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FRAGEN/005: María Arantzazu Aguado - Der Ökumenische Rat der Kirchen hat mein Herz weit gemacht (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Feature vom 5. August 2010

"Der ÖRK hat mein Herz weit gemacht"
- Interview mit María Arantzazu Aguado

Von Juan Michel


Die Einladung, als römisch-katholische Beraterin für Mission und Evangelisation im Ökumenischen Rat der Kirchen zu arbeiten, "ist eine dieser Überraschungen gewesen, die Gott für uns bereithält", sagt sie. Und die tägliche Begegnung mit Menschen anderer christlicher Konfessionen habe in den letzten fünf Jahren zu einer "geistlichen Erneuerung" in ihrem Leben geführt. Ihre Stelle im ÖRK stellt eine von mehreren Initiativen dar, die die römisch-katholische Kirche und der ÖRK ergriffen haben, um ihre Zusammenarbeit und ihre Beziehungen kontinuierlich zu festigen. Wenige Wochen, bevor ihre Arbeit im ÖRK zu Ende geht, ist María Arantzazu Aguado überzeugt, dass "der ÖRK für die Welt eine gute Nachricht ist".

María Arantzazu Aguado wurde im Baskenland in Spanien als Tochter einer katholischen Familie geboren und spürte bereits in jungen Jahren ihre Berufung, sich als Laiin in der kirchlichen Bildungsarbeit zu engagieren. So absolvierte sie einerseits eine Ausbildung als Lehrerin und Pädagogin und wurde andererseits Mitglied und später Leiterin der Institución Teresiana - einer von mehreren Einrichtungen, die aus der Anfang des letzten Jahrhunderts entstandenen Laienbewegung hervorgegangen sind. Ihr Engagement als katholische Laiin führte auch dazu, dass sie zehn Jahre lang als Beraterin und Mitglied im Päpstlichen Rat für die Laien tätig war.

Die Einladung, als katholische Beraterin im ÖRK zu arbeiten, erhielt sie 2005, als sie in Chicago (USA) in der Erwachsenenbildung für Immigranten/innen arbeitete.


Frage: Wie kam es dazu, dass Sie diese Stelle übernommen haben?

María Arantzazu Aguado: Alles begann mit einem Anruf aus Rom. Der Päpstliche Rat für die Einheit der Christen fragte an, ob ich bereit sei, der Kirche auf diese Weise zu dienen. Es gehe darum, die Zusammenarbeit zwischen der katholischen Kirche und dem ÖRK zu stärken.

Frage: Und so wurden Sie zu einer Art "Spionin des Vatikans" im Ökumenischen Zentrum?

María Arantzazu Aguado: Nein, ganz und gar nicht. (Sie lacht.) Eher so etwas wie eine Brücke, ein Bindeglied, das die die Zusammenarbeit zwischen dem Päpstlichen Rat und dem ÖRK in den Bereichen Mission und Evangelisation erleichtert. In Wirklichkeit bin ich ja nicht die einzige katholische "Gesandte" im ÖRK-Stab. Es gibt auch immer einen katholischen Professor im Ökumenischen Institut in Bossey.

Frage: Und worin bestand Ihre Arbeit ganz konkret?

María Arantzazu Aguado: Auf diesem Posten gehört man voll zur Mitarbeiterschaft des Ökumenischen Rates. So habe ich zusammen mit Kollegen und Kolleginnen anderer Konfessionen an der Durchführung einer Reihe von Studien, Begegnungen und anderen Aktivitäten gearbeitet. Der Bereich, für den ich in den letzten Jahren vor allem zuständig war, war Mission und Spiritualität. Es hat mich sehr glücklich gemacht, hierzu einen Beitrag leisten zu können - umso mehr als die ökumenische Spiritualität ein wichtiger Schwerpunkt der katholischen Kirche ist - und Kontakte nicht nur mit meinen Kollegen, sondern auch mit einem Netz von Experten und Expertinnen aus aller Welt herstellen zu können.

Wir haben unter anderem eine Reihe von Dialogforen durchgeführt, bei denen wir den Schwerpunkt auf eine missionarische Spiritualität des Wandels gelegt haben, das heißt eine Mission, die in der Welt und für die Welt stattfindet und sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzt. Andere Aspekte, mit denen wir uns ebenfalls beschäftigt haben, sind Heilung, Anliegen von Frauen, interreligiöse Beziehungen, die Postmoderne und auch die Bewahrung der Schöpfung.

Die Ergebnisse unserer Arbeit sind zum Teil in thematischen Ausgaben der International Review of Mission veröffentlicht worden. Darüber hinaus habe ich persönlich mit der Kommission für Weltmission und Evangelisation des ÖRK zusammengearbeitet und war in den Vorbereitungsprozess für die Konferenz 2010 in Edinburgh involviert, die anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Weltmissionskonferenz 1910 in Edinburgh stattfand.

Die ganze Arbeit, die wir geleistet haben, läuft auf die Ausarbeitung einer neuen Erklärung zu Mission und Evangelisation hinaus. Diese beschäftigt die Kommission für Mission und Evangelisation und das ÖRK-Missionsteam bereits jetzt voll und ganz und könnte als Beitrag in die Zehnte Vollversammlung des ÖRK 2013 in Busan (Südkorea) einfließen. Diese Erklärung dient dem Ziel, das ökumenische Verständnis christlicher Mission für die heutige Zeit zu formulieren.

Frage: Was wird von den Erfahrungen, die Sie in diesen fünf Jahren gemacht haben, bleiben?

