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PRESSE/783: Vom rechten Umgang mit ideellen und materiellen Dingen (Buddhistische Monatsblätter)


Buddhistische Monatsblätter Nr. 2/2009, Mai - August
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.

Vom rechten Umgang mit ideellen und materiellen Dingen

Von ArminDao Ketterer


Das Ideelle bewegt sich vor allem auf der Ebene von Möglichkeit, das Materielle stößt uns auf eine andere Ebene, die der Wirklichkeit. Ideell ist potenziell alles möglich, materiell konkret aber nicht. Geht Ideelles dem Materiellen voraus, kann es Raum und Zeit übersteigen, dessen materielle Verwirklichung aber ist stets den Bedingungen von Endlichkeit und Vergänglichkeit unterworfen. Verwirklichung heißt wirken in Gedanken, Worten und Taten. Soll eine Idee wirksam werden, muss sie die Seinsebene wechseln, von der Ebene der Möglichkeit zu derjenigen der Wirklichkeit. Manches Ideelle wird entweder leicht-sinnig, also mit gelockert-leichten Sinnen, in die Wirklichkeit umgesetzt, oder der Übergang muss erst mühsam bewirkt werden mit Anreizen (ideelle oder materielle Motivation) und mit Arbeit. Aber nicht alles, was möglich ist, kann wirklich werden, und was wirklich wird, ist von diesem Zeitpunkt an vergänglich, endet und verweist auf der Ebene der Sinngebung wiederum auf Mögliches, also Ideelles. - Ein nicht immer und nicht einfach zu durchschauender Kreislauf...

Viele träumen davon, großen Reichtum zu haben. Dabei wird unterschätzt, wie viel ideellen Sinn schon die Notwendigkeit erfordert, materielle Ressourcen erst erarbeiten zu müssen - und dass diejenigen, die die Notwendigkeit dazu nicht mehr verspüren, diesen Sinn entbehren müssen.

Das Wenig und Zuwenig, die Knappheit der Ressourcen, gibt dem Leben einen klaren Rahmen, mit dessen Verlässlichkeit fest zu rechnen ist, auch wenn dieser Rahmen gewöhnlich wenig geschätzt wird. Er sorgt für Orientierung und vermittelt Halt. - Bei geringen Geldmitteln eine materiell gesetzte wertvolle ideelle Ressource auch und gerade im modernen Leben. Gerade Menschen, die mit einem geringen Einkommen zurechtkommen müssen, können aus diesem Grunde erstaunlich oft sparsam und erfinderisch mit dem Wenigen umgehen, das sie zum Leben haben. Sofern sie nicht dem Wahn der materiellen Entgrenzung verfallen sind, konsumistisch über ihre Verhältnisse leben und sich so in eine Abwärtsspirale des Scheiterns begeben.

Das Viel und Zuviel raubt Orientierung und zieht Haltlosigkeit nach sich. Wer viel und zu viel hat, ängstigt sich, alles zu verlieren, und fatal wird es, wenn auch noch andere Möglichkeiten, Halt zu finden, ausfallen: wie z.B. angemessene Zurückhaltung, demütige Bescheidenheit, verlässliche Beziehungen, klare Sinnstiftung.

Zum Problem wird das Ausgeben materieller Mittel als sinnloser Konsum ohne die ideellen Zusammenhänge eines Wofür, einer Notwendigkeit, von Schönheit, von Freude. Die Sinnlosigkeit des Konsums schlägt durch auf die empfundene Sinnlosigkeit des gesamten Lebens, ein modernes Grundleiden.

Die Möglichkeit, sich ständig alles kaufen zu können, macht Dinge wertlos; ebenso, sie immer nur geschenkt zu bekommen. Im alltäglichen Sprachgebrauch bedeutet "wertlos" ohne Wert, wird negativ verstanden und ist es im Konsumismus auch. Positiv ist Wert-losigkeit nicht be-wert-end los-gelöst/los-gelassen vom Wert eine heilsame lebenspraktische und spirituelle Übung, die für die in die Welt ver-wickelten Hausleute nur begrenzt möglich ist; Ordinierte, insbesondere nicht für ihren Lebensunterhalt arbeitende, sondern auf danam (Almosengabe) Angewiesene, üben sich darin weit gehend (auf dem dhamma-Pfad) und grundlegend (bei der Re-Konstruktion des Lehr-Gebäudes gemäß Buddhas Bau-Plan).

