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BERICHT/225: Besuch Benedikts XVI. in der Türkei (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion 1/2007

Brückenbau zwischen Orient und Okzident
Der Besuch Benedikts XVI. in der Türkei

Von Matthias Kopp


Keine Reise im bisherigen Pontifikat Benedikts XVI. erschien im Vorfeld so problematisch wie der Besuch in der Türkei Ende November 2006. Dem Papst gelang es, durch seine Aussagen und mehr noch durch seine Gesten das Verhältnis zum Islam zu entkrampfen, gleichzeitig bekannte er sich zur Fortsetzung des Dialogs mit den orthodoxen Kirchen mit dem Ziel der vollen Gemeinschaft.


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"Stärke deine Brüder" (Lk 22,32) hätte das Motto der Papstreise in die Türkei heißen können. Der hochpolitische, sicherheitstechnisch heikle, interreligiös bedeutsame und die christlichen Gemeinden, vor allem die Ökumene, in jeder Hinsicht stärkende Besuch, besaß verschiedene in der türkischen und der Weltpresse vermittelte Superlative.

Trotz der schwierigen Ausgangslage dieser vierten Reise von Benedikt XVI. wurden weder der Vatikan noch der Papst müde, den eigentlichen Anlass der Reise zu unterstreichen: Kurienkardinal Walter Kasper gab sich schon vor Beginn optimistisch, dass der ökumenische Dialog gelingen werde: "Die Konflikte in der globalisierten Welt zwingen die Christen, zusammenzurücken (...) das Zusammenrücken der Kirchen des Ostens und des Westens kann außerdem die Integration von Ost- und Westeuropa fördern."

Benedikt XVI. selbst unterstrich den ökumenischen Charakter der Reise gegenüber Journalisten auf dem Flug von Rom nach Ankara: "Es zählen nicht Ziffern und Quantität. Es ist das symbolische Gewicht, das zählt - historisch und spirituell. Es ist das Treffen mit dem Patriarchen von Konstantinopel, ein Treffen der Kirche des Apostels Andreas mit seinem Bruder Petrus. Es ist ein Treffen von großer Qualität zwischen den beiden geschwisterlichen Kirchen von Rom und Konstantinopel, und deshalb ist es auch ein wichtiger Moment in der Suche nach der Einheit der Christen."

Benedikt XVI. demonstrierte in der Türkei eindrucksvoll, wie sehr er sich im ökumenischen Dialog seinen Vorgängern verpflichtet fühlt. Schon früh war in der vatikanischen Reiseplanung eine Begegnung mit den Vertretern von griechischer Orthodoxie, der syrisch-orthodoxen Kirche, den Armeniern und den Katholiken vorgesehen gewesen. Vor allem mit seinem zweifachen Besuch beim Ehrenoberhaupt der Welt-Orthodoxie, Patriarch Bartholomaios I., setzte der Papst ein Zeichen der unverbrüchlichen Freundschaft zwischen Ost und West. Beide Kirchenführer wurden nicht müde, an die denkwürdigen Begegnungen der Vergangenheit zu erinnern, als Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras am 5. Januar 1964 in Jerusalem den Friedensgruß austauschten - und damit die beiden Schwesterkirchen nach dem Jahr 1054 erstmals wieder zusammentrafen.


Dem ökumenischen Dialog verpflichtet

Am 7. Dezember 1965 folgte die gegenseitige Aufhebung der Exkommunikation, am 25. und 26. Juli 1967 reiste Paul VI., vom 28. bis 30. November 1979 Johannes Paul II. in die Türkei. "Im selben Geist soll meine Anwesenheit heute unsere Verpflichtung erneuern, auf dem Weg der Wiederherstellung - durch Gottes Gnade - der vollen Einheit zwischen der Kirche von Rom und Konstantinopel voranzuschreiten. Ich kann Ihnen versichern, dass die katholische Kirche gewillt ist, alles zu tun, um die Hindernisse zu überwinden und zu diesem Zweck gemeinsam mit unseren orthodoxen Brüdern und Schwestern nach immer wirksameren Mitteln der pastoralen Zusammenarbeit zu suchen", betonte Benedikt XVI.

