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PRESSE/727: Des Hausners Feiertag (Buddhistische Monatsblätter)


Buddhistische Monatsblätter Nr. 4/2008, Oktober-Dezember
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.

Des Hausners Feiertag

Von Hellmuth Hecker


Nach uralter, schon vorbuddhistischer indischer Sitte ist der Vollmondtag der Hauptfeiertag in jedem Monat, ein zweiter Festtag ist der Neumondtag, ein dritter und vierter die beiden dazwischen liegenden Tage des zu- und des abnehmenden Halbmondes. Das ergibt, wie auch bei uns, alle acht Tage einen Feiertag, nämlich am 1., 8., 15. und 23. Tag des Mondumlaufs. Dieser Feiertag, welcher der Nacht jener Mondphasen voranging, hieß Uposatha(1). Alle sonstigen speziellen Feiern werden auf diese Uposatha-Tage gelegt, vor allem das Wesakfest(2) am Vollmondtage des Monats Mai. An diesem Tage wird Geburt, Erwachung und Parinibbana des Buddha gefeiert. An anderen speziellen Feiertagen seien erwähnt Anfang und Ende der mönchischen Regenzeit und das Fest der Robenstiftung - alle sind Tage der Zuwendung des Laien zum Orden, insbesondere durch Geben.

Nach indischer Auffassung ist der Uposatha-Tag ein Feiertag des Kosmos: Am Vollmondtage werden alle Buddhas geboren und an ihm erreichen sie die Erwachung; am Vollmondtage erscheint dem Weltherrscher das Radjuwel als Zeichen des Sieges (D 16); den Uposatha-Tag zu halten, ermahnt der Götterkönig Sakka seine Götter (A III, 37). Vor allem aber heißt es, dass an den Uposatha-Tagen die "vier großen Könige" oder ihre Söhne oder ihre Boten durch die Welt gingen. Diese Klasse von Göttern entspricht etwa den christlichen Schutzengeln (Engel = griech. Bote), die den Gerechten behüten. Diese Engel, heißt es, schauten an den Feiertagen nach, ob die Menschen drei Dinge täten: Gute Werke, Ehrung von Erfahrenen durch Annahme ihrer Weisheit und Enthaltung von groben, untugendhaften Dingen.

"Gibt es, ihr Mönche, wenige unter den Menschen, die Vater und Mutter, Asketen und Priester, ein ehrwürdiges Haupt ehren, die Regeln des Feiertags befolgen und einhalten sowie gute Werke tun, so berichten es die vier großen Könige den Göttern der Dreiunddreißig im Saal der Seligen. Darob sind die Götter der Dreiunddreißig traurig und denken:"Ach, die himmlischen Wohnungen werden immer leerer und die Welten der Dämonen werden sich füllen"
(A III, 36)

Mit den genannten drei Dingen ist bereits Sinn und Inhalt des Feiertages umrissen:

Die guten Werke bestehen für den Laien vor allem darin, den Mönchen zu spenden, was sie brauchen. Erwähnt sei unter den Werken der Barmherzigkeit auch die alte orientalische Sitte, am Uposatha gefangene Tiere loszukaufen und ihnen die Freiheit zu geben.

Die Ehrung der Weisen entspricht etwa dem christlichen Kirchgang, dem Anhören der Predigt. Im Buddhismus, der ursprünglich keinerlei Priesterschaft kannte, gingen die Laien am Uposatha-Tage zu den Klöstern und fragten die Mönche über Leben und Dasein, über Selbsterziehung und Meditation. Ein schönes Beispiel dafür bietet die zweite Rede der "Längeren Sammlung":

"Um diese Zeit nun hatte der König von Magadha, Ajatasattu, der Sohn der Videherin, an einem Feiertage, im halben Monat, am letzten herbstlichen Vollmonde, in der voll aufgegangenen Mondnacht, umgeben von seinem Gefolge, oben auf der Zinne seines Palastes Platz genommen. Da ließ nun der König von Magadha, Ajatasattu, der Sohn der Videherin, an diesem Feiertage, indem er tief aufatmete, sich also vernehmen:"Entzückend, wahrlich, ist die leuchtende Nacht, es ist eine Pracht und ist eine Herrlichkeit in dieser leuchtenden Nacht, erquickend ist sie und beglückend ist sie, diese leuchtende Nacht! Was für einen Asketen oder Priester wollen wir doch heute besuchen gehen, um uns bei ihm das Gemüt erheitern zu lassen?"

