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PRESSE/750: Tudong in Wales (Buddhistische Monatsblätter)


Buddhistische Monatsblätter Nr. 1/2009, Januar - April
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.

Tudong in Wales


Der Ehrwürdige Bhante Gnana Jagat aus Bodhgaya, Indien, ordinierte 1993 die russische Ärztin Irina Tyrnowa in der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg zur Novizin und gab ihr den Namen Sujata. Bald darauf trat sie in das Kloster Amaravati in England ein, wo Luang Por Sumedho sie zur Nonne ordinierte und ihr den Namen Thitamedha verlieh.

Es folgen Auszüge aus einem Vortrag von Sister Anandabodhi und Sister Thitamedha nach ihrer zweimonatigen Pilgerreise durch Wales im Jahre 2004.


SISTER ANANDABODHI: Ich wurde in Wales geboren und wuchs in Pembrokeshire am Fuße der Preseli-Berge in West-Wales auf. In jenen Bergen begann unser Tudong. Wir besuchten auch meine Mutter und das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, sowie einige Menschen, die für mich wichtig gewesen waren und die mir geholfen hatten, mich auf den geistigen Weg zu begeben. So war der Tudong auch eine Pilgerreise durch mein Leben, eine Klärung meiner Identität.

SISTER THITAMEDHA: Tudong heißt "abschütteln", abschütteln alter Gewohnheiten, abschütteln von Unnötigem. Das bedeutet, weniger belastet zu sein, sich von innen heraus zu erneuern. Eine der Schwestern fragte mich, welche Wirkung der Tudong auf mich gehabt hätte. Mit das stärkste war das Gefühl in mir, sanft loslassen zu können. Ich merkte, wie die Verhältnisse auf mich einen leichten Druck ausübten, in jedem Augenblick präsent zu sein, statt in der Vergangenheit zu schürfen oder mich Zukunftsträumen hinzugeben. Es gab nur eine Aufgabe: in der Gegenwart zu sein. Oft hatte man keine Wahl. Man musste einfach loslassen. Wenn ich versuchte festzuhalten, vorauszuplanen, dies oder jenes bequem einzurichten, funktionierte es nicht. Nach einiger Zeit erkannte ich, dass es besser ist, freiwillig loszulassen. Schließlich lernt man, sich den Dingen zu stellen, sie sein zu lassen, wie sie nun einmal sind: die Elemente, der Wind, der Regen, die Kälte, die brennende Hitze. Wenn man hungrig oder durstig ist, dann ist es eben so.

SISTER ANANDABODHI: Am 25. Juni 2005 begaben uns mit unseren Rucksäcken und Almosenschalen von Amaravati aus auf einen Tudong, der uns die Westküste von Wales herauf führen sollte. Wir hatten keine Zelte, sondern Biwak-Säcke, das Nötigste an Kleidung zum Wechseln, einen kleinen Kocher, einige Teebeutel und unsere kleinen tragbaren Schreine, die aus einer Buddhastatue und einigen Bildern von Luang Por Sumedho und Luang Por Chah bestanden.

SISTER THITAMEDHA: Auf der Straße an der frischen Luft bleibt einem wenig außer der Fähigkeit gegenwärtig zu sein. Es ist sehr erfrischend, auf diese Weise zu gehen, einfach mit dem Körper zu sein. Man braucht nur zu gehen, sonst nichts. Oft wussten wir nicht einmal, wohin uns der Weg führte. Obwohl wir eine Karte hatten und in etwa die Richtung kannten, planten wir nicht viel voraus, weil sich alles so schnell änderte. Bald sahen wir, dass es keinen Sinn hatte, Pläne zu machen. Das hätte alles nur unangenehmer gemacht und uns gezwungen, noch mehr loszulassen. Darum planten wir nur für Stunden, indem wir uns vornahmen, diesen oder jenen Ort zu erreichen und zu sehen, was geschehen würde.

SISTER ANANDABODHI: Als wir den Tudong vorbereiteten, riet man uns, Mobiltelefone mitzunehmen. Aber nein, das lehnten wir ab, wir wollten auf gut Glück gehen. Im Verlaufe des Tudong verstärkte sich bei uns das Gefühl geführt zu werden. Obwohl wir Karten hatten und Pläne machten, entzog sich der Weg häufig unserer Kontrolle und es geschah oft, dass wir auf wunderbare Weise zu besonderen Menschen geführt wurden, die auf den Buddhismus oder die Meditation ansprechbar waren.

SISTER THITAMEDHA: Wir hatten das Gefühl, ständig mit göttlichem Segen überschüttet zu werden. Ähnliches hatte ich schon früher auf kürzeren Tudongs bemerkt, aber auf dieser zweimonatigen Pilgerreise war es besonders eindrucksvoll. Wir erlebten anscheinend täglich Wunder. Nichts war geplant, aber hilfreiche Dinge schienen sich wie von selbst zu ereignen. Manchmal war es wie in einem phantastischen Film. Wir trafen Menschen, liebevolle Menschen, Freunde von Freunden, Heilige, die für uns sorgten. Zuerst waren wir erstaunt, aber allmählich kam es uns normal vor. Eben Wunder, nichts Besonderes.

