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BERICHT/254: Die Weisheit der Gärten (Bibel heute)


Bibel heute
Zeitschrift des Katholischen Bibelwerks e.V. Stuttgart - Heft 2/2008

Tempelgärten

Von Dr. Bettina Eltrop


Kulturgeschichtlich waren Bäume und Baumhaine die ersten Kultplätze und "Tempel der Götter". In der griechischen Mythologie z.B. sind den Göttern verschiedene Bäume zugeordnet, die ihrerseits wiederum unter dem Schutz der acht Baumnymphen standen.


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Auch im kanaanäischen Kult gab es - oft auf Berghöhen - heilige Stätten unter mächtigen alten Bäumen, die wie ein Park vorzustellen sind. Im Schatten der Bäume brachten die Menschen den Göttern Opfer dar, sangen Lieder und verzehrten ihr Opfertier. "Wir können uns das Ganze wie eine Art Picknick an einem schönen Ort im Freien vorstellen." (Thomas Staubli)

In Mesopotamien war einem Tempel meist eine Gartenanlage angeschlossen. Diese ernährte das Tempelpersonal und brachte Früchte für die Opfergaben hervor. Oft war der Garten des Königs zugleich Kultgarten. Er symbolisierte die Fruchtbarkeit des ganzen vom König regierten Landes. So zeigt ein Palastrelief aus der Zeit des assyrischen Herrschers Assurbanipal einen königlichen Tempel mit Opferaltar mit Gartenanlage aus Fruchtbaumhainen und bewässernden Kanälen. In Ägypten z.B. sind auch Gräber oft in Gartenanlagen zu finden und waren Orte kultischer Praktiken.

In der Bibel werden diese Kulte z. B. von Propheten mit scharfen Worten abgelehnt: "Ja, ihr werdet euch schämen wegen der großen Bäume, an denen ihr Lust habt, und erröten wegen der Gärten, die euch gefallen." (Jes 1,29). "Den ganzen Tag streckte ich meine Hände aus nach einem abtrünnigen Volk, das einen Weg ging, der nicht gut war... Sie bringen Schlachtopfer dar in Gärten..., sie sitzen in Grabkammern und verbringen die Nächte in Höhlen." (aus Jes 65,2-7)

Trotzdem konnte der Baum- und Gartenkult auch in Israel nicht völlig verdrängt werden: Die Bestattung Sauls und seiner Söhne unter einem mächtigen Baum wird erwähnt (1 Sam 31,13), heilige Bäume sind als Orakelbäume bekannt (Gen 12,6; Ri 9,37), sie charakterisieren Heiligtümer (Jos 24,26) und sind auch für den Tempelvorhof des Jerusalemer Tempels noch vorzustellen (Ps 52,10; 92,13-16). Auch im siebenarmigen Leuchter und im Feststrauß beim Laubhüttenfest mögen noch Baumbilder und -riten erhalten sein (Ex 25,31-36; Lev 23,40).

Schlussendlich verbindet die endzeitliche Vision des Propheten Ezechiel (Ez 47,1-12), die in der Johannesapokalypse aufgenommen wird (Offb 22,1-2), den Tempel/die Gegenwart Gottes mit einem Strom lebendigen Wassers, an dessen Ufern Leben spendende Bäume stehen - und spannt damit einen Bogen zum lebensfreundlichen Garten Gottes, den der große Gärtner ja nach Gen 2,8-15 für seine Menschen angelegt hatte.

Dr. Bettina Eltrop ist wissenschaftliche Referentin im Katholischen Bibelwerk e.V. in Stuttgart


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Quelle:
Bibel heute - 2. Quartal 2008, Nr. 174, Seite 23
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2008