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KIRCHE/1242: Weihnachtspredigt von Erzbischof Zollitsch (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 25.12.2011

"Gott begegnet uns auf Augenhöhe"

Weihnachtspredigt von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch am 1. Weihnachtstag


Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, hat zu Weihnachten eine neue Solidarität unter den Menschen angemahnt. "Der realistische Blick auf die Welt führt dazu, dass wir Christen uns in besonderer Weise engagieren. Wer sich Gott zuwendet, weiß sich in tieferer Weise mit der Welt und seinen Mitmenschen verbunden; dem sind die Anliegen und Nöte des anderen nicht gleichgültig", sagte Zollitsch in seiner Predigt am 1. Weihnachtsfeiertag im Freiburger Münster. In der Zuwendung zu Gott finde der Mensche den Auftrag, das Licht Gottes in die Welt zu tragen: "Daraus erwächst die Hinwendung zu den Sorgen der Menschen."

Erzbischof Zollitsch erinnerte daran, dass an Weihnachten Gott dem Menschen auf Augenhöhe begegne. "Gott ist nicht derjenige, der fern und abgehoben über den Menschen thront oder aus der Distanz auf uns herabschaut. Nein! Er kommt in unsere Welt, wird einer von uns, stellt sich an unsere Seite und macht uns Menschen zu seinem Partner", so Zollitsch. Die Ankunft Christi bei den Menschen sei der Angelpunkt der Geschichte, die seitdem eine neue Bedeutung bekommen habe: "Gott selbst ist es, der Geschichte schreibt, indem er sich in sie hineinbegibt."

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz appellierte an die Gläubigen, sich immer neu auf die Partnerschaft mit Gott, in der Familie und der Gesellschaft einzulassen. "Partnerschaft braucht Offenheit und das Engagement beider Seiten. Stehen viele heute nicht in Gefahr, sich selbst zu genügen? Andere halten sich selbst für so wichtig, dass sie kein Miteinander brauchen." Es scheine, dass die Menschheit schon viel aufgewandt habe und damit fortfahre, sich mit eigenen Kräften erlösen zu wollen. "Wo wir meinen, alles aus eigener Kraft leisten zu können, befinden wir uns allerdings auf dem falschen Weg. Nicht zuletzt die selbst gemachten Krisen, wie die Eurokrise oder Fukushima, zeigen unsere Grenzen auf", so Erzbischof Zollitsch. Deshalb könne die Gesellschaft nicht auf das Engagement von Christen verzichten. Gleichzeitig sei es notwendig, sich wieder neu Gott zuzuwenden, wie es Papst Benedikt XVI. während seiner Rede im Freiburger Konzerthaus gesagt habe. "Die entscheidenden Faktoren unseres Lebens können wir mit innerweltlichen Kriterien nicht beschreiben: Liebe, die wir einander schenken; Hoffnung, aus der wir leben; Vertrauen, das wir brauchen."

Hinweis:
Den Wortlaut der Predigt von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch finden Sie dieser Pressemitteilung angehängt und unter www.dbk.de.


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Es gilt das gesprochene Wort!

"Gott begegnet den Menschen auf Augenhöhe"

Weihnachtspredigt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz,
Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, am 1. Weihnachtstag, 25. Dezember 2011,
Münster Unserer Lieben Frau (Freiburg)

Lesung: Jes 52,7-10 Hebr 1,1-6 Evangelium: Joh 1,1-5.9-14


Liebe Schwestern und Brüder in der Gemeinschaft des Glaubens,
"Viva la Partnerschaft" diesen Satz konnte ich zu Beginn des Advents auf meiner Reise durch Peru immer wieder hören. Zahlreiche Menschen, drückten darin ihre Freude über die Verbindung aus, die zwischen der Erzdiözese Freiburg und der Kirche in Peru in den vergangenen 25 Jahren gewachsen ist. Der Begriff der 'Partnerschaft' bringt deutlich zum Ausdruck, weshalb das Miteinander so erfolgreich und fruchtbar war: entscheidend ist ein Geben und Nehmen, ein Empfangen und Beschenken, das sich im Miteinander auf Augenhöhe ereignet. Das ist das Geheimnis, wie eine Beziehung zwischen Menschen zur Partnerschaft wird, wie eine Gruppe zur Gemeinschaft zusammenwächst: Nicht von oben herab, sondern ebenbürtig und auf Augenhöhe.