Ein weiteres Beispiel enthalten die "Bruchstücke": Da unterhalten sich zwei kleine Geister bevor sie zum Buddha gehen, über dessen Eigenschaften und zwar beginnt der eine von ihnen das Gespräch wie folgt:

"Bei vollem Monde heut, am Feiertag,
wann himmlisch hell die Nacht erscheint,
erhabnen Meister hier erschaun,
wohlan denn lasst uns gehen zu Gotamo." Snp 153

Das Wichtigste des Feiertages aber ist die als drittes genannte Tugendhaftigkeit, die bis ins Seelische hineinreichende Haltung der Enthaltung, der Teilnahme und Rücksicht gegenüber allen lebenden Wesen. Im Anguttara Nikaya (III, 70) heißt es, dass der im Hause lebende edle Jünger des Buddha erwägen sollte:

"Zeitlebens meiden Heilige das Töten, das Stehlen, die Unkeuschheit, das Lügen, berauschende Getränke und Mittel, das Essen zur Unzeit, Zerstreuungen und hohe prächtige Lager. Und auch ich meide heute, diesen Tag und diese Nacht, jene Dinge. In dieser Eigenschaft folge ich den Heiligen nach, und den Feiertag werde ich eingehalten haben. In dieser Weise befolgt, bringt der mit acht Eigenschaften ausgestattete Feiertag hohen Lohn, hohen Segen, ist mächtig an Würde und Größe."

Der Sinn des Feiertages als Enthaltsamkeit von jenen acht Dingen wird in den Versen der "Bruchstücke" noch wie folgt umrissen:

"Kein Wesen töten, Ungegebnes nehmen nicht,
nicht Lüge reden, trinken keinen Rauschetrank,
Gemeinschaft wird er meiden, wenn sie unkeusch ist,
und wird kein Mahl zur Unzeit nehmen ein bei Nacht.

Ihn kränzen keine Blumen und ihm taugt kein Duft,
sein Lager ist die Matte auf der Bodenflur:
das eben gilt ihm achtfach als der Feiertag
vom Auferwachten leidentgangen, offenbart.

Da mag er alle Woche feiern Feiertag,
beim neuen Monde, vollen Monde, halbem Mond:
und wann die Lehre wird erläutert, frohgemut,
achtfach gefestigt, als ein Wohlerprobter sein.

Am Morgen dann, nach so vollbrachtem Feiertag
An Speis und Trank er sorge für der Mönche Schar,
erheitert im Gemüte, mitbeseligt,
zu spenden Gabe nach Vermögen, witzig.

Gerecht erhalten wird er seine Eltern,
betreiben wird er ehrlich sein Gewerbe;
der Hausner, also handelnd unverdrossen,
zu 'Eigenhell' geheißnen Göttern geht er ein." Snp 401-404

Von den aufgeführten acht Regeln des Feiertages betreffen die ersten fünf die fünf Tugendgebote, die der Hausner schon als Mindeststandard buddhistischer Lebensführung einhält. An den Uposatha-Tagen gilt es jedoch, außerdem vollkommene Keuschheit einzuhalten: Der Laie nimmt also dann ein Gebot auf sich, das der Mönch ständig innehält. Damit ist der erste wesentliche Schritt zur Entwöhnung und Unbedürftigkeit getan. Es spricht für die tiefe Weisheit eines Vollendeten, dass er die ihm ergebenen Anhänger nicht sofort mit überstrengen Forderungen zurückschreckt, sondern dass er vielmehr mit väterlicher Umsicht nur eine Richtschnur gibt, an welche der Laie sich alle sieben Tagen halten soll. Welche läuternde Wirkung diese gemäßigte Form der Enthaltsamkeit auf die Dauer hat, dürfte nur durch langjährige eigene Erfahrung nachzuprüfen sein. Immerhin wäre es gut, diese Form der "Wochenendaskese" nicht geringschätzig zu betrachten, sondern als vom Erwachten gepriesen und eingeführt zu ehren.

