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VERKEHR/557: 53. Deutscher Verkehrsgerichtstag - Begrenzter Führerschein in Europa? (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin/Goslar, 28. Januar 2015
53. Deutscher Verkehrsgerichtstag in Goslar (28. bis 30. Januar 2015)

Arbeitskreis I: Europäischer Führerscheintourismus

Begrenzter Führerschein in Europa?



Goslar/Berlin (DAV). Der europäische Führerscheintourismus beschäftigt eigentlich ohne Not immer wieder die Gemüter. Der Europäische Gerichtshof hat erläutert, dass man sich in einem vereinten Europa überall niederlassen kann und auch dort den Führerschein machen kann. Diese gelten dann europaweit. Nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) stehen deutsche Führerscheinbehörden nicht über dem EU-Recht. Die Führerscheine sind anzuerkennen, unabhängig davon, ob gegen den Fahrer noch MPU-Auflagen bestehen oder nicht. Der Deckmantel der Verkehrssicherheit ist nicht besonders dicht, da keine empirischen Untersuchungen bekannt sind, in denen Führerscheininhaber aus Mitgliedsstaaten verkehrsauffälliger fahren als Inhaber eines deutschen EU-Führerscheins.

Rechtlicher Ausgangspunkt

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bereits in 2004 entschieden, dass in jedem EU Mitgliedsstaat Führerscheine und die damit verbundene Fahrerlaubnis, die von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurde, ohne Wenn und Aber anzuerkennen sind. Inländische Fahrerlaubnisbehörden dürfen Inhabern solcher Führerscheine den Inlandsgebrauch nicht deshalb versagen, weil gegen sie hier noch MPU-Auflagen bestehen oder Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Erteilung des Führerscheins durch den anderen Mitgliedsstaat bestehen. Der EuGH fordert für die Anerkennungspflicht "nur", dass der Führerscheininhaber sich im EU Mitgliedsstaat niedergelassen hat und die Erteilung der Fahrerlaubnis außerhalb einer bestehenden Sperrfrist erfolgt ist.

Problem

Von Anfang an ist diese Rechtsprechung deutschen Führerscheinbehörden und Strafverfolgungsorganen ein Dorn im Auge. In einer Vielzahl von Fällen setzt man dort auf die normative Kraft des Faktischen, indem dem Führerscheininhaber dessen legal erworbener Führerschein einfach weggenommen und der Inlandsgebrauch untersagt wird. Bis dieser mit Hilfe eines darauf spezialisierten Anwaltes den Führerschein wieder zurückbekommt, vergehen nicht selten Monate mit allen beruflichen und privaten Konsequenzen. Viele wehren sich aber auch gar nicht. In anderen Fällen versucht die Inlandsbehörde, was ihr der EuGH eigentlich untersagt hat, dem Führerscheininhaber nachzuweisen, dass er sich im Ausstellerstaat gar nicht niedergelassen hat, sondern den Führerschein als "Tourist" erworben hat. Es sind Situationen bekannt, wo morgens um 7 Uhr die Staatsanwaltschaft beim Führerscheininhaber mit einem Dursuchungsbeschluss vor der Haustüre steht, um dort in Jacken- und Manteltaschen nach Quittungen von inländischen Supermärkten suchend zu belegen, dass sich der Führerscheininhaber gar nicht zum fraglichen Erteilungszeitraum im anderen EU-Mitgliedsstaat aufgehalten haben kann.

Standpunkt

Die Niederlassungsfreiheit ist ein hohes europäisches Grundrecht. Es geht in einem vereinten Europa nicht, dass insbesondere die deutschen Führerscheinbehörden unter dem Deckmantel der Verkehrssicherheit dieses Grundrecht immer wieder aushöhlen. Dabei sind keine empirischen Untersuchungen bekannt, in denen Führerscheininhaber aus einem anderen Mitgliedsstaat verkehrsauffälliger fahren als Inhaber eines deutschen EU-Führerscheins.

Und es ist letztlich ein Zeichen deutscher Arroganz, zu glauben, deutsche Behörden könnten über dem EU-Recht stehend europaweit am besten entscheiden, wer geeignet ist, eine Fahrerlaubnis zu erhalten und wer nicht. Deutsches Verwaltungshandeln und Maßnahmen der Strafverfolgung aber auch die Verwaltungs- und Strafrechtsprechung darf sich nicht, wie in der täglichen Praxis zu beobachten ist, über die klare und eindeutige Rechtsprechung des EuGH hinwegsetzen. Schließlich ist auch ein deutscher EU-Führerschein in Bulgarien oder Lettland anzuerkennen.

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Quelle:
Pressemitteilung VGT 1/15 vom 28. Januar 2015
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2015


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