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LATEINAMERIKA/044: Kirche und neue linke Regierungen (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion 6/2007

Sozialisten und linke Christen
Wie steht die Kirche zu den neuen linken Regierungen Lateinamerikas?

Von Christian Frevel


In Europa wurde bereits von einem "Linksruck" in Lateinamerika gesprochen, angesichts der Wahlergebnisse in Ecuador, Brasilien und Nicaragua im "Superwahljahr" 2006. In Kolumbien, Peru oder Mexiko machten allerdings rechte beziehungsweise gemäßigte Kandidaten das Rennen. Der Umgang der Kirche mit den neuen Regierungen ist nicht einheitlich.


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Als VENEZUELAS Präsident Hugo Chávez im Rahmen einer feierlichen Zeremonie im Januar 2007 seinen Amtseid ablegte, nutzte er dazu die Formel: "Vaterland, Sozialismus oder Tod - ich schwöre den Amtseid." "Vaterland oder Tod" das hatte der Führer der "Bolivarischen Revolution" schon mehrfach ausgerufen, zuletzt am Krankenbett des kubanischen Revolutionsführers Fidel Castro.

Aufmerksam hatte auch Venezuelas Kirche die Annäherung des Landes an Kuba beobachtet. Bereits vor dem Jahr 2001 hatte Chávez mit Kuba vereinbart, dass Öl aus der venezolanischen Förderung nach Kuba exportiert werden soll und im Gegenzug kubanische Ärzte und Erzieher vor allem in den Armenvierteln Venezuelas arbeiten sollen. Mit Hilfe dieser Erzieher, aber vor allem dank der weitgehend zur Regierung Chávez stehenden Lehrerschaft, hielt die Bolivarische Revolution Einzug in die Klassenzimmer. Venezuelas Bischofskonferenz warnte im Jahr 2005 vor einer "zunehmenden Militarisierung der Gesellschaft" und verurteilte die "kriegerischen Äußerungen" des Staatspräsidenten, die sich insbesondere gegen die USA richteten.

Dass er in seiner Antrittsrede zur zweiten Amtszeit den Sozialismus zum Ziel seiner Arbeit erklärte, war jedoch neu. "Sozialismus und nochmals Sozialismus", so der Bildungsminister Venezuelas, Adan Chávez, soll fortan in den Schulen des Landes vermittelt werden. Die katholische Kirche gibt sich skeptisch: Chávez' Sozialismus gleiche einem Supermarkt, sagte Baltazar Porras, Erzbischof der Andenstadt Mérida. Das venezolanische Modell "Sozialismus im 21. Jahrhundert" lenke die Aufmerksamkeit von den eigentlichen Problemen ab. Denn obwohl die Ölwirtschaft Venezuelas boomt und riesige Gewinne abwirft (Venezuela ist inzwischen mit rund 2,8 Millionen Barrel Rohöl pro Tag achtgrößter Ölexporteur der Welt), stagnieren die Lebensverhältnisse der armen Bevölkerungsschichten: Immer noch lebt knapp ein Drittel der Venezolaner unterhalb der Armutsgrenze.

Erzbischof Porras hatte sich - wie der größte Teil des venezolanischen Episkopats - bereits vor den Wahlen im Jahr 2004 in Venezuela eindeutig gegen Chávez gestellt. Er befürchtete Wahlbetrug, Verstaatlichungen, Medienzensur und eine zunehmende Repression gegenüber der Kirche. Der Wahlbetrug blieb aus, Chávez gewann die Wahl 2004 gegen die demokratische Opposition und im Jahr 2006 die erneuten Wahlen haushoch, da es keine ernstzunehmenden Gegenkandidaten gab. Verstaatlichungen und Medienzensur jedoch trafen ein, und die Repression gegen die Kirche wurde stärker.

Aber Präsident Chávez, der früher in seiner sonntäglichen Fernsehsendung "Hallo, Präsident!" kräftig gegen die katholische Kirche gewettert hatte, entdeckt nun das Christentum als für sich nutzbaren Wert - und leistete daher seinen Amtseid "auf Jesus Christus, als größten Sozialisten aller Zeiten". Kurz darauf wurden evangelikale Missionare von der "Neuen Stämme Mission" des Landes verwiesen: Die Organisation sei ein "imperialistischer Eindringling", der der einheimischen Bevölkerung ihre Kultur raube.


