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BERICHT/259: Wasser für alle - Junge Christen engagieren sich (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Feature vom 12. August 2008

Wasser für alle: Junge Christen engagieren sich

Von Annegret Kapp


"Wasser hat keine Farbe, keine Rasse, keine Nationalität, es ist überall in der Welt gleich", betonte Rania Flavie Tourma, eine orthodoxe Christin aus Syrien. Deshalb war es für sie nur normal, dass Menschen aus aller Welt sich in der Nähe von Genf zusammenfanden, um an der Sommerschule des Ökumenischen Wassernetzwerks (ÖWN) teilzunehmen und sich gemeinsam für den Schutz dieses kostbaren Guts einzusetzen.

Zwar ist Wasser für alle Menschen lebensnotwendig, aber Tourma und die anderen Teilnehmenden an dieser einzigartigen Sommerschule wissen nur zu gut, dass der Zugang zu Wasser kaum ungerechter verteilt sein könnte und dass die Menschen sehr unterschiedlich darüber aufgeklärt sind, wie kostbar Wasser eigentlich ist. Die 22 jungen Männer und Frauen, die sich im Ökumenischen Institut des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Bossey in der Schweiz sich acht Tage lang intensiv mit dem Thema Wasser beschäftigten, fühlen sich als Christen verpflichtet, ihre Stimme gegen diese Ungerechtigkeit zu erheben.

Der berufliche Hintergrund der Teilnehmenden war so unterschiedlich wie die achtzehn Länder und sechs Kontinente, aus denen sie kamen. Ihre Präsentationen zur Wasserproblematik in ihren Ländern ergänzten in hervorragender Weise die Vorträge der internationalen Experten/innen in Wassermanagement, Advocacy- und Entwicklungsarbeit.

Roderick Chukwuemeka Oji aus Nigeria hielt zu Beginn seiner Präsentation einen kleinen Plastikbeutel mit Wasser hoch und erzählte, Beutel wie dieser würden in den Straßen von Lagos für fünf Naira - weniger als drei Eurocent - verkauft. "In meinem Land nennen wir das sauberes Wasser", sagte er.

Der Inhalt dieser Beutel könne jedoch keineswegs gefahrlos getrunken werden, so der Jurastudent und presbyterianische Jugendleiter. Diese durchsichtigen, versiegelten Beutel seien allzu oft mit Wasser aus unkontrollierten Quellen gefüllt und mit frei erfundenen Lizenznummern gekennzeichnet. Daher sei es kein Wunder, dass die Eliten seines Landes in Flaschen abgefülltes Wasser aus dem Ausland bevorzugten.

Oji war nicht der einzige, der von mangelhafter Trinkwasserversorgung in einem Land berichtete, das mit Flüssen und ergiebigen Niederschlägen gesegnet ist. Teilnehmende aus Ruanda, Honduras, Armenien und Lesotho sprachen alle von der ungleichen Verteilung der Wasservorräte, die in ihren Ländern in Wirklichkeit nicht knapp sind.

Ein anderer Sommerschulteilnehmer, Packiaraj Asirvatham aus Indien, berichtete von einer Kampagne, die vor vier Jahren gelaufen und scheinbar erfolgreich zu Ende gegangen war. Die örtliche Bevölkerung hatte damals zu Tausenden gegen den Bau einer Limonadenfabrik in Gangaikondan demonstriert, die unverhältnismäßig viel Wasser aus einem Fluss verbraucht hätte, der den ganzen Distrikt mit Trinkwasser versorgt.

Die Kampagne sei damals zwar erfolgreich gewesen, doch müsse man auch nach einem vermeintlichen Sieg wachsam bleiben, mahnte der 27-jährige Pfarrer der Kirche von Südindien. Wenige Tage vor seiner Abreise zur Ökumenischen Sommerschule sei er noch einmal nach Gangaikondan zurückgekehrt und habe feststellen müssen, dass die Abfüllanlage dort inzwischen gebaut worden ist und den Betrieb aufgenommen hat.

Führungsrolle für die Jugend

Der Jugend fällt nach Meinung Ojis beim Schutz der Wasservorräte eine wichtige Rolle zu. Ältere Führungskräfte, selbst innerhalb der Kirche, würden sich dieser Fragen allzu oft nicht annehmen.

Auch Lilit Babajanyan aus Armenien meinte, sie würde als Erstes ihr persönliches Netzwerk von Freunden - eine Gruppe junger Christen und Christinnen - einschalten, wenn sie ein Gegengewicht zur politischen Einflussnahme der reichen Landbesitzer im Kampf um den armenischen Sevansee schaffen wolle.

Wenn die Sorge um die Schöpfung junge Christen/innen im Alter von 20 bis 30 Jahren zusammenbringt, dann beschränken sie sich natürlich nicht auf akademischen Austausch. Zwischen den Sitzungen erzählten sie von ihrer Heimat und Kultur und brachten einander Lieder aus ihren Heimatkirchen bei.