Vor allem hatte er den Mut, in der Türkei die Frage aller Fragen erneut aufzuwerfen, die bereits Johannes Paul II. ins Gespräch gebracht hatte: "Das Thema des universalen Dienstes Petri und seiner Nachfolger hat unglücklicherweise unsere Meinungsverschiedenheiten hervorgerufen, die wir zu überwinden hoffen." Johannes Paul II. habe von der Barmherzigkeit als Merkmal des petrinischen Dienstes gesprochen, so Benedikt XVI. Auf dieser Grundlage müsse man in einen Dialog treten, "mit dem Ziel, Wege zu finden, wie das Petrusamt - unter Wahrung seiner Natur und seines Wesens - heute ausgeübt werden könnte".

Das sah auch Bartholomaios so, der die Göttliche Liturgie als "eine Erinnerung an Vergangenes und eine Erwartung des Reiches" bezeichnete. Denn genau darum ging es: Die Geschichte sollte ebenso aufgearbeitet, wie Zukunftsperspektiven geschaffen werden. Vielleicht war deshalb der Besuch des Papstes in der Hagia Sophia, also jenem Ort, an dem die Exkommunikation von 1054 Wirklichkeit wurde, mehr als die Visite in einem Museum, sondern ein Gang der Versöhnung an historischer Stätte.

Neben der theologischen Dimension legte Benedikt XVI. am Sitz des Patriarchen einen Schwerpunkt auf die notwendige Erinnerung an die europäischen Kulturen, "die seit langem in der christlichen Tradition verwurzelt sind. Der Säkularisierungsprozess hat den Halt jener Tradition geschwächt; ja, sie wird in Frage gestellt und sogar verworfen. Angesichts dieser Wirklichkeit sind wir zusammen mit allen anderen christlichen Gemeinschaften dazu gerufen, das Bewusstsein Europas hinsichtlich seiner christlichen Wurzeln, Traditionen und Werte zu erneuern, indem wir ihnen wieder neue Lebenskraft verleihen."

Insgesamt hat sich der Papst an die Diktion seiner Vorgänger gehalten, aber die Verpflichtung zur gemeinsamen Arbeit ist von ihm doch deutlicher artikuliert worden: "Unsere Bemühungen, engere Bande zwischen der katholischen und orthodoxen Kirche zu knüpfen, sind Teil einer missionarischen Aufgabe. Die Spaltungen, die unter den Christen existieren, sind ein Ärgernis für die Welt und ein Hindernis für die Verkündigung des Evangeliums."


Die Christen in der Türkei stärken

Patriarch Bartholomaios unterstrich diese Auffassung und fügte hinzu: "Wir bekennen in Trauer, dass wir noch nicht imstande sind, die heiligen Sakramente gemeinsam zu feiern. Deshalb beten wir darum, dass der Tag kommen möge, an dem die Gemeinschaft vollkommen wiederhergestellt sein wird." Dazu habe es bedeutende Schritte in der Vergangenheit gegeben, vor allem, als Johannes Paul II. am 27. November 2004 wichtige Reliquien oströmischer Heiliger und Gelehrter der Orthodoxie an das Patriarchat zurückgab, wie Bartholomaios eigens erwähnte.

Die einzelnen Passagen der Predigttexte von Papst und Patriarch fanden Eingang in jene gemeinsame Erklärung, die beide am orthodoxen Andreasfest feierlich unterzeichneten. Zum Abschluss der ökumenischen Impulse rief Benedikt XVI. anschließend noch ein Wort in Erinnerung, von dem so viel in der Türkei abhängt: die Religionsfreiheit als grundlegendes Menschenrecht. Als sichtbares Zeichen einer gelebten Religionsfreiheit traf der Papst daraufhin mit dem Patriarchen der armenischen Kirche, Mesrob Mutafian II., zusammen und erinnerte bei dieser Gelegenheit an das Zeugnis des armenischen Volkes, "das von einer Generation an die nächste weitergegeben wurde, oft unter tragischen Umständen vor allem mit den Erfahrungen des letzten Jahrhunderts".

Neben dieser ökumenischen Dimension war es der vorrangige Wunsch des Papstes, die Christengemeinden im türkischen Staat zu stärken. Dazu dienten die Gottesdienste in Ephesus und Istanbul gleichermaßen, insbesondere auch die Begegnungen mit Bartholomaios I., der so vom Gast aus Rom in eindrucksvoller Weise gegenüber der Regierung in Ankara gestützt wurde.