SISTER ANANDABODHI: Während unseres achtwöchigen Tudong wurde uns an jedem Tag Essen offeriert. Auch verbrachten wir keine einzige Nacht im Regen. Manchmal, wenn es abends so aussah, als würde sich das Wetter halten, fanden wir zufällig eine Unterkunft und dann goss es in Strömen. Welch' ein Glück war es, dass wir nicht in unseren kleinen Säcken draußen waren! So wurde bestens für uns gesorgt.

SISTER THITAMEDHA: Wir begannen unsere Wanderung auf den Preseli-Bergen, wo das Wandern im Winter, aber wegen der Sümpfe auch bei Regen gefährlich ist. Zum Glück hatten wir gutes Wetter. Ich fand es besonders schön, manchmal barfuß zu gehen, um die Erde unter meinen Füßen zu spüren.

SISTER ANANDABODHI: Sister Thitamedha und ich sind seit zehn Jahren befreundet, sodass es zwischen uns keine großen Schwierigkeiten gab. Ein Problem war allerdings, dass ich immer um fünf Uhr einen Energieschub bekam und gern noch eine Stunde wandern wollte, während sie um diese Zeit schon nach einer Unterkunft für die Nacht zu suchen pflegte. Das bedurfte dann einiger Verhandlungen.

SISTER THITAMEDHA: Sister Anandabodhi hatte eine Schwäche für verfallene Hütten. Wenn ich also gegen Abend eine solche erblickte, wusste ich, dass wir dort bleiben würden. Einmal fanden wir so eine Behausung. Verschiedene Tiere, Vögel, Mäuse und Fledermäuse, hatten dort Unterkunft gefunden, sodass wir für uns etwas Platz machen mussten. Dann zelebrierten wir eine Puja. Es war ein wolkiger aber schöner Abend und wir hatten einen herrlichen Ausblick über die Berge.

SISTER ANANDABODHI: Am nächsten Morgen ließen wir die Berge hinter uns und hielten Ausschau nach einem Ort, um auf Almosenrunde zu gehen, unseren ersten Pindapat. Wir hatten etwa drei Stunden bis zum Dorf zu wandern. Kaum standen wir einige Sekunden, als ein Mann rief: "Hallo, ihr seid doch Buddhisten, oder?" Er war Zimmermann und lud uns ein, bei ihm zu essen. Seine erste Berührung mit dem Buddhismus hatte er im Gefängnis gehabt, wo Mönche die Gefangenen besucht und ihn durch ihren Frieden und ihre Haltung beeindruckt hatten. Er sagte, dass man nur mittags Essen bekam, und er dieses den Mönchen gespendet hätte.

Anschließend begaben wir uns zu dem lieblichen Gwaun-Tal, das wegen seiner Feen berühmt ist. Es war ein langer, ermüdender Weg. Am Abend hatte Sister Thitamedha eine schlimme Migräne. Wir fanden eine bezaubernde kleine Kirche, St. Brynach's, die auch geöffnet war. Nachdem wir gefragt hatten, traten wir ein. Es war geheizt und ein herrlicher dicker Teppich lag da. So blieben wir hier zwei Nächte, während Sister Thitamedha sich erholte. St. Brynach war ein heiliger Pilger gewesen, der mit seinem tragbaren Altar durch Wales gewandert war, so wie wir jetzt mit unseren tragbaren Schreinen unterwegs waren. Seine Gegenwart dort war noch zu fühlen. Anderswo fanden wir immer wieder Orte, die ihm geweiht waren. Wir spürten, dass seine Güte in diesem Teil des Landes noch gegenwärtig war.

SISTER THITAMEDHA: Nach dem zweiten Morgen waren meine Kopfschmerzen verschwunden. Wir hatten ein Gefühl, als ob sich St. Brynach wirklich um uns gekümmert und uns unter seine Fittiche genommen hätte. Dann fuhr uns Sister Anandabodhis Mutter an die Küste nach Saint David's, Ty Ddewi, der Kathedrale des Schutzpatrons von Wales.

SISTER ANANDABODHI: Danach wanderten wir anderthalb Meilen südlich nach St. Non's. St. Non war die Mutter von St. David. In St. Non's gab es eine kleine Quelle, die sich in der stürmischen Nacht, als St. David geboren wurde, aufgetan haben soll.

Als wir unseren Tudong begannen, waren wir körperlich schlecht in Form. Unser Gepäck war schwer und wir trugen Sandalen. Als wir nach St. Non's kamen, hatten wir uns die Füße wund gelaufen. Meine fühlten sich an wie weichgeklopftes Steak. Als wir sie aber in der Quelle badeten, spürten wir die große Heilkraft des Wassers und konnten von da an ohne Schmerzen und Probleme laufen.

SISTER THITAMEDHA: An dem Abend, als wir ohne Geld und Essen an einem verlassenen Strand saßen und nicht wussten, wohin wir uns wenden sollten, wollte Sister Anandabodhis Mutter uns natürlich nicht gern so zurücklassen. Wir aber überzeugten sie davon, dass es uns an nichts fehlen würde, und rezitierten den Siegesgesang Jayanto, was sehr anrührend war und worauf sie dann wegfuhr.

SISTER ANANDABODHI: Als wir in den folgenden Wochen die Küste hinauf wanderten, sahen wir beeindruckende Berge, lauschten dem Rauschen des Meeres und spürten das Besondere dieser alten Landschaft. Obwohl ich in einem sehr malerischen Teil von Wales aufgewachsen bin, war es mir nie bewusst geworden, dass das ganze Land so schön ist.

