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STRAFRECHT/352: Mehr Schutz für Opfer und Zeugen im Strafverfahren (BMJ)


Bundesministerium der Justiz - Berlin, 2. Dezember 2008

2. Opferrechtsreformgesetz:
Mehr Schutz für Opfer und Zeugen im Strafverfahren


Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat heute den Entwurf eines 2. Opferrechtsreformgesetzes auf den Weg gebracht. Der Vorschlag schließt inhaltlich an frühere Gesetzesänderungen an und verfolgt das Ziel, Opfer und Zeugen von Straftaten noch besser zu schützen und ihre Rechte im Strafverfahren zu stärken.

"Die Bekämpfung von Kriminalität und Gewalt ist eine der wichtigsten Aufgaben des Staates. Allerdings dürfen wir nicht nur für die Bestrafung der Täter sorgen. Wir tragen auch Verantwortung für die Opfer einer Straftat. Dieser Aufgabe ist der Staat in den letzten Jahren ein gutes Stück gerecht geworden. Noch vor 20 Jahren ging es ganz überwiegend um die Täter - das Opfer spielte so gut wie keine Rolle. Heute weiß man, dass Verletzte Subjekte im Verfahren sind und eigene Rechte haben. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir den Schutz der Opfer und Zeugen von Straftaten noch weiter stärken. Vor allem für Opfer schwerer Straftaten ist es sehr wichtig, dass ihre Belange im Strafverfahren angemessen berücksichtigt werden. Dies dient vielen auch zur Aufarbeitung des Erlebten. Die Voraussetzungen für eine Nebenklage sollen konsequent an der Schutzbedürftigkeit des Opfers ausgerichtet und Informationspflichten gegenüber Verletzten verbessert werden. Auch für Kinder und jugendliche Opfer von Straftaten ist das Strafverfahren möglichst schonend zu gestalten. Um in Zukunft auch 16- und 17-jährigen Jugendlichen den bestmöglichen Schutz zu gewähren, werden wir die Schutzaltersgrenze in verschiedenen Vorschriften von derzeit 16 auf 18 Jahre anheben. Zudem wollen wir den Persönlichkeitsschutz von Zeugen, die im Strafverfahren aussagen müssen, stärker in den Blick nehmen. Zeugen sind für die Ermittlung der Wahrheit oft von entscheidender Bedeutung. Um ihnen eine angstfreie und unverfälschte Aussage zu ermöglichen, erweitern wir das Recht, in bestimmten Fällen die Wohnadresse nicht angeben zu müssen", erläuterte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

Der Entwurf knüpft an Verbesserungen für Opfer im Strafverfahren an, die vor allem durch das Opferrechtsreformgesetz vom 1. September 2004 erreicht wurden. Danach müssen beispielsweise mehrfache Vernehmungen, die für das Opfer häufig sehr belastend sind, möglichst vermieden werden. Aber auch der Kreis der Opfer, die zur Nebenklage berechtigt sind, wurde durch das Opferrechtsreformgesetz sowie durch weitere Gesetze immer wieder erweitert. Der heute vorgestellte Gesetzentwurf sieht weitere Verbesserungen in drei zentralen Bereichen vor.


