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ASIEN/035: Diskriminierung und Gewalt trotz frauenfreundlicher Gesetze in Indien (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Pressemitteilung vom 20. Oktober 2009

Diskriminierung und Gewalt trotz frauenfreundlicher Gesetze in Indien

Gesetze, die Frauen in Indien fördern und schützen sollen, greifen nicht und die Regierung unterlässt es, auf ihre Anwendung zu drängen - sagen Aktivistinnen.


Verantwortliche bekannter indischer Frauenorganisationen sind mit einem im Auftrag des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) reisenden christlichen ökumenischen Team zusammengetroffen, um die internationale Gemeinschaft auf die Gewalt gegen Frauen in ihrem Land und auf Gesetze, die Frauen schützen sollen, aber nicht greifen, aufmerksam zu machen.

Das ÖRK-Team der Lebendigen Briefe [1] besuchte Indien im Rahmen der ÖRK-Dekade zur Überwindung von Gewalt, die ihren Abschluss 2011 mit der Internationalen ökumenischen Friedenskonvokation [2] findet. Dem Team wurde von Gewalt gegen Frauen, Dalits wie Christinnen, berichtet.

"Letztes Jahr haben die Mitgiftmorde zugenommen", sagte Premindha Bannerjee vom Christlichen Verband junger Frauen am Internationalen Gebetstag für den Frieden (21. September) im Zentrum für Integration und Gleichberechtigung in Neu-Delhi.

"Wir rätseln noch immer darüber, welches die wahren Gründe für die Mitgiftmorde sind", erklärte Bannerjee. "Die Gesetze gegen Mitgiftmorde waren in den 1980er und 1990er Jahren erfolgreich, doch nach einer Reihe von Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof griffen sie dann nicht mehr. Es gibt ungefähr 45 äußerst frauenfreundliche Gesetze in Indien, aber ihre Anwendung ist schwierig. Wir müssen uns auf die Anwendungstechniken konzentrieren."

Bulu Sarin von Christian Aid sagte, dass sich das Aufkommen von Gewalt gegen Frauen in Indien von physischer Gewalt auf seelische und psychische Gewalt ausgedehnt habe. Frauen, die psychisch schikaniert werden, können nun rechtliche Schritte dagegen unternehmen. Das Gesetz zur Verhütung häuslicher Gewalt ist seit 2005 in Kraft. Allerdings werden nur wenige Täter strafrechtlich belangt, weil die Frauen sich verständnislosen Polizeibeamten und Richtern gegenübersehen.

Vergewaltigung, sexuelle Belästigung, Tötung weiblicher Kinder sowie eine Zunahme von Säureattacken auf Frauen sind weitere dringende Probleme, mit denen die Frauen in Indien konfrontiert sind. Die Aktivistinnen verwiesen auch auf die sekundäre Rolle, die von den Frauen in der Kirche erwartet wird, und fügten hinzu, dass noch viel geschehen müsse, um die geschlechtliche Unausgewogenheit in der Kirchenleitung zu korrigieren. Und trotz der Maßnahmen zur Stärkung der Schulausbildung von Mädchen sowie angesichts der Tatsache, dass es an indischen Hochschulen mehr Studentinnen als Studenten gibt, werden Frauen nicht ermutigt zu arbeiten, wenn sie erst einmal verheiratet sind.

"Gebildete Frauen aus der Mittelschicht kommen zu uns, deren Ehemänner nicht wollen, dass ihre Frauen nach der Hochzeit arbeiten", sagte Bannerjee. "Der Ehemann erklärt, 'Ich gebe dir Kleidung und Autos und deshalb brauchst du nicht zu arbeiten.' Auch die Beamten verstehen die seelische Not dieser Frauen nicht. Sie sagen zu ihnen, 'Warum tragen Sie keinen Sari und wollen keine gute Ehefrau sein. Wenn er nicht will, dass Sie Jeans tragen, dann tragen Sie eben keine.'"

Annie Raja, Generalsekretärin des Nationalen Bundes indischer Frauen, berichtete, die Frauenbewegung kämpfe darum, dass mindestens 33% der Parlamentssitze für Frauen reserviert würden. "Für Männer und Frauen gilt dasselbe Wahlrecht", sagte sie zu dem Team der Lebendigen Briefe. "Wenn man sich aber die Zahl der Frauen im Parlament ansieht, so stellen sie nach 62 Jahren Unabhängigkeit allenfalls 10% dar."

In den letzten zehn Jahren hat sich die Frauenbewegung häufiger zu dem Problem der Gewalt gegen Dalit-Frauen zu Wort gemeldet - der Ausgestoßenen, die als "Unberührbare" bekannt sind. Raja erklärte, dass die Universitäten zwar gesetzlich verpflichtet seien, 27% der Plätze für Angehörige amtlich als besonders förderungswürdig eingetragener Kasten zu reservieren, das Gesetz jedoch selten Anwendung finde.

"Indian Christian leaders call for an end to caste-based discrimination, also within churches":
http://www.oikoumene.org/en/news/news-management/eng/a/article/1634/indian-christian-leaders.html

"Christen in Orissa bauen ihr Leben wieder auf":
http://www.oikoumene.org/de/nachrichten/news-management/a/ger/article/1634/christen-in-orissa-bauen.html

Besuch der Lebendigen Briefe in Indien:
http://gewaltueberwinden.org/de/konvokation/lebendige-briefe/indien.html

ÖRK-Programm in Solidarität mit Dalits für Gerechtigkeit und Würde:
http://www.oikoumene.org/?id=3249&L=2

ÖRK-Mitgliedskirchen in Indien:
http://www.oikoumene.org/de/mitgliedskirchen/regionen/asien/indien.html

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfr. Dr. Samuel Kobia, von der Methodistischen Kirche in Kenia. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 20. Oktober 2009
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2009