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PRESSE/863: Über Zazen-Regeln - Teil 2 (Zenshin)


ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 1/10

Über Zazen-Regeln (Teil 2)

Teisho von Hozumi Gensho Roshi vom 09.02.20 10


Wenn man die richtige Haltung verstanden hat, kann man sich der Atmung zuwenden. Tan-den-Atmung ist sehr wichtig, d.h. nicht mit der Brust atmen, sondern tief aus dem Unterbauch atmen wir. Der Unterbauch entspannt sich und wird rund. Überlegungen, gute und schlechte Gedanken schalten wir ab. Nach vielen Jahren der Übung schaffen wir es überflüssige Gedanken wirklich abzuschalten.

Geübte Zen-Schüler wissen, wie freudvoll das Leben mit Zen wird! Zazen bringt also nicht nur Beinschmerzen, sondern das Zen-Studium bringt uns Freude und Glückseligkeit. Wer richtig Zen übt, wird nicht krank, sondern kann die Krankheiten verjagen. Wenn der Körper keine Probleme mehr hat, wird der Geist auch klar. Wer es bis dahin schafft, kann sehen, wie klar das Leben ist. Während der Jahre der Übung entwickelt ihr die Tugend, alles in eurem Leben zu akzeptieren. Dann erreicht ihr einen Gemütszustand, der einem Drachen gleicht, der seinen Rachen mit Wasser gefüllt hat und in den Himmel steigt, oder ihr gleicht einem Löwen, der, sehr gemütlich, hoch auf einem Berg steht und von dort dem Treiben zuschaut.

Ihr könnt hierher zum Sesshin kommen, weil ihr große Unterstützung von eurer Familie habt, von Freunden, von eurer Firma, von verschiedenen Seiten; kräftige Unterstützung, damit ihr den Weg gehen könnt und mal alles verstehen könnt. Über diesen Umstand solltet ihr euch bewusst sein. Leider ist es oft so, auch wenn ihr alles verstehen würdet, alles akzeptieren könntet, mit Bewusstheit am Sesshin teilnehmen könntet, ist es doch so, dass immer wieder verschiedene Störungen eure Herzen erreichen. Welche Probleme auf uns treffen, wissen wir nicht vorher. Ihr sitzt hier fünf Tage fest, konzentriert, ihr wollt in aller Ruhe sitzen, aber, währenddessen, sind vielleicht eure Kinder allein zu Haus, und sie denken beispielsweise: aha, Mutter ist nicht da, Vater ist nicht da, oder mein Mann ist nicht da oder meine Frau ist nicht da. Wir machen, was wir wollen, Durcheinander. Wenn ihr also dann zurück kommt, kriegt ihr Probleme. Kinder freuen sich, wenn sie ohne Eltern zu Hause bleiben können. Sie können Krach machen, niemand schimpft sie... und so weiter. So kommen wieder Probleme. Schwierige und ungute Sachen begegnen uns immer wieder. So ist das Leben. Unfälle passieren überall, eine Seite läuft ganz gut, gleichzeitig läuft es auf der anderen Seite gar nicht gut, im Leben ist das so. In verschiedenen Sutren wie im Ryogon Shu, im Tendai Sutra und in verschiedenen anderen steht eine Menge über Probleme, über teuflische, ungute Dinge.

Nur im Zustand von Zen-Samadhi zu verweilen, ist außerordentlich schwierig. Geht gut mit all euren Probleme um und macht Fortschritte, das ist sehr wichtig.

Der erste Tag vom Sesshin ist vorbei, zweiter Tag ist auch vorbei, dritter Tag, vierter Tag, ihr habt heute den fünften Tag. Fast ist das Sesshin zu Ende. Ihr habt einigermaßen verstanden, wie ihr sein solltet. Falls ihr bei diesem Sesshin etwas gelernt haben solltet, nehmt es mit in den Alltag, vergesst es nicht. Ihr müsst sehr gut auf euch aufpassen!

Wenn man Samadhi erfahren hat, gibt es bestimmte Regeln beim Aufstehen - also nicht zu schnell aufstehen, nicht gleich wieder losrennen, ganz gemütlich die Füße lockern, die Haltung lockern, ganz langsam alles laufen lassen.

