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PRESSE/767: Buchbesprechung - "Buddha, Dhamma und Buddhismus" von Jochen Maug (DMW)


Der Mittlere Weg - Nr. 2, Mai - August 2009
Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.

Jochen Maug: Buddha, Dhamma und Buddhismus
Eine andere Sicht der Dinge

Buchbesprechung von Axel Rodeck


Beim Studium von Pali-Texten in unserer Gesprächsgruppe stoßen wir oft auf bestürzende Aussagen, die kaum mit Buddhas Lehre zu vereinbaren sind: Sind beispielsweise, wie in M 54 genüßlich suggeriert wird, die Wandermönche nichtbuddhistischer Schulen minderwertig und sollen sie deshalb von den Hausherren nicht nur minderwertige Speise erhalten, sondern zudem geringschätzig behandelt werden? Wenn dann nicht eine rettende Anmerkung von Übersetzer Kurt Schmidt oder einem anderen Kundigen den Text als nachträglich kompiliert bezeichnet, kommen wir schon ins Grübeln. (Bei Kai Zumwinkel findet sich zu M 54 nur die verniedlichende Erläuterung, der übelwollende Haushälter "erkenne (lediglich) die Überlegenheit der Lehre des Buddha gegenüber anderen Sekten an.") Zunächst daher Dank an Jochen Maug für die Klärung, dass der Palikanon aus verschiedenen Schichten besteht, die oft auf scholastischem Eifer beruhen und teilweise erheblich von Buddha Gautamas Lehre abweichen, ja diese geradezu verfälschen.

Maug geht aus von dem Wissen des Menschen um seine Sterblichkeit und dem daraus erfolgenden Bedürfnis einer Absicherung über die als vergänglich erkannte Existenz hinaus. Zwar hat die Lehre des Buddha in ihrer ursprünglichen Form einen unvergänglichen Wesenskern, der zu einem wie auch immer gearteten Weiterleben nach dem Tode führen könnte, entschieden verneint. Doch dann, so Maug, hat die späte Philosophie des Mahayana die Verbindung zu elementaren Aussagen des Buddha abreißen lassen. Seelen- und Gottesglaube sind quasi durch die Hintertür wieder in den Buddhismus eingedrungen.

Denn die Mahayanaschulen und das Vajrayana sind auf das Bestehen eines "ES" ausgerichtet, welches mit Riten und Kultus beeinflussbar sein soll. Das Mahayana stellt alle typischen Elemente von Glaubensreligionen parat mit dem Bodhisattva als altruistischem Idealbild eines angehenden Buddha. Im Vajrayana wurden die uralten magischen,ja okkultistischen Methoden der Bon-Religion in den eigenen minutiös ausgefeilten Kultus adaptiert. Vom Mahayana bis zu dessen tibetischer Sonderform Vajrayana ist daher das Bild der buddhistischen Geisteswelt geprägt von den Attributen, wie sie auch in jeder Glaubensreligion zu finden sind: Bittformeln, Verehrung von Jenseitswesen und Anerkennung himmlischer oder höllischer Jenseitswelten. Gerade die bunte tibetische Form hat im Westen den stärksten Zulauf, weil sie die tiefsitzenden mystischen Bedürfnisse der religiösen Menschen besser bedient.

Doch das ist kein Grund für die Theravadins, sich beruhigt zurückzulehnen. Maug hat Abweichungen aufs Korn genommen, die den Buddhismus in seinem Kern treffen. Buddhas Lehre vom Nichtvorhandensein einer (ewigen) Seele (anatta) als die Kernlehre des Buddhismus hebt demzufolge zwar das bisherige indische Dogma von Karma und Seelenwanderung, also individueller Wiedergeburt, auf. Dies aber widerspricht den mystischen Urbedürfnissen auch der meisten Theravada-Buddhisten und sie suchen deshalb nach Auswegen. Weil der Buddha klar und deutlich gesagt hat, dass es kein transzendentes Ich geben kann, wurde schon im Frühbuddhismus (beginnend bereits durch Sariputta!) das "Bewusstsein" (vinnana) als Ersatzbegriff für den verlorenen "Atta" (die Individualseele) eingeführt. Die Scholastik propagierte dann das "Wiedergeburtsbewusstsein", welches die vermittelnde Instanz der Karmaformationen sein soll.