Zu den drei Geboten des Handelns (nicht töten, stehlen, unkeusch leben), dem einen Gebot der rechten Rede (nicht lügen) und dem einen Gebot des rechten Wandels (nicht sich berauschen), die der Laie jederzeit innehalten soll, kommen am Feiertage noch die drei weiter oben genannten Gebote der Lebensführung, die das Essen, das Vergnügen und das Wohnen betreffen.

Das Wichtigste von diesen drei weiteren Geboten ist das erste, um dessentwegen der Feiertag oft mit Fastentag übersetzt wird. Dieses "Fasten" besteht darin, erstens nichts zwischendurch zu essen, zweitens nichts nach dem Mittag zu essen. Das bedeutet für den Abendländer, dass er am Feiertage auf Nachmittagskuchen und Abendessen und sonstige Leckereien verzichtet. Diese Regel macht es sehr einfach, am Feiertag der Versklavung an die Küche zu entgehen und gibt auch der Hausfrau die Möglichkeit, dann Ruhe zu haben. Damit wird eines der Haupthindernisse für die sonntägliche Selbstbesinnung, nämlich der Essenszwang, auf ein erträgliches Mindestmaß reduziert. Wem dieser Versicht sehr schwer fällt, der mag überlegen, dass je größer die Überwindung, desto größer auch der Gewinn an Freiheit ist, wer dieses "Fasten" regelmäßig, jahrelang, jeden Sonntag übt, der wird merken, was es damit auf sich hat, wenn man auch nur einmal in der Woche der Gewohnheit entrinnt. Man muss sich hier entscheiden: "Was ist mir wichtiger, das Esssen oder die Erlösung?" Es bedarf kaum der Erwähnung, dass am buddhistischen Feiertage auch das Rauchen nicht am Platze ist - zumindest nicht mehr nach dem Mittag. Jedenfalls ist das die naheliegendste Gelegenheit, sich "probeweise" einmal in der Woche bewusst an Enthaltsamkeit zu gewöhnen.

Die beiden weiteren Gebote der rechten Lebensführung betreffen denselben Grundsatz: Abkehr von übertriebener sinnlicher Bedürftigkeit, Enthaltsamkeit im Rahmen des Möglichen. Warum schmückt sich denn der Mensch und kleidet sich auffällig? Um zu gefallen, um anderen körperlich zu gefallen, um das eigene Ich herauszustellen und anzupreisen. Aber was ist der Leib?

"Gleichwie man Wände neu bemalt,
betünchen sie den faulen Leib:
Schau, wie der Leib ist aufgeputzt
rubinbehangen, goldgeschmückt,
das hautverbrämte Beingerüst
im Glanze seiner Kleiderpracht." M 82

Mit diesem Feiertagsgebot, sich nicht äußerlich aufzuputzen, wird immer verbunden das weitere Gebot mönchischer Lebensführung, nämlich keine Schaustellungen zu besuchen, sich nicht der vielfältigen Zerstreuung hinzugeben. Wer den buddhistischen Feiertag ernst nehmen will, der muss sich etwa Folgendes zu Gemüte führen: Sechs Tage lang kann ich - zwar mit Maßen - den Begierden nachgehen; aber einen Tag in der Woche will ich dem Buddha widmen und will verzichten auf Radio und Fernsehen, Kino und Theater.

Was schließlich das letzte der acht Feiertagsgebote betrifft, nämlich hohe prächtige Lagerstätten zu meiden, so mag man sich einmal überlegen, dass es doch gut ist, wenn man nicht so abhängig von Kissen und Polstern ist und auch einmal bereit ist, die Last des Leibes zu merken und trotzdem ruhen zu können.

