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AFRIKA/037: Ugandische Kirchen in Sorge um Friedensabkommen (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Feature vom 4. November 2008

Ugandische Kirchen in Sorge um Friedensabkommen

Von Fredrick Nzwili


Seit der Vereinbarung einer dauerhaften Waffenruhe schweigen die Waffen in Norduganda. Doch leitende Kirchenverantwortliche sind besorgt, weil die Rebellenbewegung Lord's Resistance Army (LRA) die Unterzeichnung des endgültigen Friedensabkommens hinauszögert, erfuhren die Mitglieder einer internationalen ökumenischen Delegation, die das Land besucht hat.

Die vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) entsandte achtköpfige Delegation stattete Uganda vom 27. Oktober bis 2. November einen Besuch ab, um ihre Solidarität mit den Kirchen des Landes zu bekunden, in dem nach Jahrzehnten der Militärherrschaft und des Bürgerkrieges relative Stabilität eingekehrt ist.

Die "Lebendigen Briefe" - wie die ökumenischen Teams genannt werden, die im Rahmen der ÖRK-Dekade zur Überwindung von Gewalt verschiedene Länder besuchen - trafen mit Vertretern und Vertreterinnen von Kirchen, Regierung und Zivilgesellschaft zusammen, um über das Schicksal der Menschen zu sprechen, die durch den Bürgerkrieg in Norduganda vertrieben worden sind.

"Der Besuch vermittelt ein Gefühl christlicher Solidarität. Er stärkt auch die zwischenkirchlichen Netzwerke", erklärte Canon Grace Kaiso, Geschäftsführer des Gemeinsamen Christenrats von Uganda. "Wir müssen erkennen, dass einige der Ursachen für Ungerechtigkeit und Konflikte, die sich negativ auf die Gemeinschaften ausgewirkt haben, eine internationale Dimension haben."

Der Besuch der Lebendigen Briefe in Uganda, so Kaiso, komme zu einer Zeit, da im Land der Prozess des Wiederaufbaus und der Neuansiedlung der Vertriebenen begonnen habe.

"Es ist eine gewaltige Aufgabe: wir müssen eine Million Menschen neu ansiedeln und ihnen helfen, die sozialen und psychologischen Folgen des Krieges zu überwinden", sagte Kaiso. "Das können wir nur schaffen, wenn es uns gelingt, die Gemeinschaften so zu stärken, dass die Menschen sich gegenseitig helfen können."

Konfliktlösung durch Dialog

Kaiso schilderte der Gruppe, wie sehr sich die Kirchen dafür eingesetzt hatten, die Regierung und die LRA an den Verhandlungstisch zu bringen, obwohl Präsident Yoweri Museveni an eine militärische Lösung glaubte und der Meinung war, Friedensgespräche seien ein "Zeichen der Schwäche". "Aber es gibt keinen Konflikt, der nicht durch Dialog gelöst werden könnte", betonte Kaiso.

Im Juli 2006 nahmen die Regierung und die LRA Friedensgespräche in der südsudanesischen Stadt Juba auf. Im August desselben Jahres führten diese Gespräche zu einem Waffenstillstand. Im Februar 2008 wurde eine dauerhafte Waffenruhe vereinbart. Seither sind relative Ruhe und Stabilität in den Norden des Landes eingekehrt, wo beide Parteien zwanzig Jahre lang Krieg gegeneinander geführt hatten.

"Die Verhandlungen sind abgeschlossen, aber der endgültige Friedensvertrag ist noch nicht unterzeichnet. Das die die größte Sorge der Kirchen", erfuhr die Delegation am 27. Oktober von Canon Joseph Oneka, dem Leiter der Abteilung für Menschenrechte und gute Regierungsführung im Sekretariat des Gemeinsamen Christenrates von Uganda.