Geld und Besitz können unter bestimmten Bedingungen Freiheit in Form von Befreiung bedeuten, und zwar auf zweierlei Art und Weise: zum einen frei zu sein von lästigen Notwendigkeiten und zum anderen frei zu sein zu neuen Möglichkeiten:

Geiz und Verschwendung liegen vielleicht näher beieinander, als wir uns bewusst machen. Dabei stellt sich auch die Frage, wann aus Sparsamkeit Geiz, wann aus Großzügigkeit Verschwendung wird und wann das Eine vor das Andere geschoben bzw. dafür ausgegeben wird. Dies gilt sowohl für ideelle als auch für materielle Güter.

Materiell brauchen wir einen tatsächlich oder scheinbar widersprüchlichen Umgang mit Geld und Gütern: Sparsam, wo es nötig ist, großzügig, wo es möglich ist. - Eine immer wieder einzugehende Gratwanderung, die praktisch erprobt werden muss. Sparsamkeit sorgt für die Ressourcen, mit der die Großzügigkeit hantieren kann. Sparsamkeit ist erforderlich, weil ohne sie der materiellen Großzügigkeit irgendwann die Mittel abhanden kommen, denn diese wird wie von selbst verschwenderisch. Andererseits: Ohne ideelle Großzügigkeit aber entsteht Geiz, bleibt die Sparsamkeit ein sinnloses Raffen. Ein gekonnter Umgang mit Geld und Besitz ist Bestandteil des umsichtigen Umgangs mit sich selbst und besteht in der Festlegung des rechten Maßes; bestenfalls nicht aus moralischen Gründen, sondern zur Wahrung der Freiheit aus Verantwortung. Denn nur bis zu einem bestimmten, individuell und immer wieder neu festzulegenden Maß an Geld und Besitz ist die Freiheit als Befreiung erfahrbar. Ein Zuwenig und ein Zuviel sind beide unangemessen, nehmen uns in ihren Besitz, sind also unheilsam: Ein ungleichgewichtiger Vermögenshaushalt und ein unausgeglichener Geisteszustand bedingen einander und auf beides ist zu achten.

Es gibt keinen Grund zu einer Romantisierung der Armut, aber auch keinen zu einer Romantisierung des Reichtums. Das Zuwenig ist so problematisch wie das Zuviel.

Bei einem Zuwenig wird die Lösung sämtlicher Lebensprobleme vom erhofften Besitz erwartet: "Wenn ich nicht mehr Geld verdienen muss, dann - Ein Fall von bedingter Projektion, die mit dem eben genannten Bedingungs-Satz einfach zu erkennen ist und oft (unbewusst verblendet) eine Illusion, ein (Selbst-)Täuschungsmanöver darstellt.

Bei einem Zuviel ist es schmerzlich zu erfahren, dass die Überwindung materieller Nöte die eigentlichen Lebensfragen nicht überflüssig macht, sondern sie ganz im Gegenteil noch verschärft. Denn deren Beantwortung kann nun nicht mehr materiell erhofft werden und folglich endet die Projektion mit dem Aufbrechen von Ängsten bezogen auf z.B. das Leben und Zusammenleben, die Suche nach Glück und den Sinn von Leben und Tod.

Materiell reich zu sein ist nicht etwa gleichbedeutend mit ideell reich zu sein, so wie materielle Armut nicht identisch ist mit ideeller Armut. Schritte in den Wohl(zu)stand sind mit Vorsicht zu gehen, da es manchmal leichter ist zu etwas zu kommen, als davon wieder loszukommen, denn auch dieser bleibt als vergänglich nicht immer gleich und muss los-gelassen werden. Auf dem mittleren Weg von Einfachheit und Genügsamkeit vor allem im weltlichen Leben als sinnvoll erscheint das gute Verhältnis von ausreichend materiellen Mitteln zur freien und gesunden Lebensführung und gleichzeitig deren Begrenzung, um nicht im Überfluss und Überdruss gefangen unterzugehen. - Die Widersprüchlichkeit als Balanceakt bleibt eine fortwährende Herausforderung im dualistisch-bedingten Dasein. Die Widersprüchlichkeit wird dadurch weniger, dass sie immer wieder und immer mehr als solche akzeptiert wird durch weiteres Fortschreiten auf dem Weg der inneren Schulung und Läuterung mit sich daraus zunehmend ergebenden inneren ideellen und äußeren materiellen Konsequenzen: ein heilsamer Kreislauf des Ent-wickelns statt Ver-wickelns durch Los-lassen hin zu abnehmender Be-wert-ung mit zunehmender Wert-losigkeit.