SISTER THITAMEDHA: Auf unserer Wanderung übten wir weniger formelle Meditation als sonst auf einem Retreat. Wir meditierten morgens und abends und manchmal auch am Tage, aber meistens gingen wir nur schweigend. Dennoch stellte ich fest, dass ich Zugang zu einer inneren Stille bekommen konnte. Mich überraschte, dass diese Stille nach meiner Rückkehr ins Kloster noch stark gegenwärtig war. Es fiel mir leicht, mich wieder in sie hinein zu begeben. Ich fand das bemerkenswert, denn obgleich man bei Retreats auch guten samadhi (Stille des Geistes), erreicht, hängt dieser Frieden von den Bedingungen des Retreats ab. Daher hält samadhi bei mir nach Retreats gewöhnlich nicht lange vor. Aber nach diesem Tudong bemerkte ich, dass das Gefühl der Ruhe und der inneren Stille, die ich gewonnen hatte, in mir waren und leicht zugänglich blieben.

SISTER ANANDABODHI: Etwa in der dritten Woche wanderten wir einmal auf einer A-Straße. Diese war schmal und stark befahren. Die Autofahrer waren aggressiv. Wir waren unterwegs, um in einem kleinen Dorf Almosen zu sammeln. Abseits von der Straße entdeckten wir einen Fußpfad und hofften, so an unser Ziel zu gelangen. Nach einiger Zeit jedoch fanden wir den Weg von Brombeergestrüpp überwuchert, sodass wir einer Abzweigung über einen kleinen Berg folgten. Wir verloren uns aber und wären nicht mehr rechtzeitig zum Almosengang gekommen. Als wir um einen Hügel herumgingen, sah ich plötzlich eine Pforte. Begeistert eilte ich darauf zu und übersah dabei einen Kaninchenbau. Ich fiel und vertrat mir meinen Knöchel ziemlich arg. Zum Glück ist Sister Thitamedha Ärztin. Sie untersuchte mich und meinte, es sei nicht so schlimm. Dann ging sie zu einem Knick und machte einen Handstock aus einem jungen Bergahorn, den ich dann einige Wochen benutzte.

Am folgenden Tag wollten wir per Anhalter in die nächste Stadt fahren. Sister Thitamedha war darauf erpicht gewesen, keine Kontaktadressen von Leuten mitzunehmen, die uns helfen könnten. Sie wollte allein durch Vertrauen überleben, doch war sie damit einverstanden gewesen, dass wir eine Adresse für die Mitte unseres Tudongs in Machynlleth ensteckten Dnnoch hatte ich, für alle Fälle, eine oder zwei weitere Adressen bei mir, und jetzt meinte ich, dass das eine gute Idee gewesen sei. Wir waren in jener Stadt und ich hatte zwei Adressen von Buddhisten, an die wir uns wenden konnten, von einer Zen-Gruppe und von noch jemanden.

SISTER THITAMEDHA: Sie holte also diesen kleinen Zettel heraus und sagte: "Sieh, ich habe zwei Kontaktadressen in dieser Stadt. Dort gibt es Buddhisten." Darauf ich: "Das ist ja großartig". Ich ließ sie allein am Strand zurück, denn ich fühlte mich verpflichtet, mich auf die Suche zu machen. Ich ging also zu einer Kirche und fragte einige Leute, ob ich meinen Rucksack dort lassen könnte. Dem stand nichts im Wege. Dann fragte ich, ob ich wohl ihr Telefon benutzen könnte. Sie waren sehr überrascht, dass ich nicht einmal eine Telefonkarte hatte. (Leider hatten wir unsere am Anfang der Wanderung verloren). So ließen sie mich ein oder zwei Anrufe machen, aber nicht mehr. Ich rief die Zen-Gruppe an, doch dort war gerade Retreat und sie konnten uns nicht aufnehmen. Dann versuchte ich es mit der anderen Kontaktnummer, aber da meldete sich niemand.

Ich saß in der Kirche und war auf dem Gipfel der Verzweiflung, fühlte ich mich doch so verantwortlich. Anandabodhi saß dort am Strand und hier versuchte ich, das Universum zu mobilisieren, aber das spielte leider nicht mit. Darüber brach ich in Tränen aus, glaubte ich doch, mit meiner medizinischen Ausbildung etwas unternehmen zu sollen. Irgendwie musste ich die Lage in den Griff bekommen. Allmählich jedoch ließ meine Besorgnis nach und mir wurde klar: "Nun, ich kann nichts machen. So ist das eben." Da wurde ich sehr friedlich, ließ meine Forderungen und Erwartungen los und übte mich in Ergebenheit und Demut.

Ich hatte erwartet, wenn jemand in Not war oder einen Unfall hatte oder sonst dringend Hilfe brauchte, würde das Universum zu ihm eilen. Dann erkannte ich, dass dem nicht so war. Ich glaube wohl, dass das Universum seinen Segen anbietet, aber nicht, wenn du es forderst.

Als ich mich erholt hatte, ging ich, um Sister Anandabodhi abzuholen. Wir hatten schließlich einen wunderbaren Pindapat, viele Leute offerierten uns Essen. Es war schön, aber wir hofften immer noch, unsere Kontaktperson zu finden, die uns helfen könnte.