Die Unterzeichnung des endgültigen Friedensvertrags durch die Konfliktparteien war für 2008 erwartet worden, aber bislang hat der Anführer der LRA, Joseph Kony, das Abkommen nicht unterzeichnet. Kony fordere, so die Kirchenverantwortlichen, dass der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) den Haftbefehl gegen ihn zurücknimmt, so dass er in Uganda vor Gericht gestellt und nach traditionellen Verfahren verurteilt werden könne.

"Der Haftbefehl des IStGH ist für die LRA ein Problem", erklärte Oneka. "Die Regierung sagt, die LRA müsse zuerst das Abkommen unterzeichnen."

Im Dezember 2003 nahm der Ankläger des IStGH auf Ersuchen der ugandischen Regierung die Ermittlungen auf. Ihr Abschluss im Oktober 2005 führte dazu, dass der Gerichtshof gegen fünf führende Mitglieder der LRA, einschließlich Kony, Haftbefehle wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen ausstellte.

Seither ist in Uganda eine Debatte darüber im Gange, ob die Anführer der LRA an den IStGH ausgeliefert oder alternativ vor ein ugandisches Gericht gestellt und nach traditioneller Rechtsprechung verurteilt werden sollten. Während einige Kirchenverantwortliche die Wahl des Zeitpunkts für den IStGH-Prozess in Frage stellen, haben andere ihn befürwortet.

Richter Peter Onega, dem Vorsitzenden der Amnestie-Kommission, zufolge könnten die Haftbefehle des IStGH zurückgenommen werden, wenn ein Abkommen unterzeichnet wird, das die Frage der Strafbarkeit von Kriegsverbrechen regelt, und wenn die Verantwortlichen vor ein Gericht gestellt werden, das von der Staatengemeinschaft als Strafgericht anerkannt wird.

Die Täter sind auch Opfer

Während ihrer Begegnung mit Richter Onega äußerte die internationale ökumenische Delegation die Befürchtung, dass die Dorfgemeinschaften Rebellen, denen die Kommission Amnestie gewährt habe, ablehnen könnten. Die "Lebendigen Briefe" erkundigten sich auch, wie die Amnestie-Kommission mit Fällen sexueller Gewalt umgeht.

"Die Opfer haben diejenigen, die Amnestie erhalten hatten, wieder in ihre Gemeinschaft aufgenommen. Es hat sich gezeigt, dass die Täter auch Opfer waren. Sie waren entführt und zu den Verbrechen an Mitgliedern ihrer Gemeinschaft gezwungen worden", erklärte Onega.

Die Mehrzahl der kirchlichen Verantwortungsträger, mit denen die Delegation gesprochen hat, gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die fast 2 Millionen Menschen, die durch den Krieg vertrieben worden sind, bis Ende des Jahres in ihre Heimat zurückkehren können. Sie befürchten jedoch auch, dass dieser Prozess gestoppt werden könnte, wenn die Konfliktparteien sich nicht auf ein endgültiges Friedensabkommen einigen.

"Wenn sie das Abkommen nicht unterzeichnen, könnte der Konflikt wieder aufflammen. Das könnte unvorhersehbare Folgen für unser Volk haben", erklärte Onega.


Fredrick Nzwili ist freiberuflicher Journalist aus Kenia. Zurzeit arbeitet er von Nairobi aus als Korrespondent für den Ökumenischen Nachrichtendienst (ENI).

Weitere Informationen über den Besuch der Lebendigen Briefe in Uganda:
http://gewaltueberwinden.org/de/iepc/lebendige-briefe/uganda.html

ÖRK-Mitgliedskirchen in Uganda (auf Englisch):
http://www.oikoumene.org/?id=4652&L=2

Gemeinsamer Christenrat von Uganda (auf Englisch):
http://www.ujcc.org

Die Meinungen, die in ÖRK-Features zum Ausdruck kommen, spiegeln nicht notwendigerweise die Position des ÖRK wider.

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfr. Dr. Samuel Kobia, von der Methodistischen Kirche in Kenia. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Feature vom 4. November 2008
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2008