Nach 20 Minuten, nach 30 Minuten Zazen haben die Schüler Schmerzen in den Beinen, wenn die Glocke (Inkin) klingelt, die Zazenzeit vorbei ist, freuen sich die Schüler und wollen schnell aufstehen und ihre Beine bewegen. Das ist nicht richtig, langsam und gemütlich solltet ihr aufstehen und euch bewegen.

Beim Sesshin wart ihr sehr geduldig, bewahrt diese Geduld in eurem Alltag. Wie eine Mutter, die sich sehr achtsam, sorgfältig und vorsichtig ihr Neugeborenes in den Arm nimmt und sich zärtlich um das Baby kümmert, so müsst ihr euch um eure Erfahrung kümmern.

Wenn man glänzende Perlen im Wasser verliert, kann man sie bei ruhigem Wasser gleich wieder finden. Wenn allerdings starke Wellen kommen" kann man nicht mehr so gut sehen, manchmal sieht man gar nichts mehr, so verliert man dann die glänzenden Perlen. Also muss man immer ein klares Herz behalten, dass man alles sehen kann. Glänzende Perlen habt ihr alle im Herzen! Euer Herz kann diese Perlen nicht sehen, weil es nicht klar ist. Es ist sehr wichtig diese Perlen zu entdecken! Im Engaku-Sutra steht, dass Weisheit von Zen-Samadhi kommt und Zen-Samadhi schafft man nur mit klarem Herzen! Zen-Samadhi ist sehr kräftig. Im Hakuin Zenji Zazen Wasan steht auch wie wunderbar Zen-Samadhi ist, es beginnt mit den Worten: wie wunderbar ist Zen-Samadhi. Man kann es nicht genug loben, so großartig ist es.

Um Erleuchtung zu erlangen, muss man sechs Bedingungen erfüllen. Das erste ist Dana. Dana bedeutet mit freudigem Herzen zu geben, ein Mittel, die Habgier und Selbstsucht im Menschen zu unterdrücken. Wer nicht geben kann, wird nie Satori erlangen.

Die zweite Regel lautet: Akzeptieren und praktizieren, d.h. dass jemand, der die Zen-Regeln nicht akzeptieren kann, eben auch nicht weiter kommt.

Die dritte Regel ist Geduld - nur mit Ausdauer und Geduld ist der Weg zu gehen.

Die vierte Regel besagt, dass die Schüler immer fleißig und eifrig Zazen üben sollen.

Die fünfte Bedingung ist eben Zen-Samadhi zu erfahren, Himmel und Erde eins werden zu lassen und schließlich die sechste verlangt Entwicklung von Weisheit, Weisheit müsst ihr finden, sonst schafft ihr keine Erleuchtung.

Es gibt verschiedene asketische Übungen wie Sutra-Samadhi, d.h. sich voll und ganz auf die Rezitation der Sutren zu konzentrieren, auf den Berg gehen oder im Wasser trainieren. Alle Arten führen zu Zen-Samadhi. Hakuin betont im Zazen Wasan die Wichtigkeit der Samadhi-Erfahrung. Wenn ihr Zen-Samadhi erfahren haben solltet, wie sicher ist denn euer Zen-Samadhi. Ist es wirklich so sicher wie der Berg, der seit Millionen von Jahren schon steht. Wenn ihr wirklich so kräftiges Zen-Samadhi erfahren würdet, dann bräuchtet ihr nicht mehr kleinkariert zu sein und glauben, mit eurer Vernunft könntet ihr etwas verstehen. Dann wird es auch egal,ob man lebt oder stirbt. So sicher wird man. Dann kann man beim Zazen sagen, ok. ich sterbe jetzt, ich gehe.

