Schattenblick →INFOPOOL →RECHT → MEINUNGEN

DILJA/165: Justiz heißt Herrschaft - der Fall Mumia Abu-Jamal (5) (SB)


Mumia Abu-Jamal - seine Gegner wollen ihn tot sehen

Die US-Justiz zeigt im Fall des streitbaren Afroamerikaners ihr wahres Gesicht

Teil 5: Ein Mordgeständnis, von dem Polizei und Justiz nichts wissen wollen


Seit 26 Jahren befindet sich Mumia Abu-Jamal in Isolationshaft im Todestrakt, und noch immer scheint er in maßgeblichen Kreisen von Polizei, Justiz und Politik erbitterte Gegner zu haben, die seine Hinrichtung durchsetzen wollen. Ihnen darf unterstellt werden, daß sie in Abu-Jamal keineswegs wie behauptet den "Copkiller" sehen, dessen vermeintliche Schuld ihrem Rechtsempfinden gemäß nur durch seine Hinrichtung getilgt werden könne. Vielmehr scheinen sie ein extremes Interesse daran haben, einen ihnen aufgrund seiner Unbeugsamkeit zutiefst verhaßten Journalisten und Aktivisten - Mumia Abu-Jamal hatte sich in den Schwarzenviertel Philadelphias als Pressesprecher der Black Panther Party schon als Jugendlicher einen Namen gemacht - endgültig aus dem Weg zu schaffen.

Wäre dem nicht so, gäbe es kaum eine plausible Erklärung für die Tatsache, daß in den USA das Geständnis eines Mannes, der angibt, einen Polizisten getötet zu haben, ohne juristische Konsequenzen geblieben ist. Nach deutschem Recht wären die Ermittlungsbehörden gezwungen, in solch einem Fall Ermittlungen aufzunehmen und ein derartiges Geständnis zu überprüfen. In den USA gilt im Strafrecht das Parteienprinzip, was bedeutet, daß die Staatsanwaltschaft nicht wie hierzulande gehalten ist, be- und entlastendes Material gleichermaßen zu berücksichtigen. In den USA hingegen beschränkt sich die Anklagebehörde auf Belastendes und präsentiert Zeugen der Anklage, während die Verteidigung durchaus eigene Ermittlungen anstellt, um entlastendes Material zusammenzustellen und vor Gericht Zeugen der Verteidigung zu präsentieren.

Für einen durch eine ebenso prinzipielle wie weitverbreitete Rechtsgläubigkeit voreingenommenen Betrachter entsteht dadurch die Vision einer gerichtlichen Auseinandersetzung inter pares, bei der den Geschworenen auf der Basis der von beiden Seiten vorgebrachten Beweise und Argumente die Aufgabe zufällt, über Schuld und Wahrheit zu befinden. Dieser Vorstellung liegt eine Fehlannahme zugrunde, wie sie tiefgreifender kaum sein könnte. Nicht nur, daß von einem Gleichgewicht nicht die Rede sein kann, weil die Staatsanwaltschaft auf den Polizeiapparat zurückgreifen und diesen zu Zwecken der Beweisbeschaffung einsetzen kann, während der Verteidigung kein auch nur annähernd vergleichbarer Apparat zur Verfügung steht. Die Person des Richters wurde zudem außer acht gelassen, so als wäre er tatsächlich nur eine Art Protokollführer, der weder auf die inhaltliche Prozeßführung und Beweisaufnahme noch auf die Geschworenen und deren Beschlußfassung den geringsten Einfluß nähme.