Auch die Zeichnungen und Hiphop-Texte, die im Blog [1] der Sommerschule des Ökumenischen Wassernetzwerks erscheinen, zeugen von der Kreativität der Teilnehmenden.

Kreative Begabung war im Übrigen eines der Kriterien bei der Auswahl der Kandidaten/innen für die Sommerschule, weil sie eine wichtige Voraussetzung dafür ist, die Geschichten der Bibel über Christi Verheißung von Gerechtigkeit und dem "lebendigen Wasser" des Glaubens mit Leben zu erfüllen.

"Wie können Amerikaner Wasser als heilig ansehen, trotz der täglichen Verschwendung?", fragte Kelly Forbush, Theologiestudentin der Vereinigten Kirche Christi in den USA, nach ihrer Teilnahme an einer morgendlichen Bibelarbeit im Blog der Sommerschule. "Wasser ist in den USA so reichlich vorhanden - fast alle Menschen haben jederzeit Zugang zu sauberem Trinkwasser."

Eine mögliche Antwort auf Forbushs Frage lieferte der Gottesdienst, den die Sommerschüler/innen für die lutherische Gemeinde in Genf vorbereiteten. Gebete, Lieder und Schauspiel stellten Verbindungen zwischen der biblischen Metapher des "lebendigen Wassers" und der Situation heute her, in der viele Menschen keinen Zugang zu Wasser haben.

Die erste Generation der Sommerschulabsolventen/innen - egal, ob sie aus den privilegierten Regionen Nordamerikas und Europas kamen, wo die konstante Versorgung mit Trinkwasser als selbstverständlich gilt, oder ob sie im täglichen Leben mit Wasserknappheit konfrontiert sind - wird nicht vergessen, dass Wasser für alle Menschen ein lebensnotwendiges Gut ist.

Und sie werden die Erkenntnis, dass das Konsumverhalten in ihrem eigenen Umfeld - ob es um Energie, Fleisch, Verkehr oder anderes mehr geht - Auswirkungen auf die Wasserversorgung von Menschen auf der anderen Seite der Erde hat, nicht für sich behalten.

Als sie Anfang August in ihre Heimatländer zurückreisten, hatten einige von ihnen schon konkrete Vorstellungen davon, wie sie das Gelernte weitergeben können, z.B. durch Theateraufführungen über die Wasserkrise auf öffentlichen Plätzen oder in Getränkemärkten. Andere denken an die Veranstaltung von regionalen Sommerschulen. Denn Wissen nimmt - genau wie der Glaube - zu, wenn man es mit anderen teilt.


Annegret Kapp, Internet-Redakteurin im ÖRK, ist Mitglied der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.

Weitere Informationen über das Ökumenische Wassernetzwerk:
http://wasser.oikoumene.org

Hören Sie Kommentare von Teilnehmenden der ÖWN-Sommerschule (auf Englisch, mp3-Format, 3,9 MB):
http://oikoumene.org/fileadmin/files/wcc-main/sounds/2008/ewnschool08.mp3


INFOKASTEN

Christen schärfen das Bewusstsein für die Wasserproblematik

Die Ökumenische Sommerschule 2008 zum Thema Wasser wurde vom 28. Juli bis 4. August vom Ökumenischen Wassernetzwerk (ÖWN) veranstaltet, um eine neue Generation von Christen/innen für Bewusstseinsbildung zur globalen Wasserkrise heranzubilden.

Wasserexperten/innen internationaler Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen informierten die Teilnehmenden über Ursachen und Auswirkungen der Krise. Ferner wurden mögliche Lösungswege aufgezeigt und Ansätze, wie sie die Anliegen in ihren Heimatkirchen und christlichen Jugendnetzwerken aufgreifen können.

Es war das erste Mal, dass junge Christen/innen unterschiedlicher Konfessionen, einschließlich Katholiken, Orthodoxen und Protestanten, zu einer internationalen Sommerschule zum Thema Wasser zusammenkamen.

Das Ökumenische Wassernetzwerk ist eine Initiative von Kirchen und christlichen Organisationen und Bewegungen, die gemeinsam das Ziel verfolgen, den Zugang der Menschen zu Wasser weltweit zu verbessern, gemeinschaftsbasierte Lösungen für die Wasserkrise zu finden und ein gemeinsames christliches Zeugnis in die Debatte um Wasser einzubringen. Das Sekretariat des Netzwerks ist im Ökumenischen Rat der Kirchen angesiedelt, der auch zur Koordinierung der Zusammenarbeit unter den beteiligten Partnern beiträgt.


Die Meinungen, die in ÖRK-Features zum Ausdruck kommen, spiegeln nicht notwendigerweise die Position des ÖRK wider.

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfr. Dr. Samuel Kobia, von der Methodistischen Kirche in Kenia. Hauptsitz: Genf, Schweiz.

[1] http://www.oikoumene.org/?id=6116&L=2


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Quelle:
Feature vom 12. August 2008
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2008