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BERICHT/282: Palästinensische Christen wollen Friedenslampe in jeder Kirche (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Pressemitteilung vom 26. Mai 2009

Palästinensische Christen wollen Friedenslampe in jeder Kirche

Von Emma Halgren


Die Bevölkerung des palästinensischen Dorfes Taybeh schrumpft, aber die dort verbleibenden Menschen versuchen, trotz des Konflikts und der Unterdrückung ein normales Leben zu führen und die Hoffnung nicht aufzugeben.

Taybeh, 14 Kilometer nordöstlich von Ramallah gelegen, ist eines der wenigen vorwiegend christlichen Dörfer in Palästina. Wie andere Dörfer überall im Westjordanland leidet es darunter, dass ein Großteil der Dorfbevölkerung auswandern will. Die Menschen sehen aufgrund der wirtschaftlichen Probleme und alltäglichen Schwierigkeiten, die sie unter der israelischen Besatzung erleiden, keine andere Möglichkeit.

In den 1960er Jahren hatte das Dorf eine Bevölkerung von 3400 Menschen. Heute sind es nur noch 1300. Die Arbeitslosigkeit liegt bei rund fünfzig Prozent.

Pater Raed Abusahlia, der Priester der Lateinischen (römisch-katholischen) Kirche von Taybeh, hält es angesichts dieses düsteren Szenarios für umso dringender, die Menschen vor Ort geistlich und wirtschaftlich zu stärken, wie er einer ökumenischen Delegation erklärte, die das Dorf im März besuchte.

Die Delegation - ein Team der Lebendigen Briefe [1] , das im Namen des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) unterwegs war - besuchte vom 7. bis 14. März Kirchen, ökumenische Organisationen und zivilgesellschaftliche Gruppen in Israel und Palästina.

Im Dorf Taybeh gibt es drei Gemeinden - die griechisch-orthodoxe, die griechisch-katholische und die römisch-katholische. Diese Gemeinden halten zu Ostern und Weihnachten gemeinsame Andachten ab und alle arbeiten aktiv in lokalen Projekten mit.

Die Lateinische Gemeinde betreibt eine Schule, ein Gesundheitszentrum, eine Pension für Pilger und Pilgerinnen und bietet zahlreiche kirchliche und Jugendaktivitäten an. Diese Projekte sollen den Menschen Hoffnung geben - und einen Grund, in Taybeh zu bleiben, erklärt Pater Abusahlia.

Das Friedenslampen-Projekt der Gemeinde nutzt ein reichlich vorhandenes lokales Produkt, Olivenöl, um Frieden und Gerechtigkeit im Heiligen Land zu fördern. Die Lampen werden in einer Werkstatt in Taybeh hergestellt und geben 20 jungen Männern und Frauen Arbeit.

Das Projekt verfolgt das Ziel, jede Kirche in der ganzen Welt mit einer solchen Friedenslampe, dem dazugehörigen Olivenöl und einer kleinen Kerze auszustatten und die Menschen auf diese Weise zu Gebet und Solidarität mit dem palästinensischen Volk zu ermutigen. Alle Einnahmen aus dem Verkauf der Lampen gehen an gemeinnützige Organisationen wie das Gesundheitszentrum der Caritas und Beit Afram, das Altersheim in Taybeh.

An die 50 junge Menschen im Alter von fünf bis 15 Jahren singen im Jugendchor der Gemeinde. Der Chor hat eine CD mit dem Titel With One Voice (Mit einer Stimme) herausgebracht, und 2006 nahmen acht Kinder an einer Chorreise nach Frankreich teil, wo sie 14 Konzerte im ganzen Land aufführten.

Rund 100 Pilgergruppen besuchen Taybeh jedes Jahr. Diese Besucher, meint Pater Abusahlia, können eine wichtige Rolle im Kampf gegen stereotype Vorstellungen über Israel und Palästina spielen.

"Alle Christen in der Welt tragen Verantwortung dafür, die christliche Präsenz im Heiligen Land zu bewahren", betonte er. "Wenn Menschen zu Besuch kommen, können sie sehen, dass Taybeh ein Ort des Friedens ist. Wir ermutigen sie, ihren Freunden und Familien zu Hause von Taybeh zu erzählen und für Produkte wie unsere Friedenslampe zu werben. Das ist das beste Zeichen von Solidarität."

Nancy Adams, ein Mitglied des Teams der Lebendigen Briefe aus der Schottischen Bischöflichen Kirche, erklärte, die Friedenslampe, die sie aus Taybeh mitgebracht habe, sei ein beeindruckendes Friedenssymbol und werde sie immer an den Mut der Menschen erinnern, denen sie dort begegnet sei. Sie habe bereits mehrfach Gelegenheit gehabt, vor Kirchengruppen in Schottland über ihre Erfahrungen in Taybeh zu berichten, und benutze dabei jeweils die Friedenslampe als Aufhänger.

"Ich habe ihnen von den vielen Sorgen berichtet, von denen ich dort gehört und erfahren habe. Aber ich konnte auch von der Freude und Inspiration erzählen, mit der die Menschen dort in den Projekten mitarbeiten", sagte sie.

"Eine weitere Botschaft, die ich von Taybeh mit nach Hause gebracht habe, ist, dass Christen, Muslime und Juden, die sich so verzweifelt für den Frieden einsetzen, abhängig davon sind, dass die Weltgemeinschaft die Flamme des Friedens und der Gerechtigkeit für die Menschen in Palästina und Israel wieder entzündet."