Der Buddha sagt, dass dieser achtgeteilte Feiertag - die dritte Art des Feiertages - für jeden hohen Lohn, hohen Segen bringe und mächtig an Würde und Größe sei:

"Möchten auch alle Bürger aller Stände den achtgeteilten Feiertag einhalten, so würde es ihnen lange zum Wohle, lange zum Heile gereichen. Und möchten auch alle Götter, alle bösen und heiligen Geister, die ganze Welt mit ihrer Schar von Asketen und Priestern, Göttern und Menschen den achtgeteilten Feiertag innehalten, so würde es auch ihnen lange zum Wohle, lange zum Heile gereichen. Und würden gar diese gewaltigen Baumriesen hier denken können und den achtgeteilten Feiertag einhalten können, so würde es auch ihnen lange zum Wohle, lange zum Heile gereichen." A VIII 44

"Ja, Sonne, Mond und Sternenschar,
die sind ein Sechzehntel nicht wert
des achtgeteilten Feiertags,
Sei's drum ein Mann, sei es ein Weib,
wer tugendrein am Feiertag
und gute, edle Werke wirkt,
der geht zum Himmel tadellos." A III 70

Eines Tages kamen einige Landsleute des Buddha, Sakyer, in seiner Heimatstadt zu ihm, und er fragte sie: "Haltet ihr wohl, Sakyer, den achtgeteilten Feiertag?" Da antworteten sie: "Bisweilen, o Ehrwürdiger, bisweilen nicht." Der Buddha erwiderte darauf: "Schade ist es für euch, o Sakyer, schlecht trifft es sich für euch, dass ihr bei einem so von Kummer und Sterben bedrohten Leben nur bisweilen den achtgeteilten Feiertag innehaltet und bisweilen nicht." Er gibt dazu dann ein Gleichnis: Wenn ein Mann durch seinen Fleiß sich jeden Tag eine bestimmte kleine Geldsumme zurücklegt, dann würde er nach hundert Lebensjahren ein gewaltiges Vermögen erwerben. Ganz ebenso würde ein Mann, wenn er nach der Weisung des Erwachten sich einige Jahre oder nur Monate intensiv übe, dadurch erlangen, in einer in sich leidlosen Daseinsform viele Jahrtausende im vollkommenen Glück leben zu können - den Weg dazu aber leite der achtgeteilte Feiertag ein. Da sagten die Sakyer: "Von heute ab, o Ehrwürdiger, wollen wir den achtgeteilten Feiertag immer innehalten." (A X 46)

Auch der Buddha selber hatte in seinen früheren Leben als Bodhisatta strikt am Feiertage festgehalten:

"Wahrhaftig, recht gesinnt, in sich gefasst, beherrscht,
in lautrer Sitte fastend jeden Feiertag,
Wohltäter, Schützer, nie beflissen mit Gewalt,
in fester Zucht beharrt er bis ans Ende hin." D 30

Das Wichtigste am Uposatha-Tage aber ist es, durch die genannte achtfache Enthaltsamkeit Gelegenheit zu einer Gemütserhebung zu haben, d.h. Zeit zum Meditieren zu besitzen. Die Vereinfachung des Lebens durch größere äußere und innere Anspruchslosigkeit hat den Sinn, im Herzen nun höhere Vorstellungen und Strebensrichtungen zu pflegen und das Niveau der Seele über das Allgemein-Menschliche hinauszuheben, so wie es der Mönch im Idealfalle jeden Tag tut. Der Laie soll am Feiertage so mönchisch wie möglich leben, d.h. so meditativ wie möglich leben. Dazu aber bedarf es stark emporziehender Übungen, denn mit nur negativen Enthaltungen kann man auf die Dauer den Trieben nicht beikommen.