SISTER ANANDABODHI: So beschlossen wir, zu dem betreffenden Haus zu gehen. Ein Auto nahm uns mit, aber dann zeigte sich, dass sich das Haus auf einem sehr, sehr steilen Berg befand. Dorthin zu fahren, war nicht möglich, aber gehen konnte ich auch kaum. Nun, langsam erreichte ich das Haus und wir klopften an. Jemand schrie: "Gehen Sie, ich habe keine Zeit." Wir entfernten uns also und gingen nach einer halben Stunde nochmals hin. Als wir klopften, rief wieder jemand: "Ich habe keine Zeit!" So meinten wir, dies sei wohl kein Ort zum Verweilen.

SISTER THITAMEDHA: Ich glaubte, Sister Anandabodhi müsste wegen ihres Knöchels irgendwo drinnen bleiben. Es war inzwischen sieben Uhr geworden und da wir Nonnen waren und uns auf Tudong befanden, würden wir die Stadt bald verlassen müssen. Schließlich fanden wir ein Telefon, entdeckten aber, dass es nicht funktionierte. Obwohl ich meinen Frieden schon gefunden hatte, war es nun an Sister Anandabodhi loszulassen. Gegenüber der Telefonzelle spielte eine Dame mit ihrem Hund und hatte uns beobachtet. Ich winkte ihr zu und sagte "hallo". Sie fragte, ob wir ihr Handy benutzen wollten, und bat uns zu sich ins Haus. Dort gab sie uns etwas zu trinken. Wir telefonierten und erfuhren, dass die Person, die wir suchten, schon seit fünf Jahren nicht mehr in der Stadt wohnte.

SISTER ANANDABODHI: Mit diesem Augenblick hatte es seine Bewandtnis: Die Dinge waren eskaliert. Wir hatten ständig versucht Kontrolle auszuüben und gedacht, das müsse funktionieren. "Wir sind in Not, wir müssen diese Person finden, wir müssen eine Bleibe haben." Als wir hörten, dass die Kontaktperson nicht in der Stadt wohnte, atmete ich erleichtert auf, denn nun konnten wir wieder mit Vertrauen leben...!"

SISTER THITAMEDHA: Diese Dame war so freundlich zu uns. Nach unserem Tag voller Mühsal tat es wohl, einen so warmherzigen und großzügigen Menschen zu finden. Sie sagte, sie könne uns nicht über Nacht unterbringen, was für uns auch kein Problem war, aber wir fragten sie, ob sie ein Feld zum Übernachten wüsste, denn es schien, dass wir gut an der frischen Luft würden bleiben können. Sie nannte uns eine Stelle in der Nähe. Ihre einfache menschliche Freundlichkeit empfanden wir als sehr heilsam. Ein Lächeln, etwas zu trinken, die Einladung in ihr Haus, die Benutzung ihres Telefons. Alles war plötzlich ganz anders.

SISTER ANANDABODHI: Wir fanden ein zum Übernachten gut geeignetes Feld. Es regnete nicht, und wir konnten die See und die Berge sehen. Es war ein reizender Ort. Sobald wir den Gedanken, etwas tun zu müssen, losgelassen hatten, war alles in Ordnung.

SISTER THITAMEDHA: Die lange Pilgerreise half uns immer mehr, bei Problemen präsent zu sein, uns von Dingen zu trennen, die wir nicht wirklich brauchten. Es war hilfreich, zwei Monate in einer Lage zu sein, wo man keine Wahl hatte, anders als im der vertrauten Umgebung im Kloster, wo man es sich leicht angenehm machen kann.

SISTER ANANDABODHI: Wenn wir draußen in unseren Biwak-Säcken schliefen, war ich immer darum bemüht, den richtigen Platz ausfindig zu machen und nicht nur irgendwo zu bleiben. Darum versuchten wir oft, ein schönes Feld mit Blick aufs Meer zu finden. Leider kam abends um 20.00 Uhr (oder, wenn wir Glück hatten, um 21.00 Uhr) der Tau. Das zwang uns, in unsere Biwak-Säcke zu schlüpfen, auch, wenn wir noch nicht zum Schlafengehen bereit waren, denn sonst wäre alles nass geworden. Manchmal konnte man ein kleines Loch zum Atmen offen lassen, aber wenn es sehr feucht war, musste man auch das verschließen. Daher lagen wir meistens an einer ausgezeichneten Stelle und konnten doch nichts sehen. Morgens war es dasselbe. Man konnte nicht aufstehen, weil alles nass geworden wäre. Ich versuchte ein- oder zweimal, unter einem Regenmantel zu sitzen, aber das klappte auch nicht. Dies war ein ständiges Problem.

Eines Tages fanden wir ein scheinbar makelloses Feld. Es befand sich in der Nähe einer kleinen Straße, aber wir waren von dort aus nicht zu sehen. Wir saßen hinter einem Felsen, aus dem eine Eiche wuchs. Es gab dort viele Glockenblumen, die Sister Thitamedha liebt, weil sie in ihrer russischen Heimat vorkommen. Hier sind sie nur selten zu finden. Es schien, als hätten wir endlich den idealen Platz gefunden. Es gab keinen Tau, sodass wir so lange sitzen konnten, wie wir wollten. Ein wunderschöner Sonnenuntergang färbte die Berge rosa. Erst spät nachts rollten wir uns in unsere Säcke ein. Als wir aufwachten, war immer noch kein Tau, sodass wir sofort aufstehen konnten. Ich dachte, dieser Ort sei die Vollkommenheit selbst.