Katholische Soziallehre gegen Sozialismus

Die Vollversammlung der Venezolanischen Bischofskonferenz (CEV) analysierte im Januar 2007 die Versuche der Regierung, das Alltagsleben der Menschen immer stärker im Sinne der Bolivarischen Revolution auszurichten. "Gleichgültig, welches politische Regime an der Macht ist, müssen in seinem Mittelpunkt der Mensch und seine Rechte stehen, muss es die demokratischen Werte fördern, von denen ein sehr wichtiger Wert der Schutz des Privateigentums und seine soziale Funktion ist", heißt es in der Abschlusserklärung. "Es gibt Situationen, über die wir Bischöfe nicht schweigen können und Wahrheiten, auf die wir weiterhin pochen werden, als da sind: die zentrale Bedeutung der Person, der Menschenrechte; der politische Pluralismus in Opposition zu einer einzigen Denkweise und der Ausschließung aus ideologischen oder anderen Gründen; die pluralistische Erziehung, offen gegenüber der Transzendenz und der Religion; der Kampf gegen Armut, Arbeitslosigkeit, rechtliche und soziale Unsicherheit und Gewalt; die Meinungsfreiheit und das Recht auf Information; eine positive Antwort auf die menschenunwürdige Situation unserer Brüder in Gefangenschaft und derjenigen, die sich verfolgt fühlen."

Chávez nutzt das venezolanische Erdöl, um Politik zu machen - und er hat die Möglichkeit dazu: Die venezolanischen Staatseinnahmen haben sich durch die Rohölförderung im vergangenen Jahr fast verdoppelt. In BOLIVIEN stützt er die Politik von Evo Morales, der im Januar 2006 als erster Angehöriger eines indianischen Volks zum Präsidenten des Andenstaates gewählt worden war. Evo Morales, der aus dem Volk der Aymara stammt, hat als Einlösung eines Wahlversprechens Teile der Gasvorkommen in Bolivien verstaatlicht. "Evo Morales repräsentiert die sozialen Bewegungen Boliviens; er steht mit seiner Regierung für einen Prozess, der den Ärmsten, also den Campesinos oder den Mineros, mehr Rechte einräumt. Evo ist eine starke Persönlichkeit, der von einer großen Mehrheit geachtet wird", schrieb kurz nach der Wahl der Jesuit Francisco Flores, Generalsekretär der Bolivianischen Bischofskonferenz.

Um seine Ziele zu erreichen, will der bolivianische Präsident die Verfassung ändern. Als ersten Schritt zur "Neugründung des Staates" fanden im Juli 2006 Wahlen zu einer Verfassunggebenden Versammlung statt. In der neuen Verfassung soll die indigene Bevölkerungsmehrheit des Landes mehr Rechte erhalten und die Umverteilung beziehungsweise die Verstaatlichung von Landbesitz festgeschrieben werden. Die Bolivianische Bischofskonferenz (CEB) hatte diese Reformen seit Jahren gefordert.

Daher schrieben die Bischöfe in einer Botschaft vom März 2006: "Als Kirche erkennen wir in der Verfassunggebenden Versammlung ein Zeichen der Zeit, eine große Gelegenheit, voller Hoffnung nach vorne zu schauen und Brücken der Versöhnung und des Miteinander, des aufrichtigen Dialogs und der Suche nach den notwendigen Übereinstimmungen für eine wahre Demokratie zu bauen, in der wir alle in Freiheit unsere Rechte und Pflichten ausüben können. Wir sind sicher, dass die neue politische Verfassung des Staates, legitimiert durch den Konsens der Bürger, eine geschwisterliche und friedfertigere Gesellschaft ermöglichen wird, wenn sie auch nicht die Lösung für alle Probleme bringen wird, die uns heute bedrängen."


