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BUCHTIP/092: Theologen kommentieren Benedikt XVI. Bundestagsrede (idw)


Ruhr-Universität Bochum - 24.05.2012

Wiederbelebung des Naturrechts?
Kontroversen zur moralischen Begründung der Demokratie

RUB-Publikation: Theologen kommentieren Benedikt XVI. Bundestagsrede



Als eine "kleine Sensation" bezeichneten viele die Rede von Papst Benedikt XVI. am 22. September 2011 vor dem deutschen Bundestag. Darin brachte der oberste Repräsentant der Katholischen Kirche nicht nur die vorbehaltlose Anerkennung der Demokratie zum Ausdruck, sondern stellte gleichzeitig die Abgeordneten vor die Frage, ob die Moral in der Erklärung der Menschenrechte ohne Rekurs auf das Naturrecht auskommen könne. Der Katholische Theologe Prof. Dr. Georg Essen sieht in dieser "angemahnten Revitalisierung des Naturrechtsgedanken - die Sollbruchstelle zwischen katholischer Kirche und säkularem Staat" freigelegt. Die Rede des Papstes sowie neun Kommentare von Theologen, Philosophen und Politikwissenschaftlern hat er nun in der von ihm kürzlich herausgegebenen Publikation "Verfassung ohne Grund. Die Rede des Papstes im Bundestag" dokumentiert.

Grundgesetz vs. EU-Verfassung

Was ist die letzte Begründung von Moral und Recht? Mit welchen moralischen Grundlagen lassen sich Verfassung, also Staat und Recht legitimieren? Benötigt die moderne weltliche Demokratie überhaupt eine religiöse Begründung? Oder reicht die positive Rechtsetzung durch das Votum von Abgeordneten oder dem Volk? Während die Verfassungsväter in der Präambel des Grundgesetzes den Rekurs auf Gott nahmen und Bundespräsident Gauck und alle Minister der gegenwärtigen Koalition den vollen Amtseid mit der Formel "so wahr mir Gott helfe" schworen, ist der Gottesbezug in der Formulierung der EU-Verfassung nicht konsensfähig gewesen.

Das kulturelle Erbe Europas

Für Papst Benedikt XVI. reicht der Rechtspositivismus nicht, um Menschenrechte zu begründen. Zwar erkennt er in seiner Rede das "positivistische Konzept von Natur und Vernunft - als großartigen Teil menschlichen Erkennens und menschlichen Könnens" an. So wenig wir darauf verzichten können, so sind sie nach ihm "nicht selbst als Ganzes eine dem Menschsein in seiner Weite entsprechende und genügende Kultur". Benedikt XVI. beruft sich auf das kulturelle Erbe Europas, insbesondere auf die Begegnung Jerusalems, Athen und Rom, also dem "Gottesglauben Israels, der philosophischen Vernunft der Griechen und dem Rechtsdenkens Roms". Die Maßstäbe des Rechts seien, so der Papst, "im Bewusstsein der Verantwortung des Menschen vor Gott und in der Anerkenntnis der unantastbaren Würde des Menschen" gesetzt. Diese gelte es heute mehr denn je zu verteidigen.

Interdisziplinäre Perspektiven

In dem von Prof. Essen herausgegebenen Band erläutern, kommentieren und kritisieren Theologen, Philosophen und Politikwissenschaftler aus Bochum, Kiel, Wien, Rom und Nijmegen die Rede des Papstes. Zielsetzung des Bandes sei es ausdrücklich gewesen, "die Bundestagsrede des Papstes aus interdisziplinären Perspektiven zu beleuchten", betont der Herausgeber in seinem Vorwort. In den einzelnen Beiträgen werden die theologischen, philosophischen und rechtshistorischen Bezüge der Rede eingehend und kontrovers diskutiert, eine "vorschnelle Synthese oder das abschließende Urteil wird hier ausdrücklich nicht gesucht!"

Titelaufnahme
"Verfassung ohne Grund? Die Rede des Papstes im Bundestag".
Herausgegeben von Georg Essen. Herder-Verlag, Freiburg, Basel, Wien, 2012,
ISBN: 978-3-451-30576-4

Redaktion: Dr. Josef König

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution2

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 24.05.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Mai 2012