Diese emporziehenden Übungen haben ihren Ausgangspunkt in der Tugend. Schon mit der Tugend, der sittlichen Zucht, dem rechten Verhalten innerhalb der menschlichen Beziehungen, fängt das Heil an, wie der Erwachte sagt: Wer tugendhaft ist, braucht nicht zu sorgen, dass eine solche Haltung ohne Früchte bliebe: es ist feststehendes geistiges Gesetz, dass Reuelosigkeit, Freude und Beglückung aus der Tugend hervorgehen und dass Freude und Beglückung jene Einigung des Herzens einleiten, in der die Schauungen erfahren werden können. Durch die Erfahrung übersinnlicher Erlebnisse beginnt dann der Mensch, vom Grunde her aller sinnlichen Begierden überdrüssig zu werden, weil er eben Besseres kennengelernt hat, und löst sich so ohne Krampf von allem Vergänglichen.

Die Tugendübungen bestehen, wie wir es aus dem Wortlaut der Tugendgebote des Erwachten entnehmen, nicht nur in der Entsagung, in der Enthaltung von üblem Tun, sondern vor allem in der Erwerbung einer hellen Gemütsverfassung.

Im ersten Gebot geht es um die Gesinnung des Mitempfindens, Mitfühlens mit allen lebenden Wesen, im zweiten Gebot um die selbstverständliche Berücksichtigung der Interessen und des Besitzes anderer, im dritten Gebot um konsequentes Fernhalten von sinnlich begehrenden Gedanken, im vierten um konsequente Standhaftigkeit und Vertrauenswürdigkeit in Wahrhaftigkeit und im fünften um Gesinnung und Haltung der Nüchternheit.

Die Forderung des ersten Gebotes: "Selbstlos, voll Rücksicht zu allen lebenden Wesen Liebe und Mitleid zu hegen", bedeutet, selbstlos zu sein, das Ich zurücktreten zu lassen, anspruchslos und demütig zu sein, und ist Basis für alle Gebote. Der normale Mensch denkt in erster Linie an sich selbst: "Hier bin ich, dies sind meine Bedürfnisse, das brauche ich - und das sind die anderen." Die Bedürfnisse der anderen erkennen wir meistens nicht, da wir vor allem anderen unser eigenes Wohl bedenken. Aber jeder Ich-Gedanke bindet uns fester an diese sinnliche Welt, verfestigt die Spaltung in Ich und Du, hindert uns, das Heil zu gewinnen. In der in den Geboten jeweils genannten Gesinnung geht es darum, diesen Ich-Gedanken im Hinblick auf den anderen zu beschränken bzw. ganz aufzuheben, zwischen Ich und Du nicht mehr zu unterscheiden.

Auch noch ein anderer Gedanke hilft, diese Unterscheidung aufzuheben: der Gedanke der Gleichheit aller Wesen. Der Erwachte sagt: "Was dir auch an Gutem und Würdigem im Leben begegnet, als sicher kann davon gelten: 'Auch bei mir ist dergleichen schon gewesen.' Und was dir auch an Schlechtem Unwürdigem im Leben begegnet, als sicher kann davon gelten: 'Auch bei mir ist dergleichen schon gewesen.'" Mit anderen Worten: Im Verlauf meiner endlos langen Wanderungen und Wandlungen in diesem samsara bin ich schon alles, was nur möglich ist an Variationen der fünf Zusammenraffungen, gewesen. Und so wie ich ist jeder schon unendliche Male auch der andere gewesen. Ich bin schon ganz und gar wie du gewesen, du bist schon ganz und gar wie ich gewesen: Ich bin du, du bist ich. Das ist der tiefere Sinn des bekannten Wortes "tat twam asi".

In dem Wissen, dass die eigene Vergangenheit nur in der Reihenfolge anders, aber in der Qualität genau dieselbe ist wie die jedes anderen, kann man nicht mehr das Ich bevorzugen und das Du benachteiligen wollen. Diese Haltung bildet die Grundlage für eine selbstlose Brüderlichkeit, die uns fähig macht, die Tugendgebote in jener Vollkommmenheit innezuhalten, die die Übung der Liebestrahlung ermöglicht. Diese Übung nennt der Erwachte in A IX, 18 im Anschluss an die acht Gebote des Uposatha-Tages. Er sagt dort, dass am Uposatha-Tag nicht nur die oben genannten drei Gebote des Handelns, das eine Gebot der Rede, die vier Gebote des Wandels eingehalten werden sollten, sondern noch ein neuntes Gebot:

"Da strahlt er liebevollen Gemütes weilend nach einer Richtung, dann nach der zweiten, dann nach der dritten, dann nach er vierten, ebenso nach oben und unten: überall in allem sich wiedererkennend, durchstrahlt er die ganze Welt mit liebevollem Gemüte, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem."