Verbriefte Grundrechte der Glaubens- und Religionsfreiheit

Gleich zu Beginn der Reise hatte Benedikt XVI. vor dem Diplomatischen Korps erklärt, dass die Kirche hoffe, auch künftig von den in der Türkei verbriefen Grundrechten der Glaubens- und Religionsfreiheit kontinuierlich zu profitieren: "Die Türkei war schon immer eine Brücke zwischen Ost und West, zwischen Asien und Europa, eine Kreuzung von Kulturen und Religionen (...) Die Tatsache, dass die Mehrheit in diesem Land Muslime sind, ist ein offensichtliches Element im Leben der Gesellschaft, auf das der Staat nicht verzichten kann, wobei die türkische Verfassung das Recht jeden Bürgers auf Glaubens- und Gewissensfreiheit anerkennt. Die zivilen Autoritäten eines jeden demokratischen Landes haben die Verpflichtung, diese tatsächliche Freiheit für alle Gläubigen zu garantieren und zu erlauben, das Leben der religiösen Gemeinschaften sich frei organisieren zu lassen (...) Ich bin der festen Überzeugung, dass Religionsfreiheit der fundamentale Ausdruck der menschlichen Freiheit ist (...) Deshalb seien Sie gewiss: Die katholische Kirche ist klein an Zahl, aber zutiefst in diesem Land verwurzelt, um an dessen Entwicklung - insbesondere der Erziehung junger Menschen und beim Aufbau von Frieden und Harmonie zwischen den Bürgern - mitzuwirken."

Es war klar in Ankara und Istanbul, dass der Papst die Kirche als Partner im Aufbau des Staates sieht. Einmal mehr stellt sich die Frage, ob der türkische Staat diese ausgestreckte Hand auch annimmt. Denn es war der Wunsch des Papstes, deutlich zu machen, dass "unsere Welt realisieren muss, dass alle Menschen untereinander durch eine grundlegende Solidarität miteinander verbunden sind. Dabei müssen sie ermutigt werden, ihre historischen und kulturellen Unterschiede nicht als Anlass für Konfrontation, sondern als Grundlage für gegenseitigem Respekt zu verstehen."

Deshalb kommt der Nuntiatur in Ankara nach dieser Reise eine besondere Aufgabe zu, weil es darum gehen wird, den Worten des Papstes nun auch konkrete Taten in der türkischen Regierung abzugewinnen. Möglicherweise wird dabei die Nuntiatur, stärker als bisher, zu einem Instrument ökumenischer Politik, denn die christlichen Gemeinschaften erhoffen sich durch die Stärkung von Papst und Vatikan, dass diese nun auch gegenüber der Regierung in Ankara für sie mitsprechen.

Der Herausforderungen sind viele, denn die Realität für die türkischen Christen ist weit schwieriger, als sie auf den ersten Blick aussehen mag. Um so bedeutender war der Besuch des Papstes, um an verschiedenen Stellen auf die urchristliche Tradition der Türkei zu erinnern: "Viele der frühen Gemeinden der Kirche sind hier gegründet worden und zur Reife gelangt, inspiriert von der Verkündigung der Apostel", sagte Benedikt XVI. Die Rechtsgrundlage für die Existenz der Christen wurde 1923 im Vertrag von Lausanne festgeschrieben, nach dem dieser Juden, Griechen und Armenier schützt. Das hat zur Folge, dass zwar mit der Verfassung von 1982 und der Verfassungsänderung 2004 auch andere christliche Gemeinschaften existieren dürfen, sie unterliegen jedoch nicht dem Schutzrecht von 1923.

Umgekehrt formuliert heißt das: Kirchliches Leben ist nur dort "legitim", soweit es sich in Gebäuden, Administrationen und Strukturen vollzieht, die bereits 1923 bestanden. Die nicht unter den Vertrag von Lausanne fallenden Glaubensgemeinschaften - insbesondere Katholiken, Protestanten und Syrisch-Orthodoxe - haben es noch schwerer. Zwar wird in der Verfassung das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit gewahrt, jedoch konzentriert sich die türkische Interpretation hier ausschließlich auf Individualrechte und nicht das für das Überleben so notwendige kollektive Recht. Dies wiederum bedeutet, dass die Kirchen nach 1923 kein Eigentum erwerben dürfen.

