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ZIVILRECHT/338: Managerhaftung in der deutschen Wirtschaft (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 3 vom 11. März 2008

Unternehmerisches Risiko oder fahrlässiges Verhalten?
Managerhaftung in der deutschen Wirtschaft

Mit Professor Becker sprach Birgit Grabmüller


Manager erhalten hohe Gehälter und Pensionen und wenn ihnen schwerwiegende Fehler unterlaufen, gibt's zum Abschied Abfindungen statt Schadensersatzklagen - zumindest vermitteln uns die Medien diesen Eindruck häufig. Erst kürzlich stand die Mittelstandsbank IKB wegen Fehlspekulationen vor der Pleite und wurde mit Steuergeldern gerettet, die Verantwortlichen kamen scheinbar ungestraft davon. Das Unverständnis in der Öffentlichkeit ist in solchen Fällen entsprechend groß. Doch inwieweit können Manager tatsächlich für ihre Fehler haftbar gemacht werden? UJ sprach mit Professor Michael Becker, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handelsrecht, Zivilprozessrecht und Internationales Privatrecht von der Juristischen Fakultät der TUD.


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UJ: Entspricht das Bild, das uns die Medien vermitteln, der Realität, oder erzählen uns die Journalisten nur die halbe Wahrheit? Gibt es eine Möglichkeit, von Managern Schadenersatz zu fordern?

PROFESSOR BECKER: Auch journalistische Produkte wollen vermarktet werden und das geht am besten mit einer griffigen Schlagzeile. Verallgemeinerungen sind jedoch gefährlich und ergeben kein repräsentatives Bild unserer Wirtschaft. Natürlich besitzen Manager keine Immunität und können wegen schuldhafter Verletzung ihrer Pflichten in Haftung geraten.

UJ: Manager müssen also automatisch mit ihrem privaten Vermögen dafür geradestehen, wenn sie offensichtliche Fehler begangen haben?

PROFESSOR BECKER: Manager - jedenfalls die in der Privatwirtschaft - müssen genauso für ihr Fehlverhalten einstehen wie andere, und zwar mit ihrem gesamten Vermögen. Die Frage lautet nur, ob der angerichtete Schaden daraus im Einzelfall gedeckt werden kann. Dafür gibt es Versicherungen. Davon abgesehen zeigt die Managerhaftung ein Dilemma auf: Manager brauchen bei Erfüllung ihrer Aufgaben einen gewissen Entscheidungsfreiraum. Die Haftungssanktion darf sie nicht zum Versicherer des unternehmerischen Risikos machen, sonst werden sie entscheidungsscheu. Hinzu kommt, dass die Entscheidungen, die es zu treffen gilt, vielfach Prognoseentscheidungen sind oder auf ungewisser Tatsachengrundlage erfolgen. Dies muss beim Zuschnitt der Haftungssanktion, über deren Verhängung ja ex post entschieden wird, Berücksichtigung finden.

UJ: Dass es im Geschäftsleben gewisse Risiken gibt, für die der einzelne Manager nicht persönlich verantwortlich gemacht werden kann, leuchtet ein. Wo aber liegt die Grenze zwischen allgemeinem Unternehmensrisiko und persönlich verwerflichem, fahrlässigem Verhalten? Gibt es hierzu konkrete gesetzliche Regelungen?

PROFESSOR BECKER: Die einschlägigen Gesetze stellen auf die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters ab. Dies ist eine Generalklausel, die sich vom Vorstellungsbild eines ordentlichen Kaufmanns aus dem 19. Jahrhundert ableitet. Gewisse Konkretisierungen hat ein Verhaltenskodex gebracht. Ein lückenloser Katalog zulässiger und unzulässiger Praktiken lässt sich nicht aufstellen. Haftungsbegründend sind sicher Handlungen, die gesetz- bzw. satzungswidrig, kriminell oder ins Blaue hinein vorgenommen sind.

UJ: Ein Manager verspekuliert sich bei Immobilienkrediten in den USA - fällt dies erst dann unter die Kategorie "fahrlässiges Verhalten", wenn er das Risiko zuvor kannte und absichtlich verschleiert hat?

PROFESSOR BECKER: Maßgeblich ist das Aufgabengebiet, das durch den Anstellungsvertrag oder die Organstellung definiert wird. Die absichtliche Verschleierung von Risiken ist mit dem Gebot transparenter Aufgabenerfüllung unvereinbar. Eine Offenlegung von Risiken hat wenigstens gegenüber dem Kontrollorgan zu erfolgen, bei der Aktiengesellschaft ist dies in letzter Instanz der Aufsichtsrat. Ansonsten kann das Transparenzgebot mit der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit kollidieren. Wenigstens Innentransparenz ist zu fordern.

UJ: Häufig stoßen hohe Abfindungen und Pensionen für Manager, die wegen schwerwiegender Fehler aus dem Unternehmen entlassen werden, in der Öffentlichkeit auf Unverständnis oder sogar auf Wut. Zurecht?

PROFESSOR BECKER: Dieser Tatbestand lässt sich nach unterschiedlichen Kategorien beurteilen. In rechtlicher Hinsicht zählen zunächst die vertraglichen Abreden, und die schließen die Beteiligten autonom. Vertragliche Zusagen sind grundsätzlich einzuhalten, können aber unter Umständen - etwa schwerwiegenden Pflichtverletzungen - geändert oder gekündigt werden. Solche Leistungen werden vom Unternehmen erbracht, also aus privater Tasche. Deshalb sind in erster Linie die Entscheidungsträger berufen, über sie zu befinden.

UJ: Als die Mittelstandsbank IKB, die WestLB oder auch die Sachsen LB wegen Fehlspekulationen vor der Pleite standen, mussten Bund und Länder mit enorm hohen Summen an Steuergeldern einspringen. Das ärgert den Steuerzahler natürlich besonders, der Ruf nach deutlich spürbaren Konsequenzen wird lauter.

PROFESSOR BECKER: Damit sprechen Sie die Lage in der öffentlichen Wirtschaft im weiteren Sinne an. Man hat den Eindruck, dass pflichtvergessene Manager hier besser wegkommen, obwohl es von Gesetzes wegen an sich keine Privilegierung gegenüber der Privatwirtschaft gibt. Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Beaufsichtigung dieser Manager vielfach politischen Entscheidungsträgern obliegt. Deren Ersatzpflichtigkeit oder die Aberkennung von deren Pensionsansprüchen ist meines Wissens noch nie thematisiert worden.

UJ: Gerecht ist diese unterschiedliche Behandlung nicht.

PROFESSOR BECKER: In der Tat ist diese Ungleichbehandlung von Privat- und Staatswirtschaft kaum einzusehen. Vor allem liegt sie nicht im öffentlichen Interesse und ist dem Ansehen des Systems eher abträglich. Jedenfalls lässt sich daran absehen, wie leicht eine Frage nach der Verantwortlichkeit privater Manager auf den Fragesteller zurückfallen kann.

UJ: Müsste sich Ihrer Meinung nach am System der Managerhaftung etwas ändern?

PROFESSOR BECKER: Nicht am System der Managerhaftung selbst, sondern an den Mechanismen und an der Bereitschaft zu ihrer effektiven Durchsetzung.


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 19. Jg., Nr. 5 vom 11.03.2008, S. 5
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2008