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ZIVILRECHT/316: Erfolgshonorare künftig im Einzelfall zulässig (BMJ)


Bundesministerium der Justiz - Berlin, 19. Dezember 2007

Vereinbarung von Erfolgshonoraren künftig im Einzelfall zulässig


Die Bundesregierung hat heute einen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren beschlossen. Künftig können Rechtsanwalt und Mandant eine erfolgsabhängige Vergütung im Einzelfall vereinbaren, wenn der Rechtssuchende ohne diese Möglichkeit davon absehen würde, den Rechtsweg zu beschreiten.

"Recht ist ein hohes und häufig teures Gut. Gute und umfangreiche Leistungen von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten haben nicht ohne Grund ihren Preis. Hohe Kosten können aber die Rechtsuchenden davon abhalten, ihre Rechte geltend zu machen. Deshalb wollen wir die Vereinbarung von Erfolgshonoraren in Einzelfällen zulassen, damit der Mandant das Kostenrisiko zumindest teilweise auf den ihn vertretenden Rechtsanwalt verlagern kann", sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

Rechtsanwalt und Mandant werden künftig in einzelnen Fällen eine erfolgsbasierte Vergütung vereinbaren können, wenn sie damit den besonderen Umständen der konkreten Angelegenheit Rechnung tragen. Die Regelung zielt insbesondere auf Fälle, in denen der Mandant in Anbetracht seiner wirtschaftlichen Verhältnisse vernünftigerweise von der Rechtsverfolgung absehen würde, wenn er nicht die Möglichkeit hat, mit dem Rechtsanwalt ein Erfolgshonorar zu vereinbaren. Ein solcher Fall kann etwa vorliegen, wenn eine Partei einen wertvollen, aber sehr unsicheren Wiedergutmachungsanspruch geltend machen will und die Anwaltskosten hierfür nicht aufbringen kann. Auch eine hohe, streitige Schmerzensgeldforderung kann für einen Geschädigten unter Umständen wirtschaftlich nur durchsetzbar sein, wenn er im Verlustfall nicht zusätzlich zu den Gerichtskosten und gegnerischen Anwaltskosten auch noch die eigenen Anwaltskosten zu tragen hat. Gleiches gilt, wenn ein mittelständischer Unternehmer vor der Frage steht, eine hohe Vergütungsforderung geltend zu machen, obwohl die Gegenseite Gewährleistungsrechte geltend macht und das Prozessrisiko erheblich ist.

Nach dem Gesetzentwurf ist ein Erfolgshonorar nicht nur dann zulässig, wenn seine wirtschaftlichen Verhältnisse dem Rechtssuchenden gar keine Alternative lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat herausgestellt, dass es nicht allein auf die wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern auch auf das Kostenrisiko und seine Bewertung ankommt. Deshalb ermöglicht es der Vorschlag den Vertragsparteien, mit der Vereinbarung eines Erfolgshonorars auf der Grundlage individueller und subjektiver Nutzen-Risiko-Erwägungen den besonderen Umständen der konkreten Rechtsangelegenheit Rechnung zu tragen. Mit diesem flexiblen Maßstab erhalten die Beteiligten genügend Spielraum, um bei ihrer Entscheidung über die Vereinbarung eines Erfolgshonorars unterschiedliche Fallgestaltungen berücksichtigen zu können

Die Neuregelung folgt einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.12.2006 (1 BvR 2576/042006), wonach die Vereinbarung eines Erfolgshonorars jedenfalls möglich sein muss, wenn besondere Umstände in der Person des Mandanten vorliegen, die diesen ohne Erfolgshonorar davon abhalten, seine Rechte zu verfolgen.

"Unser Gesetzentwurf erfüllt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, ohne das grundsätzliche Verbot der Vereinbarung von Erfolgshonoraren infrage zu stellen - aus guten Gründen: Wenn Rechtsanwalt und Mandant im Hinblick auf das Kostenrisiko zu sehr im selben Boot sitzen, kann die anwaltliche Unabhängigkeit leiden. Erfolgshonorare können außerdem die prozessuale Waffengleichheit in Frage stellen, weil es für den Beklagten schwieriger ist als für den Kläger, einen Erfolg im Rechtsstreit zu definieren und ihn zum Maßstab für die Anwaltsvergütung zu machen. Schließlich schützt das Verbot von Erfolgshonoraren die Rechtsuchenden vor einer Übervorteilung durch überhöhte Vergütungssätze" erklärte Brigitte Zypries.

Die ausnahmsweise Zulassung der Vereinbarung von Erfolgshonoraren wird mit einer Reihe von Aufklärungs- und Hinweispflichten zum Schutz der Rechtsuchenden verknüpft. Sie gewährleisten, dass die Entscheidung, ein Erfolgshonorar zu vereinbaren, nicht überstürzt oder in Unkenntnis der wirtschaftlichen Folgen getroffen wird. So ist der Rechtsanwalt verpflichtet, in der Honorarvereinbarung die Vergütung anzugeben, die er ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars verlangen könnte. Außerdem muss er den Zuschlag, der im Erfolgsfall zusätzlich zu dieser Vergütung fällig wird, beziffern. Schließlich müssen die Vergütungsvereinbarungen zwingend schriftlich geschlossen werden.

Gleichzeitig stärkt der Gesetzentwurf den Rechtsstandort Deutschland und die Anwaltschaft, denn das anwaltliche Berufsrecht hat schon lange Bedeutung über die nationalen Grenzen hinaus. In den meisten europäischen Nachbarländern sind Erfolgshonorare bereits zulässig. Auch diese internationale Entwicklung und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Anwaltschaft erfordern es daher, das Verbot der Vereinbarung von Erfolgshonoraren in Deutschland zu lockern.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 19.12.2007
Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
des Bundesministeriums der Justiz
Verantwortlich: Eva Schmierer
Redaktion: Ulf Gerder, Dr. Henning Plöger, Christiane Wirtz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2007