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GESCHICHTE/030: Jesus, der bessere Kaiser (idw)


Universität Erfurt, Jens Panse, 22.12.2008

Jesus, der bessere Kaiser

Neue Forschungsergebnisse des Erfurter Religionswissenschaftlers Prof. Rüpke


"Gebt Gott, was Gottes, und dem Kaiser, was des Kaisers ist" - diese Trennung von (römischem) Staat und (christlicher) Kirche scheint das Christentum von Anbeginn an geprägt zu haben. Jetzt besteht Anlass zu einer Neubewertung. Im Rahmen seiner Forschungen zur Religionsgeschichte des antiken Mittelmeerraumes ist der Erfurter Religionswissenschaftler Jörg Rüpke auf einen überraschenden Befund gestoßen: In einer späten Schrift des Neuen Testaments selbst wird Christus dem zeitgenössischen Verständnis des römischen Kaisers als religiöser Herrscher angeglichen.

Ausgangspunkt der Untersuchung war eine ungewöhnliche Formulierung in dem als " Hebräerbrief " bezeichneten theologischen Traktat, das im Neuen Testament auf die Briefe des Apostels Paulus folgt. Der griechischsprachige Text, um 100 n. Chr. in Rom entstanden, bezeichnet Christus mit einer ganz ungewöhnlichen Formulierung als " großen Erzpriester ". Oberflächlich wird Christus in den folgenden Ausführungen als Hoherpriester im Sinne des Jerusalemer Tempeldienstes beschrieben. Wie aber kam der rhetorisch gebildete Verfasser zu diesem im Neuen Testament einzigartigen Christusbild? Die entscheidende Spur, so Rüpke, fand keine Beachtung, weil Christentumsgeschichte und antike Religionsgeschichte noch immer Gegenstände unterschiedlicher Fächer sind. Es ist der römische Kaiser als römischer Oberpriester, der Pontifex maximus, der in griechischen Texten regelmäßig als " größter Erzpriester " angesprochen wird. Hier nun machte Rüpke eine weitere Entdeckung. Gerade die Kaiser der neu an die Macht gekommenen Flavischen Dynastie (69-96 n. Chr.), Titus vor allem und Domitian, betonten im Unterschied zu ihren Vorgängern gerade diese religiöse Rolle, verbanden mit ihrem Oberpriesteramt demonstrativ moralische Ansprüche und Frömmigkeit, die auch noch ihre Nachfolger banden. Gegen diese Konkurrenz, die in neuer Weise Wohlstand und Glanz der Stadt Rom (man denke an den Neubau des Kolosseums) mit Frömmigkeit verband, profiliert der Verfasser des Hebräerbriefes Christus, zeichnet ihn als den besseren Oberpriester, der nicht nur im Tempel, sondern im Himmel vor Gottes Thron Dienst tut, und als Friedenskönig. Auch hier muss der in Rom auftretende Redner der Gefahr eines Prozesses wegen Majestätsbeleidigung vorbeugen, darf nicht vom Friedenskaiser sprechen, sondern auf die vage Gestalt eines alttestamentlichen Friedenskönig, Melchisedek, zurückgreifen. Die Forschungsergebnisse haben einem ersten Test bereits standgehalten: In der als " Session of interest " herausgehobenen Diskussionsrunde fand der Neufund die uneingeschränkte Zustimmung neutestamentlicher Experten. Rüpke, in der ersten Jahreshälfte noch Interimspräsident der Universität Erfurt, sieht das als Ermutigung, die Forschungen zu einem neuen Bild religionsgeschichtlicher Entwicklungen am Max-Weber-Kolleg fortzusetzen, wofür die Deutsche Forschungsgemeinschaft umfangreiche Mittel zur Verfügung gestellt hat.

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-erfurt.de/vergleichende_religionswissenschaft/ruepke.htm

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Erfurt, Jens Panse, 22.12.2008
WWW: http://idw-online.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2008