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KIRCHE/1676: Richard von Weizsäcker war Stimme für Gerechtigkeit und Frieden (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Pressemitteilung vom 2. Februar 2015

Richard von Weizsäcker war Stimme für Gerechtigkeit und Frieden

Deutsche Fassung veröffentlicht am: 04. Februar 2015



Der ehemalige deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker starb am 31. Januar im Alter von 94 Jahren. "Der Ökumenische Rat der Kirchen erinnert sich mit tiefer Dankbarkeit an Dr. Richard von Weizsäcker und an seine Gaben, mit denen er die Kirchen in Deutschland, die ökumenische Bewegung und viele Menschen in der ganzen Welt bereichert hat", schrieb ÖRK- Generalsekretär, Pastor Dr. Olav Fykse Tveit, in einem Brief an Weizsäckers Ehefrau, Dr. Marianne Freifrau von Weizsäcker.

Richard von Weizsäcker sei weltweit bekannt geworden als einer der Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Seine Rede im Jahr 1985 anlässlich des 40. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs sei mit großem Respekt und Anerkennung aufgenommen worden. Hier habe ein Deutscher gesprochen, der sich der Verantwortung für die Vergangenheit stellte und zugleich seine Hand ausstreckte, um gemeinsam für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung einzutreten, so Tveit. In seine Amtszeit als Bundespräsident fielen der Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989 und die Wiedervereinigung Deutschlands. Von Weizsäcker habe diese Wiedervereinigung als Chance verstanden, um der Verpflichtung nachzukommen, gemeinsam für Frieden und die gemeinsame Sicherheit aller Länder in Europa zu arbeiten.

Tveit, der während der Amtszeit von Weizsäckers in Deutschland studierte, sagte weiter über von Weizsäcker: "Durch seine Einstellung der Verantwortung für die Vergangenheit und der gegenseitigen Rechenschaftspflicht in der Zukunft zeigte er, wie Christinnen und Christen zum politischen Diskurs und der Schaffung von Gerechtigkeit und Frieden zwischen den Völkern und Nationen beitragen können."

Außerhalb Deutschlands wüssten nur wenige von seinem wichtigen und jahrzehntelangen Engagement in der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer ÖRK-Mitgliedskirche, und dem Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags. "Richard von Weizsäcker hat den deutschen Protestantismus mit großer Weltoffenheit und in Verantwortung für Freiheit und Gerechtigkeit geprägt", schrieb der ÖRK-Generalsekretär. "Von 1968 bis 1975 war er Mitglied des ÖRK-Zentralausschusses und bereicherte mit seiner großen politischen und menschlichen Erfahrung, seinem Weitblick und diplomatischem Geschick dessen Debatten. Er gehörte zu den Persönlichkeiten, die entscheidend dazu beitrugen, dass der ÖRK an gesellschaftskritischem Profil gewann und als Stimme der Kirchen in den Konflikten der Zeit und in den Vereinten Nationen gehört wurde."

Als sein Bruder Carl-Friedrich von Weizsäcker auf dem 21. Deutschen Kirchentag 1985 in Düsseldorf zu einem Friedenskonzil der christlichen Kirchen aufrief und damit den Konziliaren Prozess des ÖRK für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung unterstützte, hielt Richard von Weizsäcker eine nachdenkliche Rede zum Thema "Was ist das eigentlich: deutsch?" Er bezog sich in dieser Rede auf die ÖRK- Vollversammlung 1983 in Vancouver und sagte:

"Die ÖRK-Vollversammlung in Vancouver hat gesagt: Nirgendwo kann es je Frieden geben, 'wenn es nicht überall für alle Gerechtigkeit gibt'. Das nackte, individuelle Überleben hier in Zentraleuropa ist der Güter einziges und höchstes nicht. Wir in Europa müssen und wollen uns um die Kontrolle und vor allem die Verminderung von Rüstungen mit unserer ganzen Kraft einsetzen. Aber wir sollten uns hüten vor einer sicherheitspolitischen Besessenheit zwischen Ost und West. Es geht nicht allein um Rüstung und Abrüstung, sondern um friedliche Beziehungen und um Zusammenarbeit auf allen Gebieten zwischen Ost und West. Erst wenn wir Armut und Hunger in der Welt lindern helfen, wenn wir zur Gerechtigkeit überall beitragen, erst dann helfen wir wirklich, den Weg zum Frieden zu ebnen. Es geht um einen menschengerechten Frieden."

Richard von Weizsäcker wird Vielen für seine Stimme für Gerechtigkeit und Frieden in Erinnerung bleiben.

"Seiner Frau Marianne und der ganzen Familie von Weizsäcker sprechen wir unser aufrichtiges Beileid und tiefes Mitgefühl aus. Unsere Gedanken und Gebete gelten ebenso auch insbesondere Pastor Dr. Konrad Raiser, dem ehemaligen ÖRK-Generalsekretär, und seiner Frau Elisabeth, einer Nichte von Richard von Weizsäcker", erklärte Tveit.


Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehörten Ende 2013 dem ÖRK 345 Mitgliedskirchen an, die zusammen über 500 Millionen Christen aus protestantischen, orthodoxen, anglikanischen und anderen Traditionen in mehr als 140 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pastor Dr. Olav Fykse Tveit, von der (lutherischen) Kirche von Norwegen.


Brief des ÖRK-Generalsekretärs anlässlich des Todes von Richard von Weizsäcker im vollständigen Wortlaut:
http://lists.wcc-coe.org/ct.html?ufl=4&rtr=on&s=jazjt,16wb9,usx,t4j,8v4u,6a92,l50s

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Quelle:
Pressemitteilung vom 4. Februar 2015
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2015


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