Der Fall Mumia Abu-Jamal ist in diesem wie in vielen weiteren Punkten bestens geeignet, die Probe aufs Exempel zu machen. Anhand eines Geständnisses, das ein Mann namens Arnold Beverly in einer schriftlichen Erklärung am 8. Juni 1999 gemacht hat, läßt sich nachzeichnen, wie die Teilbereiche der US-Justiz ineinandergreifen, um die offizielle Tatversion, derzufolge der bereits 1982 zum Tode verurteilte Mumia Abu-Jamal am 9. Dezember 1981 den Polizisten Daniel Faulkner erschossen habe, vor einer Überprüfung zu schützen. An dieser Version sind - völlig unabhängig von dem Geständnis Beverlys - fundamentale Zweifel angebracht und zutiefst begründet. Daß Abu-Jamal bis heute weder freigelassen wurde noch eine Wiederaufnahme des Verfahrens durchsetzen konnte, widerlegt das juristische Kernversprechen: "Im Zweifel für den Angeklagten".

Die Frage der Glaubwürdigkeit dieses Geständnisses, das von Abu-Jamals zweitem Verteidigerteam unmittelbar nach dessen Einsetzung am 4. Mai 2001 auf einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, ist eigentlich vollkommen irrelevant, zumal sie mit rechtsverbindlichen Folgen insbesondere auch für Mumia Abu-Jamal ohnehin nur vor Gericht entschieden werden könnte. Es hat sich allerdings gezeigt, daß die verantwortlichen Stellen alles nur Erdenkliche tun, um eine gerichtliche Überprüfung dieses Geständnisses - das wie jedes andere auch fingiert sein könnte - von vornherein zu verhindern. So wurde Arnold Beverly weder von der Polizei noch von der Staatsanwaltschaft vernommen oder vor Gericht gehört.

Das zweite Verteidigerteam Abu-Jamals um Marlene Kamish und Eliot Grossman hatte im August 2001 einen 2. Habeas-Corpus-Antrag gestellt. Mit einem solchen Antrag kann jeder in den USA Verurteilte die Verfassungsmäßigkeit seines Urteils überprüfen lassen. Dieser zweite, gegenüber dem vom ersten Team um Leonard Weinglass und Dan Williams im Oktober 1999 gestellten Antrag um weitere zehn Punkte und Beweise erweiterte Habeas-Corpus-Antrag enthielt neben weiteren, bislang nicht gehörten Entlastungszeugen auch das Geständnis Arnold Beverlys. Am 18. Dezember 2001 lehnte Bundesrichter William Yohn vom 3. Bundesbezirksgericht die beiden Habeas-Corpus-Anträge in allen Punkten - mit einer einzigen Ausnahme - ab.

Yohn entschied zwar, daß das gegen Abu-Jamal verhängte Urteil verfassungswidrig gewesen sei, reduzierte dies in der Begründung jedoch ausschließlich auf den gegen den damaligen und inzwischen verstorbenen Richter Albert Sabo erhobenen Vorwurf, dieser habe in dem ursprünglichen Verfahren von 1982 die Geschworenen fälschlicherweise annehmen lassen, sie könnten nur dann auf mildernde Umstände und damit gegen die Todesstrafe erkennen, wenn alle zwölf dieser Auffassung seien. Tatsächlich ist es genau umgekehrt: Jedes einzelne Jurymitglied ist in der Lage, die Verhängung des Todesurteils zu verhindern, in dem es mildernde Umstände, etwa eine schwere Jugend des Beschuldigten, geltend macht.

Alle übrigen, von inzwischen zwei Verteidigerteams in zwei Habeas-Corpus-Anträgen vorgebrachten Argumente wurden am 18. Dezember 2001 von Bundesrichter Yohn vom Tisch gewischt. Neben vielen weiteren Punkten, in denen Verstöße gegen die verfassungsmäßigen Rechte Mumia Abu-Jamals festgestellt worden waren, fiel damit auch das Geständnis Beverlys unter den Tisch. Dazu lieferte Yohn abenteuerliche Begründungen. So erklärte er zum einen, daß ein Verurteilter in einem bestimmten Stadium seines Verfahrens, nämlich wenn seine erste Berufung abgelehnt wurde und der Oberste Gerichtshof der USA sich weigert, den Fall zu hören, gar kein Recht mehr auf eine anwaltliche Vertretung habe. Deshalb sei das Argument Abu-Jamals, er sei anwaltlich nicht angemessen vertreten gewesen, weil sein erstes Verteidigerteam sich geweigert habe, die neuen Beweise (inklusive des Geständnisses Beverlys) vor Gericht zu bringen, irrelevant.