Im Einzelnen

Verbesserungen zum Schutz von Verletzten im Strafverfahren

Im Bereich der Nebenklage und des Opferanwalts orientiert sich der Entwurf durchgängig daran, den besonders schutzbedürftigen Opfern besondere Rechte einzuräumen, um deren Belastungen durch das Strafverfahren abzumildern. Dabei werden Vorschläge des Bundesrates und insbesondere zahlreiche Anregungen von Opferschutzverbänden in ein stimmiges Gesamtkonzept gebündelt. Der Schwere des Delikts und den Folgen wird künftig ein stärkeres Gewicht beigemessen. Im neuen § 395 StPO sollen nun beispielsweise auch Opfern von Zwangsheirat oder sexueller Nötigung die Möglichkeit eingeräumt werden, sich dem Verfahren als Nebenkläger anzuschließen. Auch Opfer von Raub, Erpressung oder anderen Delikten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter sollen in Zukunft nebenklagebefugt sein, wenn sie von schweren Tatfolgen betroffen sind. Daneben wird im neuen § 397a StPO der Kreis derjenigen erweitert, die - unabhängig von ihren wirtschaftlichen Voraussetzungen - Anspruch auf Beiordnung eines kostenlosen Opferanwalts haben. Flankiert wird diese Neujustierung durch die Neuregelung verfahrensrechtlicher Bestimmungen. So werden zum Beispiel die §§ 397, 406f und 406g StPO deutlich vereinfacht und somit anwenderfreundlicher. Da jede Rechtsverfolgung die Kenntnis der Rechte voraussetzt, werden in § 406h StPO auch die Informationspflichten der Strafverfolgungsbehörden gegenüber Verletzten von Straftaten erweitert. Zudem werden durch Änderungen in den §§ 138 und 142 StPO die Auswahlmöglichkeiten der Verletzten bei der Wahl eines anwaltlichen Beistand vergrößert. Eine Ergänzung des § 92 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) zielt darauf ab, es Verletzten zu erleichtern, im europäischen Ausland begangene Straftaten in Deutschland anzuzeigen.

Verbesserungen zum Schutz von Zeugen im Strafverfahren

Die Rechte von Zeugen bei ihrer polizeilichen Vernehmung werden zukünftig in § 163 Absatz 3 StPO eindeutig im Gesetz festgeschrieben. Zudem wird in § 48 StPO die schon bisher allgemein anerkannte staatsbürgerliche Pflicht der Zeugen zum Erscheinen vor Gericht und Staatsanwaltschaft und zur dortigen Aussage gesetzlich normiert. Beide Regelungen führen in der Praxis für alle Beteiligten zu mehr Klarheit. Die Befugnis zur jederzeitigen Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts als Zeugenbeistand - ein Recht, das bereits durch höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt ist -, wird erstmalig gesetzlich verankert. Zudem wird die Möglichkeit für besonders schutzbedürftige Zeugen, einen anwaltlichen Beistand beigeordnet zu erhalten, sinnvoll erweitert (§ 68b StPO). Flankierend dazu wird geregelt, dass eine die Beiordnung ablehnende Entscheidung der Staatsanwaltschaft gerichtlich überprüft werden kann. Das für diese und zahlreiche ähnliche Fälle geltende Verfahren wird dabei wesentlich vereinfacht. Die nach § 68 Absatz 2 StPO für Zeugen bestehende Möglichkeit, in bestimmten Fällen ihren Wohnort nicht angeben zu müssen, wird sachgerecht erweitert; die Strafverfolgungsbehörden sollen den Zeugen künftig auf diese Befugnisse hinweisen und bei deren Wahrnehmung behilflich sein.

Verbesserungen beim Schutz von jugendlichen Opfern und Zeugen im Strafverfahren

Zur Stärkung der Rechte von jugendlichen Opfern und Zeugen von Straftaten wird die Schutzaltersgrenze in verschiedenen Vorschriften der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes von derzeit 16 auf nunmehr 18 Jahre heraufgesetzt (§ 58a Absatz 1, § 241a Absatz 1, § 247 Satz 2, § 255 Absatz 2 StPO; § 172 GVG). Diese Grenze wird der altersspezifischen Belastungssituation besser gerecht. Sie entspricht zudem der Schutzaltersgrenze, die zahlreichen internationalen Abkommen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen zugrunde liegt. Nicht zuletzt wird ein Gleichklang mit der Altersgrenze hergestellt, bis zu der jugendlichen Beschuldigten besonderer Schutz zukommt. Der Gesetzentwurf ist heute an die Ressorts zur Stellungnahme versandt worden. Das Bundeskabinett wird sich voraussichtlich im Februar 2009 damit befassen.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 2.12.2008
Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
des Bundesministeriums der Justiz
Verantwortlich: Eva Schmierer
Redaktion: Dr. Gabriele Heyse, Dr. Isabel Jahn, Harald Schütt, Ulrich Staudigl
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2008