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KORRESPONDENZEN/014: Lesermeinung zu "Desertec - Stromraub aus Afrika" (SB)


Bleibt Afrika Ressourcenkontinent?

Europa will sogenannte Erneuerbare Energien aus Afrika beziehen


Ein Leserbrief von Eberhard Luedecke zu dem Schattenblick-Beitrag "Desertec - Stromraub aus Afrika (SB)", den Sie im Infopool unter POLITIK/KOMMENTAR, Index HEGEMONIE/1601 nachlesen können:

Guten Tag.

Ich kann Ihre Auffassung nur bedingt teilen. Zunächst bietet es sich an, dort, wo beständig die Sonne scheint, sie auch für die Herstellung umweltfreundlicher Energie zu nutzen. Aber im Gegensatz zu den Ausbeutungen früherer Jahre (Leider ja auch heute noch) wird den Bewohnern von Afrika ja nichts weggenommen!! Sonne ist da im Überfluss und wird von den Einheimischen bisher nicht genutzt.

Dass die Anlage einem höheren Verschleiß ausgesetzt sein wird, wissen die potenziellen Betreiber wohl selbst. Aber auch hier können Erfahrungen für derartige Einsatzgebiete gesammelt und verwertet werden.

Und dass die Konzerne, die sich an dem Projekt beteiligen, hier auch ein paar Euro verdienen wollen, ist doch legitim! Falls es sich nicht rechnet, weil z.B. die Europäer inzwischen ausreichend eigene Anlagen der Erneuerbare Energie errichtet haben oder gelernt haben, mit weniger Energie auszukommen, dann kann der Strom von den Afrikanern immer noch selbst verbraucht werden. Damit ist die Situation auf jeden Fall deutlich besser als sie jetzt ist. Vorgesehener Beginn der Stromlieferung soll ja erst 2020 sein.

Die Münchner Rück beteiligt sich an dem Projekt wohl in erster Linie aus eigener Einsicht, denn sie hat durch die enormen Schäden in der Vergangenheit, hervorgerufen durch den Klimawandel, schon sehr viel Geld für Versicherungsleistungen aufwenden müssen.

Alles in allem: Ich finde es sehr gut, dass hier ein Großprojekt für die Erneuerbare Energie in Angriff genommen wird.
Sonnige Grüße,

Eberhard Luedecke, Meckenbeuren


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Antwort der Schattenblick-Redaktion

Sehr geehrter Herr Luedecke,

wir bedanken uns für Ihren anregenden Diskussionsbeitrag. Das gibt uns die Gelegenheit, vertiefend zu erläutern, warum das Desertec-Konzept sehr wohl auf einen "Stromraub aus Afrika" hinauslaufen dürfte.

Überraschenderweise unterscheiden sich nämlich bei näherer Betrachtung die Wärmeeinstrahlung durch die Sonne (Erneuerbare Energie) prinzipiell nicht beispielsweise von fossiler Energie wie Erdöl, das im Boden lagert. Wärmeeinstrahlung und Erdöl werden erst ab dem Zeitpunkt zu Energieträgern, wenn sie ausgebeutet werden sollen. Erst dann kann man von einer Ressource sprechen, der Begriff impliziert die Verfügungsabsicht.

Zum Raub kommt es aber nicht nur, wenn beispielsweise Erdöl außer Landes gebracht wird. Zum Raub kann auch die Verdrängung der Bevölkerung aus einem angestammten Lebensraum gehören, das gilt nicht nur unmittelbar für das Gebiet, in dem Erdöl emporgepumpt oder eine solarthermische Anlage errichtet wird, sondern auch wenn Ressourcen (Beton, Wasser, etc.) für den Bau und Betrieb der Anlagen abgebaut oder verbraucht werden.

Für Erneuerbare wie auch fossile Energien müssen dieselben Fragen beantwortet werden: Wer erhebt Verfügungsanspruch auf die "Ressource" und wer darf sie unter welchen Bedingungen ausbeuten? Wer verfügt über die notwendige Technologie zur Ausbeutung? Wer wird von der Nutzung ausgeschlossen? Welche Schäden entstehen durch das Projekt, auf wessen Schultern werden sie ausgetragen? Wer erleidet welche Nachteile und wie wird damit umgegangen?

Da es bislang für ein Erneuerbare-Energien-Projekt der Größenordnung, wie es Desertec in Afrika anstrebt, kein direktes Vorbild gibt, halten wir uns bei der Einschätzung des Konzepts an die Erfahrungen aus der bestehenden Ressourcennutzung aus anderen Energiebereichen. Die verheerenden sozialen Folgen (bewaffnete Konflikte, Vertreibungen, Entstehung repressiver Regime, etc.) der Erdölförderung in Ländern wie Sudan, Nigeria, Tschad, Äquatorial-Guinea, etc. dürften Ihnen hinlänglich bekannt sein.

Wir hoffen, den Sachverhalt mit unseren Ausführungen deutlich gemacht zu haben, und verbleiben mit freundlichen Grüßen,

Ihre SB-Redaktion

26. Juni 2009