Um diesen Missständen entgegenzutreten, hat das vatikanische Staatssekretariat bereits am 5. Juli 2002 ein Memorandum über "Die Situation der Katholischen Kirche in der Türkei" verfasst, das den Botschaftern in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Verfügung gestellt wurde. Der juristische Zustand habe zur Folge, dass die Diözesen, Pfarreien und religiösen Institute der katholischen Kirche sich keiner rechtlichen Anerkennung durch den Staat erfreuen können und dass damit die Verantwortlichen - Bischöfe, Pfarrer, Obere - und ihr religiöses Personal nicht als Religionsdiener im Sinne des türkischen Staates anerkannt werden. Außerdem, so der Vatikan, können die nicht anerkannten Minderheiten keine Gebetsräume errichten, "keine konfessionellen Schulen und keine Seminare für die Ausbildung ihres Klerus eröffnen; das ausländische religiöse Personal ist einem speziellen Verfahren hinsichtlich der Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen unterworfen, die auf ein Jahr beschränkt sind", heißt es in dem Papier.

Das Staatssekretariat verfasste am 21. September 2002 ein weiteres Memorandum und bat vor dem schwierigen juristischen Hintergrund die Europäische Union: "Es erscheint außerordentlich wünschenswert, dass diese Nation, die sich in ein Europa integrieren will, das die kulturelle und religiöse Vielfalt achtet, mit Nachdruck dazu eingeladen wird, ihre Rechtsformen dadurch zu vollenden, dass sie alle religiösen Minderheiten, die auf ihrem Boden vertreten sind, ausdrücklich anerkennt und ihnen den Rechtsstatus zuerkennt, den sie legitimerweise beanspruchen können."


Das Klima zwischen Christen und Muslimen entkrampft

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass sich die christlichen Gemeinden nach aller Euphorie während der Papstreise jetzt darum sorgen, wie es weitergeht. Anonyme Stimmen äußern bereits die Sorge, dass die Beobachtung durch den türkischen Staat möglicherweise vergrößert werden könne, andere setzen auf die Einsicht der Regierung. Alle sind sich jedoch einig, dass der Besuch vor allem zu einem entkrampfteren Klima zwischen Christen und Muslimen beigetragen habe.

Hier ging es Benedikt XVI. vor allem darum, in Kontinuität zu seinen Vorgängern festzuhalten, dass die katholische Kirche unwiderruflich zum Dialog mit dem Islam verpflichtet ist. Deshalb wird man die Begegnungen mit den muslimischen Vertretern in der Türkei auch nicht als Wiedergutmachung oder Korrektur oder Entschuldigung zur Regensburger Rede sehen können, sondern als logische Fortsetzung jener Vorlesung und der zuvor vom Papst getätigten Äußerungen mit Blick auf den Islam: sei es zu Pontifikatsbeginn, sei es während des XX. Weltjugendtags 2005 in Köln.

Entscheidend für diesen Fortschritt war ohne Zweifel die Begegnung mit dem Präsidenten der türkischen Religionsbehörde, Ali Bardakoglu. Jener hatte - reichlich unreflektiert und polemisch - die Regensburger Rede nicht gelesen, sondern nur das umstrittene Zitat des Papstes aufgenommen, mit dem er Benedikt XVI. als neuen Kreuzfahrer zu stilisieren versuchte. Die angespannte Situation war bei der Begegnung zwischen Papst und Religionschef spürbar. Benedikt XVI. wurde von Bardakoglu ausschließlich vor der türkischen Fahne empfangen - ein Detail, das weniger eine Nebensache als vielmehr Ausdruck des Selbstbewusstseins der türkischen Religionsbehörde war.

Der Papst wusste, wie viel bei diesem Treffen auf dem Spiel stand, und er gewann: "Ich bin dankbar für die Gelegenheit, dieses an Geschichte und Kultur so reiche Land zu besuchen (...) Bei meinem Gruß hatte ich die Freude, meinen tiefen Respekt für alle Einwohner dieser großen Nation zum Ausdruck zu bringen ... jetzt freue ich mich, Ihnen, dem Präsidenten des Amtes für religiöse Angelegenheiten, zu begegnen. Ich bringe Ihnen in Anerkennung Ihrer großen Verantwortung meine Hochachtung zum Ausdruck." Die Türkei, reich an christlichem Erbe, habe "in den verschiedensten Bereichen eine beachtliche Blüte der islamischen Zivilisation erlebt".


