Schattenblick →INFOPOOL →RELIGION → BUDDHISMUS

PRESSE/817: Buddhismus und die Zufälle (Buddhistische Monatsblätter)


Buddhistische Monatsblätter Nr. 1/2010, Januar - April
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.

Buddhismus und die Zufälle

Von Dr. Günter Neumeyer (21.09.2009)


Was hat den 1921 Geborenen in der finstersten Nazizeit bei Kriegsausbruch dazu veranlasst, sich das Reclam-Büchlein "Die Fragen des Königs Milinda" zu beschaffen und es immer wieder aus der Tasche zu ziehen, um es während der langweiligen Wachdienste bei der Marine-Flak zu lesen? Das war ein erstes "zufälliges" Zusammentreffen mit der Lehre des Buddha.

In der Nachkriegszeit wurden die Buddha-Gedanken von intensiven Arbeitsbelastungen als Küchenhelfer, Examens-Student und Assistenzarzt am Barmbeker Krankenhaus, den Tätigkeiten als "Fernsehdoktor" zu Beginn des Nordwestdeutschen Fernsehens, als Internist an einem saudi-arabischen Königshospital im Hedjas und neuen Erfahrungen als Manager bei den Pharmafirmen Bayer und Beiersdorf völlig überlagert. Vielleicht hat die Erinnerung an die Buddhaworte das Unterbewusstsein des Arztes doch etwas in Richtung Mitgefühl (karuna) beeinflusst?

Und wieder gesellte sich ein "Zufall" auf dem Weg zur BGH hinzu: Sohn Thomas, 1951 geboren, wollte 1969 mit den Hare-Krishna-Anhängern in einem gebrauchten Milch-Lieferwagen nach Indien fahren. Zum Abschied drückte er Vater Günter drei Bände der Buddhalehre von Karl Eugen Neumann in die Arme und meinte wohlwollend, "Beschäftige dich zur Abwechslung mal mit vernünftigen Ideen!" Das Studium der Mittleren und Längeren Sammlung der Buddhalehre führte bei G.N. zu der Frage, ob es denn in Hamburg auch "Buddhisten" gäbe? Tatsächlich meldete sich unter der Telefonnummer der "Buddhistischen Gesellschaft Hamburg" eine Frau Anne Kröger und teilte ihm mit, dass "heute Abend" eine Mitgliederversammlung im Hotel Reichshof stattfinden würde. An diesem Abend wurden wieder ganz zufällig neue Weichen gestellt, denn die Äußerung, dass G.N. als ehemaliger "Fernseh-Doktor" (1951-1954) und Medizin-Journalist eine elektrische Schreibmaschine besäße, führte zu seiner sofortigen Wahl als Schriftführer der BGH e.V. Damit war die Falle zugeschnappt!

Aufgrund großzügiger Spenden wurde ein Souterrain am Graumannsweg zum ersten eigenen Zentrum erkoren. Später erwarb Anne Kröger als Vorstands-Vorsitzende das Haus in der Beisserstraße 23 in Barmbek und dieser Hauserwerb ließ die seltsamste "Zufalls-Synchronlokalität" aufblitzen! Auf einem Foto im Familienalbum der Neumeyers aus den Zwanzigerjahren ist vor diesem Haus, mit dem gleichen Eisengitter wie heute versehen, Günters Patentante Hedi Schulze mit Ehemann und Sohn zu sehen. Im 1. Stock dieses Hauses hat Günter als Kleinkind die Jahre 1921-1923 verbracht.

In der Beisserstraße wurden die unterschiedlichsten Funktionen, vom Schriftführer bis zum 2. und 1. Vorsitzenden der BGH e.V. und schließlich bis zum Beobachter des Geschehens angenommen. Mit Max Glashoff wurde eine Broschüre unter dem Titel "Die Lehre des Buddha" nach einer Vorlage von Narada Thera, Autor von "Buddhism in a Nutshell" und Mitbegründer der BGH e.V., sowie ein Heft mit dem Titel "Eine Buddhistische Andacht" gestaltet.

Aufgrund beruflicher Verpflichtungen in eigenen Firmen und in der Arztpraxis, sowie infolge des seit 1971 bestehenden Wohnortes in Hollenstedt war eine Teilnahme an Veranstaltungen in der BGH oder im "Haus der Stille" in Roseburg leider nur selten möglich. Nur einmal fuhren Max Glashoff und G.N. zu einem Treffen der Deutschen Buddhistischen Union in der Nähe von Köln. So blieb es vor allem bei der mehr intellektuellen Beteiligung eines "Schriftstellers" an der Buddhalehre mit der Textgestaltung zahlreicher Artikel in den damals vom Ehepaar Glashoff herausgegebenen "Buddhistischen Monatsblättern".