María Arantzazu Aguado: Ich bin froh, dass ich einen Beitrag zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen der katholischen Kirche und dem ÖRK leisten konnte. Außerdem hat die Arbeit im ÖRK mich verwandelt, sie hat mich innerlich berührt. Diese Jahre boten mir die Chance und das Privileg, meinen Glauben zusammen mit Christen und Christinnen anderer Traditionen zu leben und mit ihnen ein Stück des Wegs gemeinsam zu gehen. Ich habe mich zu meiner katholischen Identität bekannt und gleichzeitig andere christliche Traditionen entdeckt, die ich zu lieben gelernt habe. Für mich ist der Traum Jesu, dass all seine Jünger und Jüngerinnen eins sein mögen, in einer Ökumene des täglichen Lebens, umgeben von vertrauten Gesichtern, Wirklichkeit geworden und hat meine Glaubenserfahrung so verwandelt, dass ich sie in Zukunft nicht mehr anders werde leben können.

Frage: Aber die Beziehungen zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen sind nicht immer einfach ...

María Arantzazu Aguado: Als ich eingeladen wurde, diese Stelle zu übernehmen, hat man mir gesagt, es würde eine Person mit breiter Kirchenerfahrung gesucht. Es ist nie mein Anliegen gewesen, eine Position zu "verteidigen", sondern ich wollte schon immer offen dafür sein, den Weg mit anderen zusammen zu gehen und andere Realitäten zu verstehen. So habe ich zum Beispiel nicht an Dialogen über Lehrfragen teilgenommen, sondern an Gesprächen, die dem Ziel dienen, gemeinsam Fortschritte in der Mission zu machen. Wir haben so viel gemeinsam!

Frage: Haben sie auch Enttäuschungen erlebt?

María Arantzazu Aguado: Ich würde nicht von Enttäuschungen sprechen, sondern davon, dass ich manchmal lernen musste zu warten oder dass meine Geduld auf die Probe gestellt wurde. In diesen fünf Jahren hat es im ÖRK häufig Veränderungen gegeben. Wir mussten alles tun, um unsere Arbeit voranzubringen, und uns gleichzeitig an den Prozess der Umstrukturierung anpassen. Das hat mir in puncto Anpassungsfähigkeit sicher einiges abverlangt, aber gleichzeitig war es eine enorme Lernerfahrung für mich.

Frage: Sie werden den ÖRK verlassen. Wie wird es danach weitergehen?

Meine Nachfolgerin steht bereits fest. Es ist Annemarie Mayer, derzeit Professorin für Ökumenische Theologie von der Universität Tübingen in Deutschland, die ebenfalls Laiin ist. Ich selbst werde als Nächstes nach Rom gehen und dort für die Institución Teresiana im Bereich der Spiritualität arbeiten und auch an den Vorbereitungen für unser 100-jähriges Jubiläum 2011 teilnehmen. Wir hoffen, dass dieser Jahrestag eine Gelegenheit darstellen wird, die Mission der katholischen Laienschaft in der Welt neu zu beleben.

Frage: Mit Ihrer Nachfolgerin werden es bereits fünf Frauen sein, die diese Position übernommen haben, seit sie in den 1980er Jahren eingerichtet wurde. Warum immer Frauen? Können Frauen hier einen besonderen Beitrag leisten?

María Arantzazu Aguado: Ich glaube nicht, dass dies eine prinzipielle Entscheidung ist, aber in der Praxis haben Frauen sich auf dieser Stelle bewährt. Meine drei Vorgängerinnen waren Ordensfrauen mit viel Erfahrung auf dem Gebiet der Mission. Ich war die erste Laiin. Ich glaube, dass die Erfahrung mit Missionsarbeit bei der Entscheidung des Päpstlichen Rates ausschlaggebend ist. Ohne in Stereotypen zu verfallen, glaube ich, dass wir Frauen für diese Aufgabe eine besondere Sensibilität mitbringen, unsere eigene Art und Weise haben, die kirchliche Realität zu sehen, und eine gewisse Fähigkeit, Brücken zu bauen - die allerdings auch die Männer haben. Männer und Frauen haben im Übrigen Sichtweisen, die sich gegenseitig ergänzen.

Frage: Welche Bilanz ziehen Sie nach fünf Jahren im ÖRK?

María Arantzazu Aguado: Ich schätze mich sehr glücklich, dass ich diese Chance hatte, und danke Gott und allen, die mir dies ermöglicht haben. Es war eine jener Überraschungen, die wir als Gabe Gottes empfangen, und, wie Kardinal Walter Kasper, der damalige Präsident des Päpstlichen Rates, mir bei meiner Ernennung prophezeite, hat diese Stelle einen Prozess geistlicher Erneuerung in meinem Leben in Gang gesetzt. Die Arbeit im ÖRK hat meinem Glauben eine neue gemeinschaftliche Dimension gegeben und mein Herz weit gemacht.

Frage: Was denken Sie über den ÖRK - jetzt, wo Sie ihn von innen her kennen?

María Arantzazu Aguado: Ich glaube, dass der ÖRK ein Samenkorn des Lebens in sich trägt, das Frucht tragen und der Welt die Frucht der Einheit bringen soll. Der ÖRK ist eine gute Nachricht für die Welt.


Juan Michel ist Medienbeauftragter des ÖRK

Kommission für Weltmission und Evangelisation:
http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=da7477d971126962f6f9

Zusammenarbeit zwischen römisch-katholischer Kirche und ÖRK
http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=3528108068089a75b75d


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Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfarrer Dr. Olav Fykse Tveit, von der (lutherischen) Kirche von Norwegen. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Feature vom 5. August 2010
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2010