An diesem Tag gab es einen Wolkenbruch und wir standen mit unseren Almosenschalen im Regen. Niemand dachte daran, uns etwas zu offerieren. Schließlich erbarmten sich unser einige Männer, die in einem Laden mit Strandartikeln arbeiteten, und kauften uns einen Laib Brot und etwas Käse. Wir fanden eine Kirche, aßen unser Mahl und tranken eine Tasse Tee. Einige Frauen gesellten sich zu uns. Sie erzählten, dass es in der Stadt ein buddhistisches Zentrum gäbe, und beschrieben uns den Weg dorthin. Da es noch immer goss, meinten wir, dort vielleicht übernachten zu können. Wir gingen also hin und fragten. Es handelte sich um ein altes Kloster, das jetzt einer tibetisch-buddhistischen Gruppe gehörte. Völlig durchnässt klopften wir an. Ein Mann antwortete und sagte: "Oh, ihr seid ja Theravadins! Wie sich herausstellte, war er vor vielen Jahren in Thailand Theravada-Mönch gewesen. Er kannte Ajahn Sumedho und hatte großen Respekt vor unserem Sangha. Daher hieß er uns willkommen und bat uns herein. Die Bewohner waren an diesem Tag alle abwesend. So gab er uns ein Zimmer mit einem Bad.

Als ich duschte, bemerkte ich, dass sich mir während des Schlafes auf dem "vollkommenen" Feld Dutzende kleiner Zecken zugesellt hatten. Wir waren beide voll davon und verbrachten zwei Stunden damit, sie mit Pinzetten herauszuziehen. Die meisten der Zecken überlebten diese Prozedur, und wir brachten sie nach draußen. Das vollkommene Feld war also nicht ganz so vollkommen gewesen, wie wir gemeint hatten.

SISTER THITAMEDHA: Als wir die Halbinsel Llyn erreichten, bemerkten wir beide einen plötzlichen Wandel in der Atmosphäre. Die Zeit schien hier stillzustehen. Die Menschen waren nicht so in Eile. Über dem Ort lag etwas wie ein Zauber.

SISTER ANANDABODHI: All das Hasten und Tun, das sonst so in die Augen sticht, war plötzlich nicht da.

SISTER THITAMEDHA: Wir fanden heraus, dass im Mittelalter ein Pilgerpfad hier hindurch geführt hatte. Die Menschen pflegten hier durchzureisen auf dem Wege nach Bardsey am Ende der Halbinsel. Wir hatten also teil an einer alten Tradition.

SISTER ANANDABODHI: Auf Bardsey sollen 20.000 Heilige begraben sein. Auf walisisch heißt die Insel Ynys Enlli. Das bedeutet "Insel verschiedener Ströme". Obwohl sie nicht weit vom Festland liegt, ist sie schwer zu erreichen. Wahrscheinlich sind viele Pilger bei dem Versuch, das Wasser zu überqueren, ums Leben gekommen.

Auf unserem Weg entlang der Halblinsel Llyn trafen wir immer wieder christliche Geistliche, Männer und Frauen, die uns herzlich willkommen hießen und sagten, wir würden dem Land "das Heilige zurückbringen." Ob wir nun Christen oder Buddhisten waren, schien keine Rolle zu spielen. Wichtig war, dass wir religiöse Menschen waren. Dabei bedeutete es wenig, ob man seine Übung "Gebet" oder "Meditation" nannte.

Am Abend, bevor wir die Stadt Pwllheli erreichten, sah es wieder nach Regen aus. Wir mussten also irgendwo eine Unterkunft finden. Schließlich fanden wir eine freundlich aussehende alte Eiche, unter der wir schlafen konnten. Ich hatte in der Nacht einen wunderbaren Traum über Pwllheli, wo ein Fest mit fröhlichen jungen Leuten in der walisischen Nationaltracht stattfand. Als wir am nächsten Morgen in die Stadt kamen, machte diese mit ihren fahnengeschmückten Geschäften tatsächlich einen offenen und freundlichen Eindruck auf uns. Leute grüßten uns, lächelten und fragten, was wir machten. Wenn wir es ihnen erklärten, drückten sie uns ihre herzliche Anerkennung aus.

SISTER THITAMEDHA: Sie hielten uns auf der Straße an und riefen: "Oh, die Pilger sind wieder da! Die PiIger sind wieder da!" Sie schüttelten uns die Hand und fragten, ob wir Pilgerbriefe hätten, denn früher hatten Pilger einen vom Bischof unterzeichneten Brief bei sich, der manchmal den Umriss einer Muschel trug. Als sie nach dieser Muschel fragten, sagte ich "ja, ich habe tatsächlich eine Muschel vom Strand in meinem Rucksack".