Im Begriff der 'Partnerschaft' finden wir in besonderer Weise auch das wieder, was wir heute an Weihnachten feiern. Gott ist nicht derjenige, der fern und abgehoben über den Menschen thront oder aus der Distanz auf uns herabschaut. Nein! Er kommt in unsere Welt, wird einer von uns, stellt sich an unsere Seite und macht uns Menschen zu seinem Partner. Durch seine Menschwerdung, durch die Geburt seines Sohnes zeigt er einem jeden von uns: Du bist mir wichtig! Dein Schicksal lässt mich nicht gleichgültig! Du darfst und kannst mit mir rechnen!

Im Evangelium haben wir diese freudige Nachricht soeben gehört: "Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt." (Joh 1,9) Dieser Glanz wurde von den Hirten von Bethlehem wahrgenommen. Später erkannte ihn der greise Simeon und die Prophetin Anna im Tempel. Auch die Weisen aus dem Morgenland hatten einen wachen Blick für das wahre Licht Gottes, das mit Jesus Christus in die Welt kam. Überall auf der Welt entdecken seit zweitausend Jahren die Menschen im Glauben den Glanz dieses Geheimnisses Gottes: Gott wird einer von uns. Er wird Mensch.

Darüber dürfen wir uns an diesem Tag freuen, dafür dürfen wir immer neu dankbar sein. In einem Weihnachtslied heißt es: "Gott und der Sünder, die sollen zu Freunden nun werden." Welch eine Zuversicht, ja Ehre klingt in diesen Worten! Gott begegnet uns auf Augenhöhe! Christi Ankunft unter uns wird so zum Angelpunkt der Geschichte, die seitdem eine neue Bedeutung bekommen hat. Gott selbst ist es, der Geschichte schreibt, indem er sich in sie hineinbegibt.

Und doch, liebe Schwestern und Brüder, haben wir uns zu fragen: Schätzen wir das große Geschenk, das uns Gott in seiner Menschwerdung macht, genug? Nehmen wir wahr, was dies für uns ganz konkret bedeutet? Bereits der Evangelist Johannes schildert jedenfalls in seiner Darstellung der Menschwerdung Jesu, dass der Sohn Gottes, von Anfang an Unverständnis, ja Ablehnung erfährt. "Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf." (Joh 11,11) Diese Aussage provoziert auch heute: Wie sieht das bei uns aus? Papst Benedikt leitet deshalb diese Frage folgerichtig an uns weiter: "Die Worte [des Evangeliums] gehen uns an, jeden einzelnen und die Gesellschaft als ganze. Haben wir Zeit für den Nächsten, der mein Wort, meine Zuwendung braucht? [...] Haben wir Zeit [...] für Gott? [...] Findet er Raum bei uns, oder haben wir alle Räume des Denkens, Handelns, Lebens für uns selbst besetzt?"

Liebe Schwestern und Brüder, wie kann eine Partnerschaft zwischen Gott und Mensch leben und wachsen, wenn wir uns nicht öffnen und einbringen? Wir wissen aus Ehe und Familie, aus Freundes- und Bekanntenkreis nur zu gut: Partnerschaft braucht die Offenheit und das Engagement beider Seiten. Stehen viele heute nicht in Gefahr, sich selbst zu genügen? Andere halten sich selbst für so wichtig, dass sie kein Miteinander brauchen. Ja, es scheint, dass die Menschheit schon viel aufgewandt hat und damit fortfährt, sich mit eigenen Kräften erlösen zu wollen. Wo wir meinen, alles aus eigener Kraft leisten zu können, befinden wir uns allerdings auf dem falschen Weg. Nicht zuletzt die selbst gemachten Krisen, wie die Eurokrise oder Fukushima zeigen uns unsere Grenzen auf!