Durch das "Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Effektivierung der Todesstrafe" (AEDPA) von 1996 wurden die Widerspruchsmöglichkeiten von zum Tode verurteilten Strafgefangenen drastisch eingeschränkt. Dabei geht es, wie makaber und zynisch dies für Menschen, die mit der US-Todesstrafenjustiz wenig vertraut sind, auch immer anmuten mag, schlicht gesagt um Termine und Fristen, innerhalb derer neue Beweise, und mögen sie noch so stichhaltig sein, ignoriert werden können. Und so hatte Bundesrichter Yohn schon im Sommer 2001 den Standpunkt bezogen, er sei für Fragen der Beweisaufnahme nicht zuständig, die Vernehmung des Zeugen Arnold Beverly sei "verspätet" beantragt worden und im übrigen sei dessen Geständnis "nicht brauchbares Beweismaterial". Damit widersprach Yohn sich selbst, denn wenn er für die Beweisaufnahme nicht zuständig sein will, kann er die Brauchbarkeit des Beweismaterials auch nicht beurteilen.

Diese von Yohn wie auch der zuständigen Staatsanwaltschaft verfolgte Linie wurde auch von Richterin Pamela Dembe am Stadtgericht von Philadelphia übernommen. Sie befaßte sich am 17. August 2001 bei einer 30minütigen Anhörung mit Beverlys Geständnis oder vielmehr mit dessen Abwehr und folgte dem von Bundesrichter Yohn wie auch Staatsanwalt Hugh Burn bezogenen Standpunkt, daß das seit Juni 1999 vorliegende Geständnis Beverlys innerhalb einer Frist von 60 Tagen hätte bekanntgegeben werden müssen. Das Argument des neuen Verteidigerteams Abu-Jamals, zu jenem Zeitpunkt hätten die vorherigen Anwälte sich geweigert, das Geständnis einzureichen, weshalb ihr Mandant nicht ausreichend verteidigt gewesen wäre, ließ Richterin Dembe ebenfalls nicht gelten. Dieses Versäumnis habe das damalige Team zu verantworten, befand sie, und im übrigen, so entschied sie am 21. November 2001 abschließend, sei auch sie für die Überprüfung weiterer Beweismittel nicht zuständig.

Dadurch ergab sich ein einigermaßen irrationales Bild: Beide Gerichte, das Stadtgericht von Philadelphia sowie das 3. Bundesbezirksgericht, erklärten einerseits das Geständnis Beverlys für nicht brauchbar und verspätet, behaupteten jedoch andererseits, für die Beweisaufnahme gar nicht zuständig zu sein. Im August 2001 hatte Bundesrichter Yohn seine Weigerung, das Geständnis zur Kenntnis zu nehmen, damit begründet, daß die Bundesbezirksgerichte nach der 1996 verschärften Gesetzeslage nicht die Aufgabe hätten, Irrtümer der Beweisaufnahme zu korrigieren. Am 19. Juli 2001 hatte Richter Yohn die von der Verteidigung beantragte sofortige Vernehmung des Zeugen Beverly abgelehnt und sich dabei auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofes der USA von 1993 berufen. Darin hatte es geheißen:

Auf neu entdeckten Beweisen basierende Behauptungen der tatsächlichen Unschuld [eines zum Tode Verurteilten] haben noch nie einen Grund dargestellt, einem Habeas-Corpus-Antrag stattzugeben, wenn es in dem zugrundeliegenden Gerichtsverfahren auf Staatsebene nicht unabhängig davon zu Verfassungsverletzungen gekommen ist.