Maugs Kernthese ist, die Scholastik habe dem Bewusstsein eine Sonderrolle als transpersonales Element und damit als "Karmamittler" von Geburt zu Geburt zugewiesen. Ihm sei dadurch als einzigem der Persönlichkeitsmerkmale (khandas) ein den Tod überdauernder Bestand zugesprochen worden. Das Bewusstsein als Verbindungsglied zwischen den Existenzen zu setzen bedeute jedoch, Buddhas Lehre (s. hierzu M 38) im Kern aufzuheben.

Freilich schießt Maug hier (auch nach M 38) über das Ziel hinaus. Im ursprünglichen (Theravada-)Buddhismus wird dem Bewusstsein keineswegs der Charakter einer in die Wiedergeburt einziehenden Entität gegeben. Gemäß einem anschaulichen Vergleich des Indologen H.W. Schumann erinnert es vielmehr an Funkwellen: Die befruchtete Mutter gleicht dem eingeschalteten Empfänger, aber ein Empfang kommt erst durch die Aktivität eines Senders auf der selben Frequenz zustande. Sender (d.h. das Bewußtsein des Sterbenden) und Empfänger sind durch keinerlei Substanz oder Materie miteinander verbunden.

Maug beklagt die Verfälschung der wahren Buddhalehre durch die vorbuddhistische Thematik von Karma(!) und Wiedergeburt. Was wir erleben und erleiden beruhe auf aktuellen Lebensumständen, Veranlagung sowie Konditionierung (z.B. durch Erziehung) und dem darin gründenden Tun = "Kamma"(!). Dieses Kamma sei auf das derzeitige Leben begrenzt und die Auffassung, alles fließe aus vorgeburtlichem Karma, sei falsch. Entsprechend sei Nibbana die Aufhebung der Verhaltensweisen Gier, Haß und Verblendung und damit nichts Jenseitiges, sondern ein Aspekt des (derzeitigen) Lebens.

Der Autor über seine Person erfährt der Leser nur wenig, etwa dass er Zen praktiziert hat - widmet sich außer der vorstehend geschilderten Kritik an einem die Seligkeit ins Jenseits verschiebenden Buddhismus ("Buddha-ismus) in einem weiteren Kapitel ausführlich dem Verhältnis zur Scholastik. Er weist einen Weg von der Theorie zur Praxis, wobei verschiedene Arten der Meditation besprochen werden. Es schließt sich (fußend auf dem "Buddhistischen Wörterbuch" von Nyanatiloka Mahathera) eine Hinterfragung wichtiger Pali-Begriffe an. Auch eine kurze Inhaltsangabe wichtiger Sutra-Texte soll noch erwähnt werden.

Ein kritisches Buch mit vielen anregenden Gedanken und beruhend auf gründlichem Textstudium! Es passt in eine Zeit, die sich um eine unserer westlichen Kultur entsprechenden Buddhismus-Interpretation bemüht und den Dhamma entmystifizieren will. Auch im eigentlich recht sachlichen Theravada wird der Glaube an Geister und Jenseitswelten nicht nur im Volksbuddhismus stark vertreten. Doch so behutsam, wie der Buddha seinen verwirrten Zuhörern das Nichtvorhandensein einer Seele (atta) verdeutlichte, müssen auch wir uns bei der Mitteilung von Erkenntnissen verhalten, die liebgewordene Glaubensansichten in Frage stellen.


Jochen Maug: Buddha, Dhamma und Buddhismus. Edition Octopus 2008.
437 Seiten, ISBN 978-3-86582-733-3


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Quelle:
Der Mittlere Weg - majjhima-patipada
41. Jahrgang, Mai - August 2009/2553, Nr. 2, Seite 30-31
Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2009