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BERICHT/224: Gott in vielen Namen (welt der frau)


welt der frau 1/2007 - Die österreichische Frauenzeitschrift


Gott in vielen Namen
Die "Bibel in gerechter Sprache" will neue Zugänge zu alten Texten öffnen.

Von Eleonore Bayer

Sprache bewirkt Veränderung

Dr.in Ursula Rapp ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Bibelwissenschaften der KTU Linz und hat für die "Bibel in gerechter Sprache" die Bücher Esra, Nehemia und Obadja übersetzt.

"Die Bibel in gerechter Sprache wird etwas für Frauen in der Kirche verändern, jedenfalls dort, wo sie gelesen wird. Denn Sprache kann Wirklichkeit verändern, indem sie noch nie Gehörtes ausspricht und darin, wie sie es sagt. In der Arbeit mit den Texten der Bibel in gerechter Sprache merke ich, dass sich Frauen mehr angesprochen und einbezogen fühlen, weil sie ihre eigenen Erfahrungen stimmiger mit den biblischen Geschichten verbinden können. Das verändert politisch im 'Feinstofflichen', Kleinen, aber dort wird ja bekanntlich begonnen mit der Veränderung."


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Die Bibel ist kein Museumsstück, sondern ein Buch des Lebens, das sich immer wieder den Herausforderungen der Zeit und den Veränderungen des theologischen Denkens stellen muss. Deshalb gibt es weltweit Tausende Übersetzungen und immer wieder Neuerscheinungen. Bei der Frankfurter Buchmesse wurde 2006 die "Bibel in gerechter Sprache" präsentiert. Sie ist das Ergebnis eines fünfjährigen ökumenischen Basisprojekts, eine von 42 Theologinnen und zehn Theologen ehrenamtlich erstellte Übersetzung des Alten und Neuen Testaments aus hebräischen und griechischen Quelltexten. Sie berücksichtigt feministische und befreiungstheologische Aspekte genauso wie Diskussionen um den christlichen Antijudaismus. So wird beim Lesen dieser Bibel nach dem Wunsch der HerausgeberInnen "Fremdes vertraut und Vertrautes herausfordernd fremd".

Adonaj und du

Schon die Vielfalt an bisher unüblichen Gottesbezeichnungen überrascht, irritiert und provoziert. Hanne Köhler, evangelische Pfarrerin und Koordinatorin des Projektes, betont, dass der Eigenname Gottes eigentlich nicht übersetzbar sei. Denn schon im Alten Testament wird er mit den vier Konsonanten j-h-w-h, dem sogenannten Tetragramm, zwar geschrieben, aber nicht ausgesprochen. Um den Gottesnamen zu heiligen, wird etwas anderes gelesen, wie zum Beispiel "Adonaj". Dieses Wort wird in vielen Übersetzungen mit "Herr" wiedergegeben. "Das Wort ist aber eine Gott allein vorbehaltene Herrschaftsbezeichnung und gerade nicht - wie Herr im Deutschen - eine höfliche Anrede für jeden Mann", erklärt Hanne Köhler. In der "Bibel in gerechter Sprache" werden deshalb Lesevarianten des Gottesnamens vorgeschlagen. Da gibt es "Gott", häufig aber auch die auf den Deutschen Evangelischen Kirchentagen bereits eingeübte Bezeichnung "Adonaj" und den in indischen Übersetzungen gebräuchlichen Ausdruck "der Ewige". Da die ÜbersetzerInnen auch Geschlechtergerechtigkeit anstreben, wird genauso die weibliche Form "die Ewige" oder "die Heilige" gebraucht. Aber auch "der Name", "der Lebendige", "DU" oder "Ich bin da" werden als Gottesbezeichnungen verwendet.

Geschwister statt Brüder.

Alle Stellen, an denen in der Bibel der Eigenname Gottes gemeint ist, sind deutlich hervorgehoben. So sollen die LeserInnen animiert werden, entweder nun der im Text vorgeschlagenen Wiedergabe des Gottesnamens zu folgen oder eine der Möglichkeiten zu wählen, die oberhalb des Textes stehen.

Neben der Vielfalt möglicher Gottesnamen wird auch die Präsenz der Frauen sichtbar gemacht. So finden sich Apostelinnen, Diakoninnen, Jüngerinnen, Prophetinnen und Pharisäerinnen. Die Anrede "Brüder" wird immer mit "Geschwister" übersetzt.

Die "Bibel in gerechter Sprache" wurde vor ihrer Veröffentlichung in mehr als 300 Gruppen für die Praxis erprobt. 1.200 Personen, Gruppen und kirchliche Institutionen - wie zum Beispiel die Katholische Frauenbewegung Österreichs, die Frauenkommission der Diözese Linz, der Bischof der Altkatholischen Kirche Österreichs, Bernhard Heitz, oder die "Wir sind Kirche"-Bewegung - spendeten insgesamt 400.000 Euro zur Finanzierung dieses Projektes.

"Bibel in gerechter Sprache",
hrsg. Ulrike Bail, Frank und Marlene Crüsemann,
Erhard Domay, Jürgen Ebach, Claudia Janssen,
Hanne Köhler, Helga Kuhlmann, Martin Leutzsch,
Luise Schottroff,
Gütersloher Verlagshaus,
2.400 Seiten, Dünndruck, 25,60 Euro


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Quelle:
welt der frau - Die österreichische Frauenzeitschrift,
Ausgabe 1/2007, Seite 14
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
Herausgeberin: Katholische Frauenbewegung Österreichs
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den 11. Januar 2007