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DILJA/212: Ex-Serbenpräsident Karadzic erhebt vor dem Den Haager Tribunal Anklage (SB)


Eröffnungsrede des früheren Präsidenten der Serbischen Republik in Bosnien vor dem Jugoslawien-Tribunal in Den Haag

Der als Kriegsverbrecher vorverurteilte Radovan Karadzic erhebt schwere Vorwürfe auch gegen Deutschland


Nach rund vier Monaten Verhandlungspause wurde am Montag vor dem Den Haager Jugoslawien-Tribunal ein Verfahren fortgesetzt, das mit landläufigen Vorstellungen über einen fairen Strafprozeß nicht die geringste Verwandtschaft aufweist. Zur Aburteilung vorgemerkt ist in diesem Verfahren der frühere Präsident der Serbischen Republik in Bosnien (Republika Srpska), Radovan Karadzic, der im Juli 2008 nach elfjähriger Flucht in Serbien festgenommen und nach Den Haag ausgeliefert worden war. Der im Oktober vergangenen Jahres eröffnete Prozeß soll nun gewährleisten, was in dem sogenannten Jahrhundertprozeß gegen den ehemaligen Präsidenten Jugoslawiens, Slobodan Milosevic, nicht zur vollen Zufriedenheit der Tribunal-Verantwortlichen, ihrer Initiatoren und Finanziers, vollbracht werden konnte.

Im Milosevic-Verfahren wie auch im jetzigen Karadzic-Prozeß ging bzw. geht es um die juristische Entlastung der NATO, die mit ihrem völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien im Jahre 1999 schwerste Verbrechen beging und die spätere Zerschlagung des nach 1989 einzigen sozialistischen Vielvölkerstaats auf europäischem Boden militärisch einleitete. Diesem Krieg zuvor gingen die sogenannten bosnischen Bürgerkriege in den Jahren 1992 bis 1995, durch die das einstige Jugoslawien bereits erheblich dezimiert und seine finale Zersplitterung vorbereitet bzw. eingeleitet worden war. In der Vorgeschichte der Bosnienkriege wiederum nahm das sogenannte "Massaker von Srebrenica" einen besonderen Stellenwert ein, weil es gemäß einer mutmaßlich zwischen dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton und der bosnisch-muslimischen Führung getroffenen Vereinbarung zur Vorbedingung für eine Intervention der NATO gegen die bosnischen Serben [1] erklärt worden war.

In dem nun bevorstehenden Prozeß gegen Karadzic wurden inhaltliche Einschränkungen implantiert, die diesem Zusammenhang Rechnung tragen. So sollen die "Massaker von Srebrenica" wesentlicher Schwerpunkt der vermeintlichen Beweisführung gegen Karadzic sein, während das eigentliche Kriegsgeschehen ausgeklammert werden soll. Somit können diejenigen, die die Oberhoheit über das Verfahren und die Prozeßführung innehaben, durch ihre Entscheidung, welche Tatvorwürfe verhandelt werden können und welche nicht, dafür Sorge tragen, daß am Ende ein Ergebnis in Gestalt eines rechtskräftigen Urteils (gegen Karadzic) vorgelegt werden kann, das, dann von Seiten eines Gerichtes und somit mit juristischer Gewalt untermalt, die ohnehin längst vollzogene Schuldzuweisung an die Seite der bosnischen Serben, Serbiens und Jugoslawiens erhärtet.

Daß dieses Verfahren kein faires sein kann, läßt sich auch aus eher formalen Gründen an der Art und Weise ablesen, wie sich hier "Anklage" und "Verteidigung" gegenüberstehen. Während das Tribunal über einen schier unendlichen Zustrom an personellen und finanziellen Mitteln verfügt, steht der Angeklagte buchstäblich alleine da. Ihm wurde, dies verursachte die viermonatige Prozeßpause, das Recht, sich selbst zu verteidigen, wie es die Statuten des Tribunals auch vorsehen, verwehrt. Gegen die Entscheidung, ihm gegen seinen Willen einen Pflichtverteidiger vorzusetzen, hatte Karadzic Berufung eingelegt, die im Februar vom Tribunal zurückgewiesen worden war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der britische Jurist Richard Harvey, den das Gericht als "Verteidiger auf Abruf" berufen hatte für den Fall, daß der sich weiterhin selbst verteidigende Karadzic durch eine "Störung" den Prozeßverlauf behindern würde, das Geschehen von der Zuschauerbank aus verfolgt.

Trotz offizieller Verhandlungspause hatte es sehr wohl Anhörungen vor dem Tribunal gegeben, so beispielsweise am 15. Februar 2010, als der deutsche Botschafter in den Niederlanden, Thomas Laufer, zu der für die Bundesregierung unangenehmen Frage Stellung nehmen mußte, warum von Karadzic beantragte Dokumente, die belegen sollten, daß die damalige Bundesregierung unter Verletzung eines Waffenembargos der Vereinten Nationen die bosnischen Muslime für deren Krieg gegen die Serben mit Waffen versorgt hatte, nicht ausgehändigt worden waren. In dem nun bevorstehenden Verfahren wird dieser Sachverhalt - wie auch viele weitere, die der offiziellen Version, derzufolge das Massaker von Srebrenica mit bis zu 8000 Toten allein von serbischer Seite zu verantworten sei, widersprechen und diese in Frage zu stellen imstande sind - wohl nicht zur Sprache gebracht werden, weil er zum "Kriegskontext" gehört.

Radovan Karadzic erhob in der Eröffnungsrede seiner Verteidigung Vorwürfe gegen führende westliche Staaten, so auch Deutschland, wegen der Rolle, die die damalige Bundesregierung unter Genscher/Kohl bei der Einleitung der Jugoslawienkriege gespielt hat. Konkret benannte er die alleinige und voreilige Anerkennung der abtrünnigen Teilstaaten Jugoslawiens, Slowenien, Kroatien und Bosnien, durch Deutschland, das sich damit, so Karadzic, in eine Tradition mit der Verbindung des deutschen NS-Staates zum früheren Kroatien stellte. Karadzic kündigte an, für die Würde der bosnischen Serben kämpfen zu wollen. "Ich werde diese Nation verteidigen, deren Sache gerecht und heilig ist. Auf diese Weise werde ich imstande sein, mich ebenfalls zu verteidigen", so der 64jährige Angeklagte, dem die Finanzierung des von ihm gewählten Verteidigerteams entzogen wurde. Statt mit zuvor acht Vollzeitkräften steht er nun nur noch mit eineinhalb dar, um den von der Anklage zusammengetragenen Aktenberg durchzuarbeiten, der mittlerweile einen Umfang von rund 1.400.000 Seiten umfaßt.

[1] Zu diesem Themenkomplex siehe www.schattenblick.de -> INFOPOOL -> GEISTESWISSENSCHAFTEN -> MEINUNGEN
DILJA/084: Srebrenica oder die Zerschlagung Jugoslawiens - Teil 1 (SB) bis
DILJA/106: Srebrenica oder die Zerschlagung Jugoslawiens - Teil 23 (SB)

2. März 2010



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