom Täter zu erlangen.

Mit der im November 2007 verabschiedeten Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes haben wir den finanziellen Schutz von Menschen verbessert, die Opfer eines Unfalls im Straßenverkehr geworden sind. Wir haben den Mindestversicherungsschutz ausgeweitet und die Haftungsbeträge erhöht. Außerdem wird der Entschädigungsfonds künftig auch für Fahrzeugschäden haften, die durch ein nicht ermitteltes Fahrzeug verursacht wurden, also etwa bei Fahrerflucht, wenn bei demselben Unfall auch ein beträchtlicher Personenschaden angerichtet wurde. Bisher wurden Schäden am Fahrzeug in diesen Fällen nicht erstattet.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 20.03.2008
Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
des Bundesministeriums der Justiz
Verantwortlich: Eva Schmierer
Redaktion: Ulf Gerder, Dr. Henning Plöger, Christiane Wirtz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2008