(aus: "free mumia - dokumente, analysen, hintergrundberichte", Atlantik Verlag, Bremen, 1. Auflage, März 2002, S. 17)

Nun hat es in dem Verfahren von 1982 gegen Abu-Jamal an Verfassungsverletzungen ganz gewiß nicht gemangelt, so daß auch dieser von Bundesrichter Yohn bemühten Entscheidung zufolge den Habeas-Corpus-Anträgen Abu-Jamals hätte stattgegeben werden müssen, was Yohn - von besagter Ausnahme abgesehen - jedoch nicht tat. Die MOVE-Sprecherin Ramona Africa hatte bei der Anhörung vom 17. August 2001 die rhetorische Frage aufgeworfen, wie ein Mordgeständnis, nicht aber ein Mord, verjähren könne. Die Antwort ist so einfach wie bedrückend, denn aus Gründen der Staatsräson können die Ermittlungsbehörden und Gerichte kein Interesse daran haben zu riskieren, daß das Geständnis Beverlys, das untrennbar mit dem Vorwurf, die Zentrumspolizei von Philadelphia habe einen Polizistenmord in Auftrag gegeben, verknüpft ist, durch eine offizielle Untersuchung zur Wahrheit erklärt werden könnte. Solche Überlegungen könnten Abu-Jamals zweites Verteidigerteam im Mai 2001 dazu bewogen haben, in die Offensive zu gehen und das Geständnis öffentlich zu machen. Nach der Pressekonferenz hagelte es in den Medien Philadelphias Spott und Häme über diesen Zeugen. Lynne Abraham, Leitende Staatsanwältin von Philadelphia, ließ durch einen Sprecher erklären, die Aussage Beverlys sei "lächerlich und frei erfunden".

Warum die Anklagebehörde Beverly dann nicht erst recht als Zeugen vor Gericht brachte, um durch dessen ebenso "lächerliche" wie "frei erfundene" Angaben die Verteidigung Abu-Jamals zu diskreditieren, blieb ihr Geheimnis und ist bis heute ein unauflösbarer Widerspruch. Ähnlich hatten die damaligen Verteidiger - inzwischen hat Abu-Jamal abermals einen Verteidigerwechsel vorgenommen - argumentiert, nachdem die Staatsanwaltschaft sich so heftig gegen eine Vernehmung Beverlys - die von Bundesrichter Yohn gleich zweimal, am 19. Juli sowie am 15. Oktober 2001, abgelehnt wurde - gewehrt hatte:

Wenn die Staatsanwaltschaft ihre eigenen Behauptungen dem Bundesbezirksgericht und den Medien gegenüber glaubte, denen zufolge das Geständnis Beverlys eine "absolut unsinnige Geschichte" ist, sollte sie es begrüßen, wenn sie die Möglichkeit erhält, den Zeugen unter Eid zu verhören, statt Widerstand dagegen zu leisten.

(aus: "free mumia - dokumente, analysen, hintergrundberichte", Atlantik Verlag, Bremen, 1. Auflage, März 2002, S. 38)

Faktisch widerlegt wurde dieses Geständnis, in dem ein Mensch sich selbst immerhin einer Straftat bezichtigt, die in Pennsylvania mit dem Tode geahndet werden kann, allerdings bis heute nicht. Beverly erklärte darin, zusammen mit einem anderen Mann beauftragt und bezahlt worden zu sein, den Polizeibeamten Faulkner zu erschießen. Durch direktes Wissen sei ihm, Beverly, bekannt, "daß Mumia Abu-Jamal den Polizeibeamten Faulkner nicht erschossen" und mit der Schießerei nichts zu tun gehabt hatte. Beverlys Erklärung zufolge sei Faulkner "ein Problem für die Unterwelt und korrupte Polizisten, weil er dem Fluß von Schmier- und Bestechungsgeldern im Wege stand, mit denen die Nichtverfolgung illegaler Aktivitäten wie Prostitution, Spiel und Drogenhandel im Gebiet des Stadtzentrums erkauft wurde". Er habe sich, so Beverly, keine Sorgen wegen der Anwesenheit der Polizei gemacht, weil er glaubte, "daß sämtliche Polizisten am Tatort nur da seien, um mir zu helfen, da ich von der organisierten Unterwelt beauftragt worden war, Faulkner zu erschießen". Beverly behauptete, Faulkner aus nächster Nähe ins Gesicht geschossen zu haben. Er will ein "Weißhemd" (einen höheren Polizeibeamten) auf der Kreuzung 13. und Locust aus dem Wagen steigen gesehen haben und habe den Tatort wie zuvor vereinbart mit Hilfe eines Polizisten verlassen. Zu den Schußverletzungen Mumia Abu-Jamals erklärte er:

