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PRESSE/607: Abschied von der Toskana ... (Buddhistische Monatsblätter)


Buddhistische Montsblätter Nr. 3/2007, Juli - September
Buddhistische Gesellschaft Hamburg e.V.

Abschied von der Toskana oder Der Dalai Lama in der Küche

Von Sabine Witt (Vimala)


Ein Haus in der Toskana! In den 1980er Jahren war dies ein Traum in Deutschland - und ich konnte ihn verwirklichen. Nach einer jahrelangen, abenteuerlichen Suche, die uns in die entlegendsten Täler und auf die höchsten Berge der Toskana führte, fanden wir, mein damaliger Verlobter Alfredo und ich, endlich unser Traumhaus: In der Nähe von Castellina Marittima, auf einem Hügel, mit Blick aufs Meer, dort, wo die Toskana auch heute noch so aussieht wie auf den Hochglanzbildern der Fotobände und -kalender.

Mit Sack und Pack und Hund siedelten wir, gemeinsam mit einem befreundeten Ehepaar, frohen Herzens nach Italien über. Unsere Siebensachen, sicher von der Deutschen Bundesbahn transportiert, scheiterten indes am viel zitierten italienischem Chaos und landeten irgendwo im Süden des Stiefels. So erlebte ich, ohne Wintersachen und Bettwäsche, im ach so sonnigen Italien den kältesten Winter meines Lebens. Das fing nicht sehr gut an, und besser ging es auch nicht weiter: Meine in der Nähe von Neapel ansässigen Schwiegereltern erkrankten, und wir packten erneut, um zu ihnen nach Castellammare di Stabia zu ziehen. Das schlimmste Jahr meines Lebens erwartete mich: Mein Verlobter Alfredo mutierte unversehens und alle Klischees bedienend zum süditalienischen Macho und fing gar das Trinken an. Ich war an Haus und Herd und meine kranken, mir feindselig gegenüberstehenden Schwiegereltern gefesselt. Das konnte nicht lange gut gehen, und mit Hilfe meiner Eltern kehrten Alfredo und ich in die Toskana zurück. Nun wurde es besser. Fröhlich saß ich auf meinem Hügel und schaute, im doppelten Sinne, von oben herab auf ein tibetisch-buddhistisches Zentrum in Pomaia, direkt unter unserem Haus. Die durch die Landschaft wandelnden, orange gekleideten Bewohner des Zentrums irritierten und amüsierten mich zugleich.

Doch auch der zweite Versuch, in der Toskana Fuß zu fassen, war zum Scheitern verursacht: Bereits nach einem Jahr, während ich meine Eltern in Hamburg besuchte, verunglückte Alfredo tödlich bei einem Verkehrsunfall auf der immer noch berüchtigten Aurelia.

In Italien werden Verstorbene, der Hitze wegen, schnell begraben. Ich schaffte es zur Beerdigung auf dem Friedhof in Cecina nur mit Mühe. Danach saß ich, erst Mitte 20, trauernd und verlassen in meinem geliebten Toskanahäuschen, das ich allein nicht halten konnte. Ich überließ es schweren Herzens meinen Freunden, und räumte auf. Zeit genug hatte ich: Gerade jetzt, als ich einen LKW brauchte, streikten wochenlang die italienischen Lastwagenfahrer; in den 1980 Jahren waren Streiks in Italien auf der Tagesordnung.

Alfredos Habseligkeiten brachte ich in das von mir so misstrauisch beäugte buddhistische Zentrum und erholte mich davon bei einem Nachbarn, der diesem direkt gegenüber wohnte, bei einem starken italienischen Espresso. Er erzählte mir enthusiastisch von seinen buddhistischen Nachbarn und wies auf ein Foto des Dalai Lama: "mein Freund," sagte er stolz. In diesem Moment öffnet sich die Küchentür - und es treten ein: der Dalai Lama mit mehreren Mönchen!

Seine Heiligkeit weilte gerade anlässlich eines interreligiösen Kongresses in Assisi und besuchte das buddhistische Zentrum von Pomaia. Mir verschlug es den Atem. Ich war völlig überfordert, ließ mich vom Dalai Lama zwar noch begrüßen, verließ danach aber so schnell wie möglich das Haus. Wie dumm! Welch verpasste Gelegenheit! Aber ich war mit dem Buddhismus noch nicht vertraut, er war mir gar suspekt.

Allein, diese kurze Begegnung nistete sich in meinem Herzen ein und traf auf fruchtbaren Boden: Denn schon in meiner Kindheit hatte mein Vater mir viel über Tibet und den Himalaya erzählt. Viele Jahre nach der unverhofften Begegnung reiste ich deshalb nach Tibet und fühlte mich dort fast wie zu Hause. Aber der tibetische Buddhismus sollte mir trotzdem fremd bleiben; in der BGH entdeckte ich 1999 dann den Theravada-Buddhismus für mich, nahm beim Ehrwürdigen Dhammika Zuflucht und bin seither für die BGH engagiert.

Im letzten Jahr fasste ich endlich, nach genau 20 Jahren, Mut und kehrte, gemeinsam mit meinem jetzigen, langjährigen Lebengefährten, immer noch aufgewühlt zu Alfredos Grab und zu meinem Toskanahaus zurück. Ich fand das Häuschen fast unverändert vor - aber direkt gegenüber, weniger als 50 Meter entfernt, steht nun ein buddhistischer Stupa.


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Quelle:
Buddhistische Montsblätter Nr. 3/2007, Juli - September, Seite 11-13
Herausgeberin: Buddhistische Gesellschaft Hamburg e.V.,
Beisserstr. 23, 22337 Hamburg
Tel.: 040 / 6313696, Fax: 040 / 6313690
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2007