Eine weitere, am Feiertag zu pflegende, emporziehende Betrachtung ist die analysierende Betrachtung des sogenannten Ich, wie sie ein burmesischer Buddhist mit den schlichten Worten beschrieb:

"Wenn man sich hinsetzt zum Meditieren, dann ist es gut, wenn man denkt: 'Diese ganze vielfältige Welt, so differenziert sie auch erscheinen mag, ist letztlich nichts anderes als Festigkeit, Flüssigkeit, Hitzigkeit und Luftigkeit.' Das kann man, wenn man ruhig betrachtet, erkennen. Danach überlegt man, was der 'eigene' Leib ist, und erkennt, dass er auch nur Festigkeit, Flüssigkeit, Hitzigkeit und Luftigkeit ist. Wenn man das ruhig sieht, wenn man den Trubel vergisst und nur daran denkt, dann wird alles eins, alles wesenlos. Dann versteht man anatta, dann wächst Gleichmut."

Wer das begriffen hat, der mag nicht mehr das 'eigene Ich' auf einen Thron heben und es einem anderen Ich vorziehen. So bringen ihn diese Betrachtungen ebenso zur Selbstlosigkeit gegenüber den eigenen Bedürfnissen wie die Betrachtung seiner Identität mit allen Wesen. Und so erfährt er jene Freudigkeit und Heiterkeit, die ihn zuversichtlich macht, dass er sich auf dem richtigen Wege befindet. So wächst ein auf Erfahrung gewonnenes Vertrauen zum Erwachten, zur Lehre und zum eigenen Vorwärtskommen.

In dieser Weise übten sich die Laienanhänger zur Zeit des Buddha, und damit gelang es ihnen irgendwann sogar bis zur 'Nichtwiederkehr' vorzudringen. Dies gelang nicht nur einzelnen, sondern Hunderten und Aber-Hunderten (M 73). Dazu ebnet der richtig genutzte Feiertag den Weg, und darum gibt es für den Laien keine bessere Übung als die, den Feiertag einzuhalten und immer fruchtbarer auszugestalten in seiner Besinnung.

"Des Erwachten, der Lehre, der Jüngerschaft, der Tugenden, der reineren Wesen gedenkend, erheitert sich das Herz, Freude steigt auf, und was an Trübungen des Gemütes besteht, das schwindet dahin."

Diese Besinnung über die aus der Lehre gewonnenen Schätze wird am Feiertage intensiviert, und daraus erwächst dann im Alltag immer mehr Ablösung und Heiterkeit.

Das ist die vollkommene Weise der dritten Art des Feiertages, die wie der Buddha es ausdrückt, in der vollkommenen Läuterung des getrübten Gemütes besteht.


Anmerkungen:

(1) Uposatha = upa-vasa-tha. Die Wurzel vas = bleiben, deutsch "wesen". Die Vorsilbe upa = nach, an heran, dabei. Die Nachsilbe tha = Substantivierung. Das Wort wäre also "Dabei-bleib-heit", wohl im Sinne der religiösen Besinnung, der Regelmäßigkeit des Festes, der Wiederholung.

(2) Wesak = ve-sakha oder vi-sakha. Sakha = Zweige. Vi-auseinander, Vi-sakha = Verzweigung. Dies ist der Name für einen indischen Monat, der etwa unserem Mai entspricht. Der Mai ist die Zeit der Grüne, der Verzweigung, daher der Name.


[Mit freundlicher Genehmigung des Autors aus "Der Feiertag" in:
Wissen und Wandel 1964, S. 354 ff; von der Redaktion "Buddhistische Monatsblätter" gekürzt.]


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Quelle:
Buddhistische Monatsblätter Nr. 4/2008, Oktober-Dezember, Seite 42-45
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2008