Als wir mit Almosenschalen auf Pindapat standen, fragten uns die Leute, was wir da machten. Wir erklärten es ihnen und wurden innerhalb von fünf Minuten mit Essen überschüttet. So viele Beutel bekamen wir, dass ich zu Anandabodhi sagte, wir sollten lieber die Flucht ergreifen. Da kam eine Frau hinter uns her und rief: "Oh, bitte wartet, wartet doch!" Sie offerierte uns zwei Tüten mit Brötchen und Brot. Mit dem Essen, das wir hatten, hätten wir ein ganzes Kloster versorgen können. Es war rührend.

Auf der Halbinsel Llyn machte uns jemand darauf aufmerksam, dass dort viele Einsiedlerinnen lebten. Als wir nachfragten, erklärte man uns den Weg zu einer von ihnen. Wie gewöhnlich sagte ich: "Mal sehen. Wenn wir dort vorbeikommen, werden wir sie besuchen. Wenn nicht, ..." und wir steckten die Adresse ein. Zufällig gingen wir in eine bestimmte Richtung. Als wir die Kapelle sahen, beschlossen wir, einmal nachzusehen und bei der Gelegenheit "Guten Tag" zu sagen.

Wir fanden die Tür und klopften. Niemand antwortete und wir dachten, dass die Einsiedlerin vielleicht in Stille versunken sei und keinen Besuch empfinge. Wir warteten ein Weilchen, bis plötzlich diese Frau erschien, uns begrüßte und Fragen an uns richtete. Als ich "hallo" sagte, meinte sie: "Oh, du kommst ja aus Russland!" Ich fragte sie, wie sie das wissen könne. Sie sagte, sie sei eine russisch-orthodoxe Nonne, und bat uns hereinzukommen. Es war ein magischer Ort, sodass wir länger als erwartet blieben.

SISTER ANANDABODHI: Es war sehr schön, dieser Einsiedlerin zu begegnen. Wir waren begeistert von unserem Beisammensein und unterhielten uns über unsere spirituellen Wege. Schließlich meinte sie, es wäre doch gut, gemeinsam zu meditieren. So saßen wir etwa eine Stunde in ihrem Vorderzimmer. Dort war es sehr still. Es war wunderbar, mit jemandem zusammen zu sein, der eine so tiefe Praxis hatte. Wieder schien die äußere Form nicht wichtig zu sein. Bedeutsam war nur die Fähigkeit, in der Gegenwart zu bleiben und in die Tiefe der Stille einzutauchen. Es war etwas sehr Besonderes. Wir verbrachten zwei Tage bei ihr. Ich stellte mir vor, vielleicht im Alter als Einsiedlerin auf jener Halbinsel zu leben.

SISTER THITAMEDHA: Für mich war interessant, wie bei Unterhaltungen mit Menschen das "Selbst" auftaucht, und zwar die Energie des Selbst, nicht dessen geistiges Konzept. In einer Gruppe von Menschen empfinde ich, wie jeder sprechen möchte. Wenn ich auch etwas sagen will, habe ich bemerkt, wie eine Art Energie oder Erregung in meinem Sonnengeflecht aufsteigt. Das hat mich fasziniert. Ich erkenne, dass es sich hier um das Aufsteigen des "Ich bin" handelt. Gern richte ich meine Aufmerksamkeit auf dieses Gefühl, um zu sehen, was nun geschieht. Ich stelle fest, dass die Energie eine Zeitlang bleibt und sich dann langsam beruhigt. Wenn sie aufhört, empfinde ich tiefen Frieden, ja sogar Wonne. Ich spüre, wie wunderbar das ist. Daher halte ich den Wunsch, etwas zu sagen, zurück und lasse das Gefühl "Ich bin", wenn immer es aufsteigt, sanft los. Wer das tut, erfährt, dass es ihn an einen Ort der Stille bringt. Es ist sehr hilfreich, so zu praktizieren.

SISTER ANANDABODHI: Wir kamen zu der kleinen Bucht, wo die Fähre zu der Insel Bardsey ablegt. Jemand hatte unsere Überfahrt mit dem Fährmann abgesprochen. Es fährt jedoch nur ein Schiff am Tag und wir waren eine Stunde zu spät gekommen. Daher warteten wir über Nacht auf der Halbinsel, die ein außergewöhnlicher Ort zu sein schien. Die Stille dort war außergewöhnlich und lud geradezu zur Meditation ein. Wir schliefen auf einer einfachen Schafweide, aber diese hatte etwas Besonderes. Wir meditierten und rollten uns schließlich zur Nacht in unsere Säcke ein. Morgens stellten wir fest, dass wir beide aufgewacht waren und stundenlang an diesem unglaublichen Ort gewacht hatten. Ich hatte nie zuvor die Sterne so strahlend gesehen. Die Milchstraße war überwältigend. Es war ein wunderschöner, weitläufiger Ort für die Meditation. Das war die erste Nacht, in der wir auf das Fährschiff warteten.

