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ASIEN/033: Indien - Christen in Orissa bauen ihr Leben wieder auf (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Pressemitteilung vom 8. Oktober 2009

Christen in Orissa bauen ihr Leben wieder auf

Über ein Jahr nach dem Angriff einer Gruppe hinduistischer Extremisten beginnen die christlichen Bewohner eines Dorfes im ostindischen Bundesstaat Orissa, ihr Leben und ihre Gemeinschaft wiederaufzubauen.


Ein Team der Lebendigen Briefe [1] des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) besuchte kürzlich Kandhamal in Orissa, um den Opfern der Gewalt, die nach der Ermordung des radikalen Hinduführers Swami Laxmanananda Saraswati am 23. August 2008 ausgebrochen war, seine Solidarität zu bekunden.

Das achtköpfige Team von Kirchenvertretern/innen aus aller Welt stattete einem der noch bestehenden Notlager im Gebiet von Kandhamal, das von Christen unterstützt wird, einen Besuch ab. Christliche Panos (Dalits) und Kandho-Stammesangehörigen zeigten den Teammitgliedern ein Stück Land, das kürzlich für den Bau eines neuen Dorfes bereitgestellt wurde.

Lebendige Briefe sind kleine ökumenische Teams, die ein Land besuchen, um den Menschen zuzuhören, aus ihren Erfahrungen zu lernen, miteinander über Konzepte zu diskutieren und zu helfen, Herausforderungen anzugehen, um so Gewalt zu überwinden, Friedensarbeit zu fördern und gemeinsam für den Frieden in der betreffenden Gemeinschaft und in der Welt zu beten.

Die christlichen Dalits und Stammesangehörigen schilderten der Gruppe, wie am Tag nach der Ermordung des radikalen Hinduführers durch Maoisten ein gut organisierter Mob die Gegend in Angst und Schrecken versetzte, ihre Häuser in Brand setzte und ihre Familienangehörigen ermordete. Tausende von Menschen mussten in die Wälder fliehen, bevor sie Zuflucht in Notlagern fanden, die von der Regierung eingerichtet wurden, aber schnell völlig heruntergekommen waren.

"Ich habe meinen Mann bei dem Angriff verloren", erzählte die 50-jährige Lurdu Mary aus Raikia in Kandhamal. "Meine Söhne haben überlebt, aber sie sind nicht mehr bei mir, sie mussten fliehen. Der Mob kam und hat unser Haus zerstört und geplündert."

Die militanten Hindus zerstörten 500 Kirchen, 126 von Christen betriebene Geschäfte und 5000 Häuser. 50 000 Menschen wurden obdachlos. Auch christliche Schulen und Heime wurden angegriffen. Die Menschen flohen in die nahe gelegenen Städte Cuttack, Bhubaneswar, Berhampur und Jharsuguda sowie in die südlichen Staaten Andhra Pradesh, Kerala und Tamil Nadu.

"Wir haben Decken, Saris und Moskitonetze für das benachbarte Notlager bereitgestellt", berichtet Sam Naik, der Direktor des Kinderheims Happy Valley im Distrikt Kandhamal. "Wir haben auch zwei Gesundheitscamps betrieben. Die Menschen im Lager hoffen, dass sie in ihre Dörfer zurückkehren und ihre Häuser wiederaufbauen können, sobald die Regierung ihnen eine Entschädigung gezahlt hat. Sie haben einen sehr starken Glauben und halten weiterhin Gottesdienste ab."

Einige der Heimatlosen erzählten dem Team der Lebendigen Briefe, sie hätten mit dem Wiederaufbau ihrer Häuser begonnen, aber aus Angst vor weiteren Angriffen wagten sie es nicht, wieder fest in ihren Dörfern zu leben. Den Flüchtlingen war gesagt worden, die Extremisten würden sie nur in ihre Dörfer zurückkehren lassen, wenn sie ihren christlichen Glauben aufgäben.

Kirchen helfen beim Wiederaufbau

"Viele Gruppen und auch die Regierung haben nach der Krise ihre Hilfe angeboten, aber ich glaube, die Kirchen haben mit am meisten getan", sagte Rama Hansraj von Catholic Relief Services. "Im Distrikt ist viel getan worden, um es den Opfern zu ermöglichen, nach Hause zurückzukehren."