Der Kirche ist der Dialog mit den anderen Religionen aufgegeben

Dieses Erbe sei ein Auftrag, vor allem "unseren Dialog als einen aufrichtigen Austausch zwischen Freunden fortzusetzen (...) Christen und Muslime folgen ihrer jeweiligen Religion und machen so auf die Wahrheit des sakralen Charakters und der Würde des Menschen aufmerksam. Das ist die Grundlage für unsere gegenseitige Achtung und Wertschätzung, das ist die Grundlage für die Zusammenarbeit im Dienst des Friedens zwischen Nationen und Völkern, die tiefste Sehnsucht aller Gläubigen und aller Menschen guten Willens."

Mit Blick auf die Verpflichtungen des Zweiten Vatikanischen Konzils könne die Kirche gar nicht anders, als im Dialog mit den anderen Religionen zu sprechen. "Vor allem können wir eine glaubwürdige Antwort bieten auf die Frage, die deutlich aus der modernen Gesellschaft hervorgeht, auch wenn man sie oft verdrängt. Es geht um die Frage nach dem Sinn und Ziel für jedes Individuum und für die Menschheit als Ganze. Wir sind zur Zusammenarbeit aufgerufen, um so der Gesellschaft zu helfen, sich dem Transzendenten zu öffnen und Gott, dem Allmächtigen, den ihm zustehenden Platz einzuräumen."

Der beste Weg, um vorwärts zu kommen, führe über einen authentischen Dialog zwischen Christen und Muslimen, der in der Wahrheit gründe und von der aufrichtigen Sehnsucht inspiriert sei, einander besser kennen zu lernen im Respekt der Unterschiede und in Anerkennung dessen, was uns gemeinsam ist: "Dies wird uns gleichzeitig zu einem authentischen Respekt vor den verantwortlichen Entscheidungen jeder Person führen, besonders der Entscheidungen, die die Grundwerte und die persönlichen religiösen Überzeugungen betreffen."


Das Zeugnis der Verbundenheit ist gelungen

Ali Bardakoglu hat die Worte aufmerksam registriert und - wie er später vor der Presse erklärte - verstanden, dass es dem Papst um Freundschaft und jede Überwindung von Feindschaft und Vorurteilen ging. Bemerkenswert war in Bardakoglus Ansprache die Aufforderung an den Islam, sich eines Dialogs mit dem Christentum nicht zu verwehren: "Die Grundlagen des Islam basieren in Theorie und Praxis auf dem Verstand. Im Islam sind der Glaube an Gott und die Beziehung des Einzelnen zu Gott die Basis für Vernunft und Bekenntnisfreiheit. Deshalb wollen wir eine Verbindung, die auf den gegenseitigem Respekt und auf Toleranz aufbaut."

Hier erreichte Bardakoglu jenen tiefen Wunsch Benedikts XVI., der zeit seines Lebens das theologische Denken prägte: die Versöhnung von Glaube und Vernunft. Dass die islamische Seite eine solche Offerte machte, wird die Theologie der katholischen Seite herausfordern, um hier adäquate Antworten zu entwickeln.

Der Papst kam als Pilger und Pastor, am Ende hatte er eine hochpolitische Reise mit wesentlichen interreligiösen Elementen zu einer erfolgreichen ökumenischen Visite umgesetzt. Die Botschaft von Istanbul war klar: Neben der ökumenischen Dimension, im theologischen Diskurs zur Einheit zu finden, wird künftig weiter die Einheit der Kirchen im Alltag des türkischen Staates gelebt werden. Er sei gekommen, so der Papst, mit der gesamten Weltkirche die Verbundenheit zur kleinen christlichen Kommunität in der Türkei zu bezeugen. Dieses Zeugnis ist gelungen. Wenn die Christen in der Türkei nun fragen, wie es weitergeht, kommt jenes Wort aus dem Markusevangelium in den Sinn, das die Herzen der Menschen zwischen Ost und West, zwischen Asien und Europa bewegt: "Fürchtet euch nicht!" (Mk 6,50)


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Matthias Kopp ist Theologe und Archäologe und kennt den Nahen Osten durch zahlreiche Reisen. Er war im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz als Referent für Presse- und Verlagswesen tätig sowie Pressesprecher des Weltjugendtags 2005 in Köln.


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Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
61. Jahrgang, Heft 1, Januar 2007, S. 11-14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2007