Am nächsten Tag war die Meeresströmung so stark, dass die Fähre nicht fuhr. Daher warteten wir einen weiteren Tag. Dann stellten wir fest, dass es keine fahrplanmäßige Übersetzung gab. Da meinten wir schon, wir sollten die ganze Sache vergessen und auf der Halbinsel nach Holy Island, einer anderen, nördlicher gelegenen Insel, wandern. Aber diese Weide war ein so außergewöhnliches Fleckchen Erde, dass wir nicht aufbrechen mochten. Daher blieben wir und meditierten auf dem Berg. Nachmittags kamen Wolken über der See auf, aber wir blieben sitzen und es begann zu regnen. Als der Regen stärker wurde, rührten wir uns immer noch nicht. Schließlich sagte ich zu Sister Thitamedha, wir sollten lieber nach einer Unterkunft suchen, weil der Regen nicht aufhören würde. Obwohl sie nicht gern fort wollte, sahen wir ein, dass wir völlig durchnässt sein würden, wenn wir nicht aufbrächen. Eine halbe Meile entfernt fanden wir einen Bauernhof mit einer Scheune. Dort schliefen wir auf einem kleinen Haufen Stroh. Am nächsten Tag meinten wir, dass die Fähre wegen des schrecklichen Wetters wieder nicht fahren würde, aber sie fuhr doch und diesmal schafften wir es überzusetzen.

Bardsey ist eine winzige Insel mit gerade einmal sechs oder sieben Häuschen. Dort wohnen drei Ehepaare. Die anderen Hütten sind vermietet. Es gibt auch eine kleine Einsiedelei für Christen. Eine Nonne hatte dort 25 Jahre gewohnt. Ferner war da eine kleine Kapelle, ein ausgezeichneter Ort zum Meditieren. Wir durften die Einsiedelei nicht benutzen, wohl aber die Kapelle. Man ließ uns in einem Retreat-Zentrum nebenan wohnen, in dem sich fünf Schlafzimmer befanden. Wir hatten nur eine Nacht bleiben wollen, aber das Schiff fuhr wieder nicht. Daher hatten wir noch einen weiteren Tag zur Verfügung. Diese Insel war ein sehr friedlicher Ort. Wenn nachmittags um zwei die Tagesbesucher verschwanden, wurde es noch stiller. In der Nähe befanden sich die Ruinen einer alten Abtei sowie ein kleiner Friedhof mit drei keltischen Kreuzen. Unter einem sehr schönen einfachen Kreuz stand geschrieben: "Erweise deinen Respekt den 20.000 Heiligen, die hier in der Nähe begraben liegen." Ich fand es erstaunlich, mich an einem Ort zu befinden, der von so vielen Heiligen besucht worden war.

Als wir wieder auf dem Festland waren, erbot sich eine Frau, uns den ganzen Weg entlang der Halbinsel und weiter nach Anglesey, einer großen Insel in Nord-Wales, zu fahren. Sie ließ uns auf einer kleinen einsamen Straße aussteigen und wir verbrachten die Nacht auf einem Acker. Am nächsten Tag gingen wir in die Stadt auf Almosengang. In Anglesey hatten wir das Gefühl, nicht mehr in Wales zu sein, obwohl es noch zu Wales gehört, aber das Land war dort stärker besiedelt und plötzlich schien Geld eine größere Rolle zu spielen. Dennoch kamen viele Menschen auf uns zu und gaben uns reichlich zu essen.

Es war ein heißer Tag, als wir die Stadt verließen. Wir waren noch nicht lange gegangen, als eine Autofahrerin uns zuzuwinken schien und ich zurückwinkte. Sie wendete und hielt an. Auf ihre Frage antwortete ich, dass wir auf dem Wege nach Holy Island wären, wofür wir wegen meines Humpelns zu Fuß drei oder vier Tage brauchen würden. Darauf sagte sie: "Steigen Sie ein, ich fahre Sie hin". Gesagt, getan, und sie ließ uns auf dem Berg dort aussteigen. Die erste Nacht blieben wir auf einem Feld. Dann gingen wir etwas weiter und fanden eine hübsche Bucht und einen kleinen, von Klippen umgebenen Strand. Dort blieben wir, bis sich der Strand mit Menschen füllte.

SISTER THITAMEDHA: Dann stiegen wir auf die Klippen, die 20 oder 30 Meter entfernt waren, und setzten uns jede auf einen Felsen, zu unseren Füßen das geschäftige Wochenendtreiben an der See. Aber die Steine kamen uns sehr ruhig und solide vor. Das Gefühl der Stille und des Schweigens war sehr stark und durchflutete meinen ganzen Körper. Wir saßen hier stundenlang und hatten nicht das Bedürfnis uns zu bewegen. Dies war nicht so, weil ich guten samadhi gehabt hätte. Ich glaube, es war eher die Energie der Felsen.

Die Sonne brannte auf uns herab. Obwohl ich mein Tuch um den Kopf gebunden hatte, schien die heiße Sonne hindurch, aber es störte mich nicht.

SISTER ANANDABODHI: Während wir meditierten, belebte sich der Strand unten immer mehr. Schnellbote flitzten hin und her und die Leute planschten im Wasser.

SISTER THITAMEDHA: Es kam uns vor, als ob wir auf den samsaro hinunterblickten, als ob wir ihn umarmten, ohne in ihm verloren zu sein.

SISTER ANANDABODHI: Gelegentlich gingen wir mit unseren Wanderstöcken hinunter an den Strand, um Trinkwasser zu holen, und stiegen dann wieder hinauf. Inzwischen benutzten wir beide Stöcke, weil Sister Thitamedha Knieschmerzen bekommen hatte. Als die Leute bemerkten, dass da zwei in Roben gekleidete Gestalten herunterkamen und wieder hinaufgingen, erregten wir allmählich ihr Interesse.