Entschlossen, in Frieden zu leben

David Khoury, der Bürgermeister von Taybeh, hofft weiter auf eine friedliche Koexistenz von Israelis und Palästinensern.

Khoury ist auch Mitbegründer der Bierbrauerei in Taybeh, der einzigen in Palästina. Sie wurde 1995 aufgebaut, stellt inzwischen auch unter Lizenz in Belgien Bier her und exportiert von dort aus in weitere europäische Länder. 2007 begann die Produktion von alkoholfreiem Bier. Jedes Jahr veranstaltet die Brauerei ein Oktoberfest mit Musik- und Tanzaufführungen lokaler Künstler.

Das Geschäft laufe gegenwärtig gut, aber es habe schwierige Momente gegeben - erzählt Khoury, insbesondere nach dem Beginn der zweiten Intifada, als die Brauerei fast geschlossen werden musste.

Straßensperren und Stopps an Kontrollpunkten gehören zur täglichen Realität, und während israelische Produkte, einschließlich Bier, steuerfrei und problemlos ins Westjordanland gelangen, können palästinensische Lieferungen an Kontrollpunkten stundenlang feststecken. Oft werden werden sie gar zurückgesandt, was bedeutet, dass die Brauerei an einem solchen Tag keine Einnahmen hat.

Khoury und sein Bruder Nadim, die beide in Taybeh geboren sind, hatten zwanzig Jahre lang in Boston gelebt, bis sie beschlossen, nach Palästina zurückzukehren und die Brauerei aufzubauen.

"Wir sind nach Taybeh zurückgekommen, weil wir einen Beitrag zum wirtschaftlichen Leben hier leisten wollten", erklärt David Khoury. "Palästina hatte vorher nie eine eigene Brauerei - wir wollten lokales Bier brauen für die Menschen, die hier leben, und für die Menschen, die uns besuchen. Jetzt kommen jeden Tag Touristen nach Taybeh. Wir sind stolz darauf, dass wir aus diesem kleinen Dorf stammen."

Die Herausforderungen, vor denen das Dorf steht, schätzt er realistisch ein. "Sehr bald werden wir leere Kirchen in Taybeh haben", sagt Khoury. "Die Menschen verlassen das Dorf, sobald sie eine Chance dazu haben. Sie haben es einfach satt, wie die Dinge hier laufen."

Aber er hofft, dass Projekte wie die Brauerei den Menschen in der Region Hoffnung geben. "Das palästinensische Volk lebt von Hoffnung. Wir sind fest dazu entschlossen, in diesem Heiligen Land zu bleiben und in Frieden zu leben."


Emma Halgren, Praktikantin in der ÖRK-Kommunikationsabteilung, ist Mitglied der Unionskirche in Australien.

ÖRK-Mitgliedskirchen in Israel/Palästina:
http://www.oikoumene.org/?id=4746&L=2

Lateinische Gemeinde in Taybeh:
http://taybeh.info

Brauerei in Taybeh:
http://www.taybehbeer.com

Sechzig Jahre ÖRK-Engagement für Palästina/Israel, 1948-2007 (Überblick):
http://www.oikoumene.org/?id=3628&L=2

Weltweite Aktionswoche für Frieden in Palästina und Israel, 4. bis 10. Juni 2009:
http://www.oikoumene.org/de/events-sections/aktionswoche-fuer-frieden


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INFOKASTEN

Friedenstourismus

Taybeh ist eines der Besuchsziele im Programm der Alternative Tourism Group [2] , einer palästinensischen Nichtregierungsorganisation, die sich auf die Organisation von Rundreisen und Pilgerfahrten spezialisiert hat, die einen kritischen Einblick in Geschichte, Kultur und Politik des Heiligen Landes geben.

Die Alternative Tourism Group will alle Reiseveranstalter ermutigen, ausbeuterischen Massentourismus aufzugeben und stattdessen Reisen anzubieten, die der lokalen Bevölkerung zugute kommen. Sie versucht, ein positives Bild von Palästina und den dort lebenden Menschen zu vermitteln und zur Herstellung eines gerechten Friedens in dem Gebiet beizutragen.

Die Alternative Tourism Group ist Teil der Palästinensischen Initiative für verantwortlichen Tourismus [3], eines Netzwerks von Organisationen im Heiligen Land, die sich für die Überwindung von Schwierigkeiten und Bedrohungen für den Tourismus durch die israelische Besatzung einsetzen, den Reisenden ein ausgewogenes Bild von Palästina präsentieren und bereichernde Erfahrungen ermöglichen wollen. Darüber hinaus streben sie eine gerechtere Verteilung der Einnahmen aus dem Tourismus an.

Diese Organisationen haben einen Verhaltenskodex für Tourismus im Heiligen Land [4] entwickelt, der Richtlinien sowohl für Besucher des Heiligen Landes als auch für den palästinensischen Tourismussektor enthält.


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Die Meinungen, die in ÖRK-Features zum Ausdruck kommen, spiegeln nicht notwendigerweise die Position des ÖRK wider.

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfr. Dr. Samuel Kobia, von der Methodistischen Kirche in Kenia. Hauptsitz: Genf, Schweiz.

[1] http://gewaltueberwinden.org/de/konvokation/lebendige-briefe.html
[2] http://www.atg.ps/index.php
[3] http://www.atg.ps/index.php?page=1178694470.1227355353
[4] http://www.atg.ps/site_files/File/PIFT/Code_of_Conduct_Nov_2008n.pdf


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Quelle:
Pressemitteilung vom 26. Mai 2009
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2009