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PRESSE/624: Shamarpa-Stammsitz wird wieder aufgebaut (Buddhismus heute)


Buddhismus heute 43 - Sommer 2007
Das Diamantweg-Magazin der Karma-Kagyü-Linie

Nachrichten und Hintergründe
Shamarpa-Stammsitz in Tibet wird wieder aufgebaut

Von Michael den Hoet


Lhasa - Es war lange der Stammsitz der Shamar Rinpoches. Vor über zwei Jahrhunderten war das Kloster nach einer politischen Intrige zu einer Stätte der Gelugpa-Richtung im Tibetischen Buddhismus zwangskonvertiert worden. Während Mao Zedongs "Kulturrevolution" (eigentlich einer Kulturzerstörungsrevolution) in den 1960er Jahren, wurde es gar verwüstet. Doch nun erlebt Yangpachen in Zentraltibet eine wundersame Auferstehung als Karma Kagyü Stelle.

Das Kloster Yangpachen wurde vom 4. Shamarpa Chökyi Drakpa Yeshe Pal Zangpo (1453-1524) gegründet und war bis 1792 der Sitz des Shamar Tulku, traditionell zweithöchster Lama der Karma Kagyü Linie nach dem Karmapa. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts brach eine Verschwörung gegen den 10. Shamar Rinpoche Mipam Chödrup Gyamtso (1742-1792) aus. Der damalige Panchen Lama, zweithöchster Lama in der politischen, von der Gelugpa Linie geprägten politischen Hierarchie Tibets und Abt des Klosters Tashilünpo in der Stadt Shigatse, war ein Bruder des Shamarpa. Nach dem Tod des Panchen Lama (er starb auf einer Reise nach China an Pocken) unterschlug der Drungpa Hutogatu, Verwalter des Tashilünpo-Klosters, eine Spende des chinesischen Kaisers, die für Shamarpa gedacht war und beschuldigte den prominenten Kagyü-Lama, einen Umsturz gegen die Regierung Tibets zu planen. Shamarpa wich in das Gurkha-Reich (das heutige Nepal) aus. Unglücklicherweise kam es wegen Münzstreitigkeiten und den daraus resultierenden Schwierigkeiten für den Handel bald zu einem Krieg zwischen Nepal und Tibet. Um den Angriff abzuwehren, sah sich die tibetische Regierung veranlasst, chinesische Militärhilfe anzufordern. Die tibetische Regierung erklärte Shamarpa zum Sündenbock in der Affäre und konfiszierte das Kloster Yangpachen. Nachdem der 10. Shamarpa in Nepal starb, verbot sie gar offiziell seine Reinkarnation. Erst 1963, nach dem Verlust der Unabhängigkeit und der Flucht zehntausender Tibeter über den Himalaja, konnte der 16, Karmapa in Indien gegenüber der tibetischen Exilregierung durchsetzen, dass der Shamar Tulku erneut als offizielle Wiedergeburt eingesetzt wurde.

Zu dieser Zeit war die Vernichtung der alten tibetischen Kultur bereits in vollem Gange. Sie sollte zwischen 1966 und 1976 ihren Höhepunkt erreichen, als die berüchtigten "Roten Garden" viele Überreste aus früheren Hochkulturperioden innerhalb des Territoriums der Volksrepublik China zerstörten. Oft wurde die lokale Bevölkerung mit Waffengewalt gezwungen, ihre eigenen alten Baudenkmäler abzureißen. Von über 99 % der früheren Klöster und buddhistischen Institute Tibets blieben kaum mehr als Grundmauern übrig. Auch das Kloster Yangpachen, ca. 85 Kilometer nordöstlich der tibetischen Hauptstadt Lhasa gelegen, wurde dem Erdboden gleichgemacht. Der Ort blieb immerhin wegen seiner heißen Erdquellen bekannt; ein Thermalkraftwerk, das hier in den 1970er Jahren gebaut wurde, deckt bis heute fast den ganzen Energiebedarf von Lhasa.

Und doch ereignete sich hier, an Shamarpas Stammsitz, während des Zwangsabrisses der Gebäude eine wundersame Geschichte, die später Bedeutung haben sollte: In Yangpachen gab es einen Stupa, der Körperreliquien des 4. und des 5. Shamarpa enthielt. Eines Tages, so berichtet die lokale Bevölkerung, kamen Soldaten der Roten Garden, um ihr Zerstörungswerk fortzusetzen. Unter dem Vorwand "den Aberglauben auszumerzen" demolierten sie den Stupa, und die körperlichen Überreste der früheren Shamarpas kamen zum Vorschein. Der Versuch diese zu zertrümmern schlug fehl: Äxte, mit denen auf die Gerippe eingeschlagen wurde, gingen zu Bruch; aus einem leicht beschädigten Armknochen des 4. Shamarpa floss Blut. Ängstlich und fluchtartig verließen die Rotgardisten die Stätte, ehemalige Yangpachen-Lamas stellten die Relikte sicher und vergruben sie. Das Wunder sprach sich leise herum.

Als sich in den 1980er Jahren die politische Lage etwas besserte und die ersten Wiederaufbauprojekte in Gang kamen, entstand bald bei der Bevölkerung von Yangpachen der Wunsch, den Sitz der früheren Shamarpas neu zu errichten leicht versetzt von den Grundmauern an einem Platz, die der 4. Shamar Rinpoche einst für einen späteren Bau vorhergesagt hatte. Da die Stätte als Kagyü Stelle erneuert werden sollte (und nicht als Kloster der von der chinesischen Führung kritisch beäugten Gelugpa Richtung), signalisierten chinesische Behörden frühzeitig Wohlwollen. Einige der Knochenreliquien gelangten nach Taiwan, wo Lopön Tenzin Jigme Rinpoche als Residenzlama am Karma-Kagyü-Kloster in der Stadt Tainan lebt. Dort wurde Geld für den Neuaufbau gesammelt. Schließlich gaben die Behörden der Provinzregierung grünes Licht für den Bau von Yangpachen.

Der gegenwärtige Künzig Shamar Rinpoche, wichtigster Lehrer des 17. Karmapa Thaye Dorje, unterstützt das Restaurierungsprojekt. Vor kurzem fand Shamar Rinpoche in den USA die Wiedergeburt eines Tulkus aus Yangpachen, dessen Linie auf das 16./17. Jahrhundert zurückgeht.

Mehr Infos unter http://bodhipath.org/projects/yangpochen.html

Fotos siehe: http://bodhipath.org/resources/photogalery/photos-yangpochen-aug2006.html


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Quelle:
Buddhismus heute 43, Sommer 2007, Seite 90-91
Herausgeber:
Buddhistischer Dachverband Diamantweg der Karma Kagyü
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2007