SISTER THITAMEDHA: Abends begaben wir uns an den Strand, weil der Strandwärter wissen wollte, wo sich unser Kloster befände. Wir gaben ihm unsere Adresse und luden ihn zu einem Besuch ein. Er bat uns, am nächsten Morgen wieder herunterzukommen, dann wollte er uns Essen offerieren. Auch andere Leute wurden neugierig. Sie schwärmten uns von allen möglichen Speisen vor, die sie uns bringen wollten. Wir sagten, dass wir wiederkommen würden. So blieben wir über Nacht und gingen morgens zum Pindapat.

SISTER ANANDABODHI: Am nächsten Tag offerierten uns die Leute dana und wir rezitierten einen Segen. Es hatte am Vortag außergewöhnlich viel Betrieb geherrscht, aber man sagte zu uns: "Als ihr herunterkamt, wurde der ganze Strand friedlich. Es wurde uns klar, dass der Anblick eines samano in ihnen etwas berührt hatte, wonach sie sich gesehnt hatten: Frieden und Einfachheit des Lebens, und das konnte sogar noch an diesem turbulenten Ort geschehen. Die Menschen sagten immer wieder: "Es tut so gut, euch zu sehen, welch ein Friede geht doch von euch aus!". Dabei hatten wir gar nichts Besonderes gemacht.

SISTER THITAMEDHA: Viele Leute brachten uns Tragetaschen voller Essen, so viel, dass es unmöglich in unsere Schalen passte. Die Dame im Kiosk offerierte uns Kaffee und Schokoriegel. Der Strandwärter war extra gekommen, um uns zu treffen, obwohl es sein freier Tag war. Er brachte uns viele Tüten mit Essen, die wir unmöglich hätten verzehren können. Wir baten ihn daher, nur ein wenig annehmen zu dürfen. Dann rezitierten wir einen Segen.

SISTER ANANDABODHI: Wir blieben drei Tage auf den Klippen. Dann begann es zu regnen. Daher übernachteten wir bei zwei Damen mittleren Alters, die wir dort oben getroffen hatten und die in ihrem Ferienhaus wohnten. Sie erzählten uns von dem Druck, der heute auf einen ausgeübt würde, dass man die richtige Kleidung, das richtige Auto und alles vom Richtigen haben müsse, wie oberflächlich dies alles sei und dass sie sich dennoch dem nicht entziehen könnten. Sie schienen offensichtlich darunter zu leiden. Als sie uns mit unseren geschorenen Köpfen sahen, empfanden sie die Bedeutungslosigkeit all jener Dinge.

In dem Schlafzimmer, das sie uns überließen, lag ein Modejournal. Wir beide lasen darin und fühlten uns hinterher tief deprimiert, weil die Hauptbotschaft lautete, richtig aussehen zu müssen. Plastische Chirurgie, wie teuer sie auch sein mochte, war wichtig. Die Realität des Alterns und Sterbens stand gar nicht zur Debatte.

In der Mitte dieser Illustrierten war ein Beitrag über den Sudan. Jemand hatte dort in einem Dorf gelebt und der Artikel machte auf die Armut, den Mangel an Wasser und die Notwendigkeit von Unterstützung aufmerksam. Auffällig war, wie fröhlich jene Menschen aussahen. Sie waren furchtbar ärmlich gekleidet, aber auf den Bildern tanzten sie und sahen strahlend und froh aus. Alle anderen Personen in der Illustrierten, Top-Models mit teuren Kleidern und Frisuren, wirkten unglücklich. Alle. Das machte uns sehr nachdenklich.

Oft sagten wir auf unserer Reise zueinander, wie froh wir sein könnten, dass wir uns an dem Spiel, ewig jung und schön sein zu müssen, nicht zu beteiligen brauchten, und stattdessen in Frieden mit dem Wissen leben konnten, dass der Körper altert und sterben wird und dass er nicht das ist, was wir wirklich sind. Dann überkam uns ein Gefühl der Dankbarkeit dafür, dass die Lehre noch verfügbar ist und dass noch Menschen da sind, die den Dhamma am Leben erhalten.

Während der ganzen Zeit unseres Fußmarsches fühlten wir uns eng mit dem Sangha hier verbunden. Jeden Abend teilten wir den Segen mit denen, die in irgendeiner Weise den Tudong unterstützt, die uns bei den Vorbereitungen geholfen oder die wir auf unseren Wegen getroffen hatten, sowie mit den sichtbaren und unsichtbaren Wesen, die uns beschützt hatten.

Daher möchte ich allen hier und besonders den Schwestern, die während unserer Abwesenheit hart gearbeitet haben, meine Dankbarkeit aussprechen. Es ist schön, wieder zurück zu sein. Ich bin sehr froh, diesem Sangha anzugehören.


Wir danken Ven. Ajahn Jayanto für die freundliche Genehmigung, den Bericht "Tudong in Wales" aus Forest Sangha Newsletter Nr. 75, April 2006, S. 1 bis 7, in deutscher Sprache zu veröffentlichen.

Übersetzung aus dem Englischen: Wiebke Jensen


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Quelle:
Buddhistische Monatsblätter Nr. 1/2009, Januar-April, Seite 5-18
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2009