Einmal hatte der Arzt Dr. med. G.N. die Gelegenheit, dem Dalai Lama in Hamburg Hustentropfen zur Linderung seiner akuten Bronchitis zu verabreichen. Dieser fragte listig blickend: "No poison, doctor?" und der Doktor nahm die Tropfen selbst zur Bestätigung ihrer Ungiftigkeit zu sich. Unvergessen dann die Szene, die sich gleich danach ereignete: Ein junger Mensch trat heran und fragte den Dalai Lama: "Wie ist das denn eigentlich mit der Wiedergeburt, Your Holiness? Dadurch vermehrt sich die Menschheit doch bis ins Unerträgliche?" Der Dalai Lama antwortete, vergnügt schmunzelnd: "What's bothering you, my dear friend? Astronomic scientists confirm the existence of nearly thirty thousand of comparable planets with living beings in our universe. You may choose deliberately one of them for your new existence. So what's your problem?" (Worüber machen Sie sich Sorgen, lieber Freund? Astronomen bestätigen, dass es fast dreißigtausend vergleichbarer Planeten mit lebenden Wesen in unserem Universum gibt. Sie können sich nach Belieben einen davon für Ihre nächste Existenz aussuchen. Wo liegt also Ihr Problem? Übers. der Redaktion)

Schon als junger Mensch hat der Autor an der Logik seiner angetauften Religion gezweifelt. Als Konfirmand geriet er mit seinem sehr liebenswerten Pastor über den Begriff der Dreieinigkeit in eine nicht auflösbare Debatte. Während einiger Berufsjahre in Taif im Lande des Propheten, SaudiArabien, kam er in Kontakt mit einem sehr angenehmen Patienten, Scheich Hassan Siraj, dessen Familie das Ehrenamt eines Koran-Siegel-Bewahrers aus des Propheten Zeit geerbt hatte. Der von diesem Würdenträger vorgeschlagene Übertritt zum Islam kam nicht zustande, obgleich Mekka von Taif aus in Sichtweite lag. Der Scheich meinte, dass sich die christliche Religion aus der Perspektive des Islam geradezu als blasphemisch darstelle, insofern, als sie eine "Gottes-Mutter", einen "Gott-Vater", einen "Sohn Gottes" und einen "Stellvertreter Gottes auf Erden" proklamiere, vom "Heiligen Geist" gar nicht zu reden! Der Islam kennt nur "EINEN ALLAH" und Propheten wie Mohammed, Jesaja, Jesus und andere. Die fanatischen Auswüchse dieser eindeutig monotheistischen Religion machen sie allerdings unglaubwürdig und wirken selbst außerordentlich gotteslästerlich.

Wie leicht sich Menschen im Massenwahn verstricken können, wird heute von Neurowissenschaftlern nachgewiesen. Sie haben beim Menschen ein Hirnzentrum entdeckt, das bei Gedanken an "Obrigkeit", "Überlegenheit", "Häuptling", "Kaiser", "Gott", "Allah", "Brahma", "Vishnu", "Wotan" "Zeus", "Adolf Hitler", "Stalin", "Michael Jackson" usf. elektronisch aufleuchtet. Dieses "Religionszentrum" ist wohl auch bei Nachfolgern des Buddha zu aktivieren, denn anders sind die Vergöttlichungen dieses weise-erleuchteten Menschen-Denkers in den regionalen Abarten des sogenannten "Buddhismus" nicht zu erklären.

Von dem vorbildlichen Max Glashoff stammt der Ausspruch: "Nach langer Beschäftigung mit der Lehre des Buddha bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass ich kein "Buddhist" bin! Ich habe mir die Empfehlungen des Erleuchteten zur Richtschnur für mein Dasein genommen, um dem selbst geschaffenen Leiden möglichst ein Ende zu bereiten". Diesen Worten kann sich der Verfasser aufgrund seiner eigenen Erfahrungen anschließen. Rückschauend auf die Jahre von 1939 bis 2009 hat sich auch für ihn die Lehre des Buddha als die verständigste und lebenspraktischste Realitätsbetrachtung zur Überwindung des Leidens erwiesen.


*


Quelle:
Buddhistische Monatsblätter Nr. 1/2010, Januar - April, Seite 4-7
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.
Herausgeberin: Buddhistische Gesellschaft Hamburg e.V.
Beisserstr. 23, 22337 Hamburg
Tel.: 040 / 6313696, Fax: 040 / 51902323
E-Mail: bm@bghh.de, buddha-hamburg@gmx.de
Internet: www.bghh.de

Die Buddhistischen Monatsblätter erscheinen
vierteljährlich.
Einzelpreis: 5,-- Euro
Abonnementspreis: 20,-- Euro jährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2010