Jamal wurde kurz nach diesem Vorgang von einem uniformierten Polizisten, der am Tatort eintraf, angeschossen.

(aus: "free mumia", S. 64)

Dieses Geständnis wäre ohne die Anwältin Rachel Wolkenstein wohl kaum zustande gekommen. Wolkenstein hatte in ihrer am 7. August 2001 verfaßten eidesstattlichen Erklärung angegeben, seit 1987 für die Verteidigung Mumia Abu-Jamals "pro bono", also kostenlos, gearbeitet zu haben, bis sie im Juni 1999 das Team vorzeitig verlassen hatte. Zunächst habe sie sich mit dessen Haftbedingungen befaßt. Von Arnold Beverly habe sie schon früh Kenntnis gehabt, sie habe ihn 1989 im Gefängnis von Hunlock Creek besucht. Bei dieser Gelegenheit habe er ihr erzählt, daß er am 9. Dezember 1981 am Tatort der Erschießung Faulkners gewesen sei und daß er von einem Plan hoher Polizeikreise Philadelphias gewußt habe, Faulkner zu erschießen, weil dieser die Geschäfte der Center City Police störe. Beverly habe, so Wolkenstein, ihr schon 1989 erzählt, daß mehrere Polizeibeamte in zivil, unter ihnen auch ein schwarzer Beamter namens Boston, am Tatort gewesen seien, um sicherzustellen, daß die Erschießung Faulkners gelänge. Wer Faulkner tatsächlich erschossen habe, habe Beverly seinerzeit jedoch auf keinen Fall preisgeben wollen.

Rachel Wolkenstein sowie ihr Anwaltskollege Jon Piper aus dem damaligen Team unter Führung von Leonard Weinglass forcierten daraufhin ihre Ermittlungen in Hinsicht auf einen alternativen Tathergang. Dabei stießen sie auf die Aussage des Zeugen William Singletary, der schon 1982 im Prozeß gegen Abu-Jamal ausgesagt hatte, daß er unmittelbar nach der Schießerei "Weißhemden", also hohe Polizeibeamte in zivil, am Tatort gesehen habe. Dieser Zeuge sollte 1995 in dem Wiederaufnahmeverfahren nicht nur seine Aussage von 1982 bestätigen, derzufolge vor dem Eintreffen der Streifenwagen am Tatort Zivilpolizisten gewesen seien, die dann, nachdem die Streifenwagen eingetroffen waren, wieder verschwunden waren. Singletary erklärte 1995 auch, daß die Polizei ihn über Jahre hinweg durch die Androhung von Gewalt von seiner Aussage abzuhalten versucht habe.

Der Erklärung Wolkensteins zufolge läßt sich die in der Presse stark herabgewürdigte und von den zuständigen Behörden gänzlich bestrittene Glaubwürdigkeit Beverlys zumindest in einigen Punkten erhärten. Der von Beverly schon 1989 erwähnte Polizist Boston, der laut Beverly den Auftragsmord an Faulkner mit vorbereitet habe, tauchte 1979 in einem Fall von Polizeibrutalität in einem Gerichtsprotokoll als Verdächtiger auf. 1997 habe die Zeugin Pamela Jenkins bei einer Anhörung im Fall Mumia Abu-Jamal vor Richter Sabo ausgesagt, sie wisse von ihrem früheren Liebhaber, dem Polizisten Thomas Ryan, daß dieser zusammen mit Boston und weiteren Beamten am Tatort der Erschießung Faulkners gewesen sei. Daniel Faulkner wäre im übrigen nicht der erste Polizist in Philadelphia, der durch oder im Auftrag der Polizei getötet wurde. Wolkensteins Recherchen hatten ergeben, daß beispielsweise 1983 der Polizeibeamte Bertram Schlein, der gegen Inspektor DeBenetto von der Zentrumsabteilung der Polizei von Philadelphia als Zeuge ausgesagt hatte, erschossen worden war. Dringender Tatverdacht im Mordfall Schlein habe, so Wolkenstein, gegen einen seiner eigenen Kollegen bestanden.