In diesem Sinne dürfen wir den Impuls verstehen, den uns Papst Benedikt XVI. bei seiner Rede im Freiburger Konzerthaus gegeben hat: Entscheidend ist, dass wir uns Gott wieder neu zuwenden, das Miteinander auf Augenhöhe, das er uns schenkt, erwidern! Nicht zu meinen, auf Gott verzichten zu können. Es wäre allerdings grundfalsch, daraus abzuleiten, wir Christen sollten aus der Welt fliehen, uns in die Sakristei zurückziehen und die Gesellschaft ihrem Schicksal überlassen. Wie könnte das sein, da Gott selbst den Weg in diese Welt hinein gewählt hat! Entscheidend ist aber, uns von den vermeintlich allzu wichtigen Fragen der Welt nicht völlig in Beschlag nehmen zu lassen, ohne darin Gott zu entdecken und im Nächsten Jesus Christus zu finden.

Wie oft meinen wir, alles rein innerweltlich erklären und lösen zu können - und stoßen dabei an Grenzen. Die entscheidenden Faktoren unseres Lebens können wir mit innerweltlichen Kriterien nicht beschreiben: Liebe, die wir einander schenken; Hoffnung, aus der wir leben; Vertrauen, das wir brauchen: all das können wir nur empfangen, all das verweist uns auf die Spuren Gottes in unserer Welt, weil er uns in seinem Sohn Liebe, Hoffnung und Vertrauen schenkt. Dort, wo wir meinen, dies selbst herstellen zu können, droht Liebe zum Selbstzweck, Hoffnung zur Durchhalteparole und Vertrauen zum Ausgenutzt-Werden zu verkommen.

Die Botschaft von Weihnachten, liebe Schwestern, liebe Brüder, lädt uns ein, unseren Blick wieder neu auf Gott zu richten, von dem wir all das empfangen, wovon wir leben. Nicht Besitz und Vermögen, nicht das, was wir haben, sondern Dankbarkeit, Freude und Liebe, das, was wir sind, machen uns letztlich glücklich. Das Evangelium schildert dies in eindrücklicher Weise. Darin heißt es: "Denen aber, die ihn aufnahmen, gab er die Vollmacht, Kinder Gottes zu werden." (Joh 1,12) Ja, wer sich Gott zuwendet, der wird selbst reich beschenkt. Er sieht im Mitmenschen den Bruder und die Schwester; er weiß um die Würde aller Menschen und er ist sich bewusst, dass wir das letzte Heil nicht in der Welt finden, sondern von Gott geschenkt bekommen!

Dieser realistische Blick auf die Welt, führt dazu, dass wir Christen uns in besonderer Weise engagieren. Wer sich Gott zuwendet, weiß sich in tieferer Weise mit der Welt und seinen Mitmenschen verbunden; dem sind die Anliegen und Nöte des anderen nicht gleichgültig. Denn gerade in der Zuwendung zu Gott finden wir den Auftrag, das Licht Gottes in diese Welt zu tragen. Daraus erwächst die Hinwendung zu den Sorgen der Menschen. Das ist es, was uns die Geburt Jesu Christi zeigt. In diesem Sinne dürfen wir sagen: "Viva la Partnerschaft!" - die Partnerschaft Gottes mit uns, die uns an Weihnachten geschenkt wird und aus der wir Heil und Rettung erfahren. Und die Partnerschaft, die wir deshalb in der Welt suchen, weil Gott selbst sich in diese Welt begeben hat, um uns zu zeigen, dass ihm die Menschen wichtig sind und er uns aus unseren Sorgen und Nöten erretten will.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 193 und 193a vom 25. Dezember 2011
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
Deutsche Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Dezember 2011