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AFRIKA/073: "Wir brauchen Hilfe für die Menschen im Südsudan und einen gerechten Frieden" (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - 28. Juli 2016

"Wir brauchen Hilfe für die Menschen im Südsudan und einen gerechten Frieden"

Gespräch mit Fr. James Oyet-Latansio (JOL), Generalsekretär des Christlichen Rates im Südsudan, und Ferdinand von Habsburg-Lothringen (FHL), Berater für Versöhnungsprozesse beim Südsudanesischen Kirchenrat.

Von Robert Bartram


F: Wie ist die Situation zurzeit in Juba?

FHL: Die Waffenruhe wird weitgehend eingehalten. Die Situation ist nicht zu einer umfassenden militärischen Konfrontation eskaliert ... es gibt zwischen den Konfliktparteien zunehmende Spannungen, und es wird über Mobilisierungsmaßnahmen des Militärs berichtet.

F: Haben Sie eine Zunahme der Anzahl der Vertriebenen beobachtet?

FHL: In Juba hat sich die Zahl der Menschen in sicheren Umgebungen für die Zivilbevölkerung (PoCs = Protection of Civilians) von 20.000 auf 45.000 mehr als verdoppelt, das ist ein beträchtlicher Zuwachs. An anderen Orten ist die Zahl unverändert geblieben. Das heißt, dass sich die Situation für die Menschen nicht so entscheidend verbessert hat, dass sie die PoC verlassen könnten.

F: Welche Rolle hat die Kirche hier gespielt? Wie hat sie sich seit Beginn der Krise entwickelt?

FHL: Im vergangenen Jahr haben sich die Kirchenleitenden in Kigali getroffen und ihre Vorstellungen zur Friedensarbeit und für eine langfristige Versöhnung erörtert. Es wurde ein Friedensaktionsplan entwickelt, der aus den folgenden drei wichtigen Säulen besteht. Die erste Säule ist die Advocacy-Arbeit. Sie hat eine regionale Ausrichtung und betrifft in erster Linie die Länder in der Nachbarschaft des Südsudan. Diese Advocacy-Arbeit beinhaltet auch die Kommunikation zwischen dem Volk und der Führungselite in beiden Richtungen. Hier gibt es ein erhebliches Vakuum, das förmlich zu Manipulationen einlädt. Wir müssen den Sprachlosen eine Stimme geben, damit die Öffentlichkeit über das Leiden der Menschen informiert wird. Mit Bischof Enock Tombe sitzt ebenfalls ein Vertreter des Südsudanesischen Kirchenrates in der Gemeinsamen Kommission zur Begleitung und Bewertung (JMEC).

Die zweite Säule bezeichnen wir als "neutrale Foren". Die Menschen haben der Kirche gegenüber immer noch einen erheblichen Respekt, und sie ist glaubwürdiger als jede andere Institution im Land. In den Foren begegnen sich Menschen aus dem Südsudan auf allen Ebenen, sowohl an der Basis als auch auf der Führungsebene von Militär, Politik und Zivilgesellschaft, wobei es keine scharfen Trennungen, sondern mögliche Berührungspunkte zwischen ihnen gibt. In Wau unterstützt der Kirchenrat das zwischenkirchliche Komitee dabei, alle Parteien zusammenzubringen und einen Dialog der wichtigen Persönlichkeiten in Gang zu setzen. Dieser Prozess hat bereits begonnen und ist auf einem guten Weg. Hier in Juba versuchen wir, Fähigkeiten und Selbstvertrauen von Frauen auf politischer und anderer Ebene zu entwickeln und durchzudiskutieren, was in Juba und allgemein im Südsudan geschieht.

Die letzte Säule ist die Versöhnung. Dazu muss zuerst Frieden geschlossen werden. Als langfristiges Ziel muss jedoch die Frage geklärt werden, wie die Parteien friedlich zusammenleben können.

F: Was macht die Kirche aktuell?

FHL: Es gibt ein Programm, die an der Zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung beteiligten Länder anzusprechen und den Standpunkt der Kirchen in der Friedensfrage zu erläutern. Dahinter steht der Gedanke, die Perspektive der Menschen im Südsudan zu vermitteln und den Führungskräften in der Region begreiflich zu machen, um welche tatsächlichen Probleme der Menschen es hier geht. Da ist nicht nur ein politisches, sondern ein humanitäres Thema. Menschen leiden hier auf furchtbarste Weise. In Juba und Wau leben die Menschen im Freien, die Cholera ist auf dem Vormarsch, die Menschen haben keinen Schutz, nur wenig Nahrungsmittel, einige Lagerhäuser des Welternährungsprogramms wurden geplündert. Solche Probleme werden schnell vergessen, weil die Menschen über Machtteilung sprechen.

F: Was unternimmt die Kirche, um in konkreten Notfallsituationen schnell humanitäre Hilfe zu leisten?

JOL: Als der Krieg ausbrach, haben die meisten Menschen Schutz auf Kirchengelände gesucht. Die Kirchen waren jedoch darauf nicht vorbereitet. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat auf unseren Hilferuf direkt reagiert und Grundnahrungsmittel geliefert - Zucker, Mehl, Bohnen und Linsen. Damit können Menschen die ersten Tage überleben. Diese Lebensmittel wurden an die katholische Kirche von St. Joseph für 4 500 Menschen geliefert, weitere 1 500 Hilfebedürftige wurden in der Allerheiligen-Kathedrale versorgt, ebenfalls 6 500 in der katholischen Kathedrale von Juba.

F: Könnten die Regierungen und die Vereinten Nationen mehr unternehmen?

FHL: Für die Kirche ist es wichtig, die Partner auf der humanitären Ebene und im Südsudan einzubinden, denn die Lösung kann nicht sein, sich an die internationale Gemeinschaft zu wenden. Das Problem muss dort vor Ort gelöst werden. Die Advocacy-Arbeit bedeutet, die regionalen Länder für ein weitergehendes Engagement zu gewinnen. Die Kirche spricht mit zahlreichen Interessengruppen dort und nutzt hierzu ihre Netzwerke in Europa, den USA und in anderen Regionen.

F: Welche Botschaft haben Sie abschließend für uns?

JOL: Ich möchte unseren Partnern bei Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) dafür danken, dass sie die Lage im Südsudan thematisiert haben. Ich appelliere mit Hilfe des ÖRK an die internationale Gemeinschaft, damit sie die Menschen im Südsudan unterstützt. Das südsudanesische Volk verdient dieses Leid nicht.

FHL: Die Menschen wollen ein sofortiges Ende dieses Konflikts. Der Sicherheitsaspekt ist wichtig, aber das eigentliche langfristige Problem sind die Ursachen dieses Konfliktes. Sie müssen gelöst werden, wenn es zu einem dauerhaften Frieden kommen soll. Es stehen uns viele Jahre harter Arbeit bevor.


Robert Bartram ist Kommunikationsfachmann mit 20 Jahren Erfahrung bei unterschiedlichen zwischenstaatlichen Organisationen und Medienunternehmen. Er arbeitet in Genf.

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Quelle:
Beitrag vom 27. Juli 2016
Deutsche Fassung veröffentlicht am 28. Juli 2016
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
Internet: http://www.oikoumene.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juli 2016

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