Daito Kokushi, Gründer des Daitoku-ji, ist beim Zazen gestorben. In der Zazen-Haltung hat er sich von seinem Leben verabschiedet. Der Gründer vom Myoshinji, Kanzan Egen Zenji stand vor 650 Jahren, am 12.12. unter einem Baum und sagte seinen Schülern, so, jetzt sterbe ich. Und so starb er. Wie ist so etwas möglich? Wenn das Zen-Samadhi kräftig und stabil ist, dann passiert so etwa wirklich. Wenn nur ein bisschen Wind weht und Unsicherheit gleich aufkommt, dann ist das Zen-Samadhi zu schwach! Die Leute, die nicht genug üben, haben auch Angst vor dem Tod. So soll es nicht sein! Wenn wir unser Leben bis zum Ende kräftig leben wollen, dann müssen wir die strengen Regeln im Zen akzeptieren.

Unser Leben haben wir von unseren Eltern bekommen. Unser wunderbares Leben. Woher kommt das Leben? Wann hat es angefangen? Wo hat es angefangen? Immer noch haben die Menschen keine Klarheit. Die Wissenschaftler haben viel erreicht, viele Dinge sind klarer geworden; es gibt jedoch immer noch Dinge, die nicht verstanden werden, die nicht analysiert werden können. Alles zu verstehen ist nicht so einfach. Als wir noch Babys waren im Bauch unserer Mutter, waren wir ein Teil von ihr. Bei der Geburt wurden wir selbständige Wesen, wir atmeten allein, ohne Mutter. Die Natur hat es so eingerichtet, dass wir atmen können.

Um richtig atmen zu können, muss man Zen-Samadhi erfahren haben. Bringt die Körperhaltung in Ordnung, atmet richtig, klärt euren geistigen Zustand und versucht, Zen-Samadhi zu erreichen. Unser Herz arbeitet ständig und doch stoppt es irgendwann mal.

Wer Zen-Samadhi erfahren hat, kann jede Situation akzeptieren, kann ohne Angst sterben. Wer kein Zen-Samadhi erfahren hat, hat die Angst vor dem Tod immer im Herzen.

Wenn ihr diese Regeln oftmals lesen würdet, hören würdet, beherzigen würdet, nicht nur an euch denkt, sondern auch auf die anderen schaut, könntet ihr es irgendwann zusammen schaffen, wirklich aufzuwachen. Also studiert weiter. Alle haben ein hochwertiges Leben. So lange unser Herz schlägt und unser Blut fließt, leben wir. Mit dem Stetoskop kann man sein eigenes Herz hören, hören, wie das Blut rauscht, hören, was für Geräusche der Magen macht. Ich habe gestern ein Stetoskop bekommen und gleich ausprobiert. Mein Herz habe ich gehört, das Blut kann man hören, über die Geräusche meines Magens bin ich erschrocken. Ich habe gedacht, jetzt lebe ich, was für eine großartige Sache!

Ihr müsst euch um euer Leben kümmern. Kummer, Probleme, Jammer, Traurigkeit, Freude, alles gehört dazu. Das ist der Beweis, dass wir leben. Weil wir leben, werden wir traurig, werden wir ärgerlich, haben wir Freude. Haltet an keinem Gefühl, an keine Situation fest, macht euch frei und lebt! Das Zen-Herz ist groß, kräftig und frei. Mit dem Zen-Herz kann man alles schaffen. So sollte es sein.

Die Frage, was ist der Mensch, was bin ich, ist heute wichtiger denn je. Fragt euch selbst. Ihr Glücklichen, die ihr hier versammelt seid und am Sesshin im Shoboji teilnehmen könnt, über dieses Glück solltet ihr euch bewusst sein. Zazen ist Buddhas Lehre von der Glückseligkeit oder für die Glückseligkeit. Heute ist der letzte Tag vom Sesshin. Ich möchte mein Teisho jetzt beenden.


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Quelle:
ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 1/10, S. 11-13
Herausgeberin: Hakuin Zen Gemeinschaft Deutschland e.V. (HZG)
Burggasse 15, 86424 Dinkelscherben
Redaktion: Nanshu Susanne Fendler / Bunsetsu Michael Schön
Übelherrgasse 6, 89420 Höchstädt a.d.D.
E-Mail: s-fendler@t-online.de / schoen-bio@gmx.de
Internet: www.shoboji.de

ZENSHIN erscheint halbjährlich.
Einzelheft 7,50 Euro inklusive Versand


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2010