Der vorstehende Text ist so verfasst, dass jede und jeder Lesende ihre bzw. seine eigenen alltagspraktischen und buddhistischen Bezüge und Einordnungen selbst herstellen kann.

Zur direkten und vertiefenden Belehrung durch den Buddha über den rechten Umgang mit materiellen und ideellen Dingen mit Verhaltens-Anleitungen, um Leid im weltlichen Leben zu vermeiden und es endgültig zu überwinden, wird auf die zentrale Lehrrede im Pali-Kanon über Laienethik, "Grundlagen der Wohlfahrt" (Dighajanu Sutta, auch Vyagghapajja Sutta genannt) im Anguttara Nikaya VIII.54, hingewiesen.

Nachfolgend daraus die wesentlichen Aussagen in Kurzform(*):

(...) Wir als Hausleute genießen die Sinnenfreuden, wohnen mitten im Gedränge von Frauen und Kindern. Wir gebrauchen feinstes Sandelholz, verwenden Blumen, Riechstoffe und Salben, benutzen Gold und Silber. Möge der Erhabene uns die Lehre so vermitteln, dass es uns zum Heil und Wohl gereiche, diesseits und jenseits!

- Vier Dinge, Vyagghapajja(**), gereichen einem edlen Sohn zum diesseitigen Heil und Wohl. Welche vier?

Bewährung in Fleiß,
Bewährung in Wachsamkeit (über den rechtmäßig erworbenen Besitz),
edler Umgang (mit Personen reifen Charakters, denen Vertrauen, Sittlichkeit, Freigebigkeit und Weisheit eigen ist, diesen darin nacheifernd) und
maßvolle Lebensweise (nicht zu üppig und nicht zu dürftig und damit die Einnahmen die Ausgaben übersteigen).

(...) Für den so erlangten Besitz gibt es vier Abflüsse: Unzucht, Trunksucht, Würfelspiel und Umgang mit schlechten Freunden.

(...) Für den so erlangten Besitz gibt es vier Zuflüsse: das Meiden von Unzucht, von Trunksucht, von Würfelspiel und der Umgang mit edlen Freunden.

(...) Diese vier Dinge gereichen dem edlen Sohn zu diesseitigem Heil und Wohl.

Vier Dinge, Vyagghapajja, gereichen dem edlen Sohn zum jenseitigen Heil und Wohl. Welche vier?

Bewährung in Vertrauen (auf das tatsächliche Erwachtsein des Buddha),
Bewährung in Sittlichkeit (durch die Beachtung der fünf sila),
Bewährung in Freigebigkeit und
Bewährung in Weisheit (mit dem Durchschauen von Entstehen und Vergehen, was das Leid völlig beendet).

(...) Diese vier Dinge, Vyagghapajja, gereichen dem edlen Sohn zu jenseitigem Heil und Wohl.


(*) Die Formulierungen beruhen auf der Übersetzung von Nyanatiloka/Nyanaponika, Hervorhebungen und Anmerkungen durch den Autor.

(**) Vyagghapajja ist ein Familienname, der bedeutet "der mit der Tigerfährte"; er wird in der Rede auch Dighajanu, d.h. 'Langknie', genannt; beide Namen haben der Rede die Pali-Bezeichnung gegeben.


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Achte auf deine Gedanken,
denn sie werden Worte.
Achte auf deine Worte,
denn sie werden Handlungen.
Achte auf deine Handlungen,
denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten,
denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter,
denn er wird dein Schicksal.

Talmud


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Quelle:
Buddhistische Monatsblätter Nr. 2/2009, Mai - August, Seite 7-11
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2009