Das Team der Lebendigen Briefe stattete auch dem Vereinigten Christlichen Orissa-Forum in der Stewart-Schule in Bhubaneswar und dem Utkal-Christenrat in Berhampur einen Besuch ab.

"Mit Gottes Hilfe beruhigt sich die Situation in Kandhamal und die Arbeit macht Fortschritte", berichtete Bischof Samson Das von der Diözese Cuttack. "Die Behörden bekommen die Lage langsam wieder in den Griff. Aber es gibt immer noch Dörfer, in denen noch kein Friede und keine Harmonie eingekehrt sind."

Die Kosten für den Wiederaufbau eines zerstörten Hauses belaufen sich auf schätzungsweise 82 000 Rupien. Obwohl die indische Regierung sich zur Zahlung von 50 000 Rupien für jedes zerstörte Haus und 20 000 Rupien für teilweise zerstörte Häuser verpflichtet hat, haben nach Informationen des Forums nicht alle Opfer das ihnen rechtlich zustehende Geld erhalten.

Das Vereinigte Christliche Orissa-Forum hat versprochen, weitere 30 000 Rupien für jedes zerstörte Haus zur Verfügung zu stellen. Mitglieder des Forums berichteten, 300 Häuser seien bereits mit kirchlicher Hilfe wiederaufgebaut worden.

Pater Manoj Kumar Nayak von der Erzdiözese Bhubaneswar erzählte, in jedem Dorf sei ein Komitee eingerichtet worden, das sicherstellen soll, dass die Wiederaufbauarbeit tatsächlich abgeschlossen wird. Pater Ajaya Kumar Singh vom Kandhamal-Hilfsprogramm erklärte, es würden auch rechtliche Schritte unternommen, um den Opfern vor Gericht zu ihrem Recht zu verhelfen und für den Schutz der Zeugen zu sorgen.

Bischof Das fügte hinzu: "Bisher haben wir uns zur Zahlung von 30 000 Rupien für den Wiederaufbau von 3000 Häusern verpflichtet. In den nächsten Tagen werden wir ebenfalls Mittel für die restlichen 2000 Häuser zusagen können. Der rechtliche Aspekt stellt für uns eine Riesenherausforderung dar."

Ökumenische Organisationen und NGOs haben ebenfalls Gemeinschaftsprojekte initiiert, die einen Beitrag zur Förderung freundschaftlicher Beziehungen zwischen Hindus und Christen in Kandhamal leisten sollen. Christliche und hinduistische Kinder haben in einigen Dörfern bereits wieder angefangen, miteinander zu spielen.

Mitglieder des Teams der Lebendigen Briefe:
- Karen Burke, Medienbeauftragte, Methodistische Kirche
   [Großbritannien]
- Bischof Dr. G. Dyvasirvadam, Kirche von Südindien
- Diana Fernandes dos Santos, Methodistische Kirche von Brasilien,
   Vorsitzende der ÖRK-Jugendkommission Echos
- Pfarrer Edwin Makue, Generalsekretär, Südafrikanischer Rat der Kirchen
- Pfarrer Gerard Willemsen, Regionaldirektor für Asien,
   Schwedischer Missionsverband

ÖRK- und NCC-Mitarbeiter:
- Pfarrer Rajbharat Patta, Nationaler Kirchenrat von Indien
- Pfarrer Dr. Deenabandhu Manchala, ÖRK-Programmreferent für
   gerechte und integrative Gemeinschaften
- Mark Taylor, Praktikant, Programm "Der ÖRK und die ökumenische Bewegung im 21. Jahrhundert"

Besuch der Lebendigen Briefe in Indien:
http://gewaltueberwinden.org/de/konvokation/lebendige-briefe/indien.h tml

ÖRK-Mitgliedskirchen in Indien:
http://www.oikoumene.org/de/mitgliedskirchen/regionen/asien/indien.ht ml

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfr. Dr. Samuel Kobia, von der Methodistischen Kirche in Kenia. Hauptsitz: Genf, Schweiz.

[1] http://gewaltueberwinden.org/de/konvokation/lebendige-briefe.html


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Quelle:
Pressemitteilung vom 8. Oktober 2009
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2009