Einen Mord an einem Polizisten im Auftrag von Polizisten zu vermuten, ist unter Berücksichtigung all dessen, was insbesondere über die Zentrumspolizei von Philadelphia in den 70er und 80er Jahren bekannt geworden ist, keineswegs so abwegig, wie nach der Veröffentlichung des Geständnisses Beverlys vielfach angenommen und wie von den Verfahrensbeteiligten im Fall Mumia Abu-Jamal noch heute behauptet wird. Abu-Jamals ehemalige Anwältin Wolkenstein ließ in ihrer Erklärung nicht unerwähnt, daß keineswegs ausgeschlossen werden kann, daß es sich bei Daniel Faulkner um einen verdeckt arbeitenden Ermittler gegen die seinerzeit unter schwerem Korruptionsverdacht stehende Zentrumspolizei Philadelphias gehandelt haben könnte.

Abgesehen von den Aussagen des FBI-Ermittlers Donald Hershing, der im Zeitraum der Ermordung Faulkners, nämlich zwischen Mai 1981 und November 1982, als Undercoveragent in Philadelphia tätig gewesen war, um die schwere Korruption der Zentrumspolizei aufzudecken, habe ihr Kollege Piper von dem leitenden Bundesstaatsanwalt, der Inspektor DeBenetto wegen Korruption angeklagt hatte, erfahren, daß Polizeibeamte in Philadelphia als Informanten gearbeitet hatten. Der für die Ermittlungen gegen das organisierte Verbrechen in Philadelphia zuständige leitende FBI-Agent George Sherwood soll die Herausgabe der Militärakte Faulkners erwirkt haben, woraus geschlußfolgert werden könnte, daß dieser entweder selbst unter Verdacht gestanden hatte oder als vertraulicher Informant tätig gewesen war.

Im März 1999 schließlich erklärte sich Arnold Beverly gegenüber Wolkenstein zu dem Geständnis bereit, daß er selbst, zusammen mit einer zweiten Person, Faulkner erschossen habe. Selbstverständlich kann nicht ausgeschlossen werden, daß es sich bei dieser Selbstbezichtigung um ein fingiertes Geständnis handeln könnte. Da die zuständigen Ermittlungsbehörden und Gerichte jedoch alles nur Erdenkliche tun, um eine kriminalistische und/oder gerichtliche Untersuchung des Geständnisses zu verhindern, könnte es sich bei der allzu schnellen Erklärung, Beverly sei vollkommen unglaubwürdig, um eine gegenregulative Maßnahme handeln. Gerade weil dieses Geständnis, sollte es vor Gericht Bestand haben, sowohl einen von der Polizei in Auftrag gegebenen Polizistenmord aktenkundig und - was noch weitaus schwerer wiegen dürfte - eine weitere Inhaftierung Mumia Abu-Jamals ebenso unmöglich machen würde wie dessen Hinrichtung, darf es aus Sicht des US-amerikanischen Repressionsapparates gar nicht erst so weit kommen.

28. Juni 2007



Copyright 2007 by MA-Verlag
Nachdruck und Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages.
Redaktion Schattenblick, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth
Telefon 04837/90 26 98 · Fax 04837/90 26 97
E-Mail:ma-verlag.redakt.schattenblick@gmx.de
Internet:www.schattenblick.de