Streit zwischen Regierung und Bischofskonferenz

Die Bischöfe verwiesen auf die katholische Soziallehre als "Anwendung des Evangeliums Jesu Christi für die soziale Wirklichkeit der Menschen" und erteilten damit den sozialistisch geprägten Aussagen einiger Politiker aus der bolivianischen Regierungspartei MAS eine Abfuhr. Gleichwohl sind die Bischöfe nicht gegen Verstaatlichungen: "Unter Beachtung dieses Rechtes ist es Sache des Staates, die natürlichen Ressourcen wie Land, Wasser, Bodenschätze und andere zu schützen, ganz besonders auch die natürlichen Brennstoffe, in die unser Land so viel Hoffnung setzt. Alle diese Güter sollen dem Wohl der gesamten Bevölkerung dienen, zum Schutz und zur Verteidigung der Umwelt beitragen, einen größtmöglichen Vorteil für unser Land bringen und bei einem ruhigen und gerechten Umgang auch die Zukunft unserer Kinder garantieren", heißt es in der Botschaft der CEB.

Kurz darauf kam es zwischen Regierung und der Bischofskonferenz zu einem heftigen Streit. Er war ausgelöst worden durch Äußerungen des bolivianischen Erziehungsministers Félix Patzi, der für eine Streichung des Religionsunterrichtes an den öffentlichen Schulen und eine radikale Trennung von Kirche und Staat eingetreten war. Patzi hatte der Kirche "inquisitorisches Verhalten" vorgeworfen und sie als "einen ideologischen Apparat, der sich seit jeher mit der Oligarchie verbünde" bezeichnet. Auf einem nationalen pädagogischen Kongress in der alten Hauptstadt Sucre hatte der Minister das "ungerechte Machtmonopol" der katholischen Kirche in der Erziehung angeprangert und eine "entkolonialisierte, säkulare und einheitliche Bildung" gefordert. Diese solle auch die Interessen der indigenen Bevölkerung einschließen.

Daraufhin rief der Vorsitzende der Bolivianischen Bischofskonferenz, Kardinal Julio Terrazas, Erzbischof von Santa Cruz, die Katholiken in Bolivien auf, aktiv ihren Glauben zu verteidigen und sich für die christliche Gestaltung der Gesellschaft einzusetzen. Der Religionsunterricht sei "notwendig, unverzichtbar und nicht verhandelbar". Man werde keine politischen Maßnahmen hinnehmen, die das Recht der Eltern auf freie Bildungswahl für ihre Kinder missachteten. "Wir Bischöfe haben deutlich gemacht, dass uns nicht daran gelegen ist, uns an wer weiß wie alte Gesetze zu klammern. Was wir wollen, ist ein Verständnis dafür, dass, wer eine Religion ausübt, respektiert werden muss", so Terrazas.


Ist die Kirche noch politischer Fürsprecher der indigenen Bevölkerungsmehrheit?

Im Hintergrund der Spannungen zwischen Regierung und Kirche stand das Thema der kolonialen Vergangenheit Boliviens. Patzi und andere Politiker der Regierungspartei MAS warfen der Kirche ihre frühere Verbindung zu den Herrschenden vor - diese Position habe sie ausgenutzt, um bis heute eine wichtige Rolle in der Bildung vor allem der Kinder zu spielen. Die Bolivianische Bischofskonferenz ging - etwas verklausuliert - in Gegenstellung: "Die Geschichte unseres Landes und das soziale Wirken der katholischen Kirche zeigen fernab von einseitigen Erklärungen ihr Engagement für die Entwicklung des Landes und der Werte Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden."

Letztendlich konnte der Streit, der sich über mehrere Monate hingezogen hatte, jedoch beigelegt werden. Nach einem Treffen zwischen Präsident Morales und Kardinal Terrazas im Oktober 2006 wurde mitgeteilt, dass auch weiterhin Religionsunterricht in den staatlichen Schulen Boliviens stattfinden werde. Dabei sollen jedoch "die vielfältigen kulturellen und religiösen Wurzeln des Landes beachtet werden". Die bolivianischen Medien werteten dies als Punktsieg für die katholische Kirche. Die letzte Entscheidung über die Zukunft des Religionsunterrichts an den Schulen in Bolivien aber bleibt der Verfassunggebenden Versammlung vorbehalten. Bis dahin gibt es von beiden Seiten her eine vorsichtige Annäherung an die jeweils andere Position.

Die katholische Kirche, einst in Bolivien einziger politischer Fürsprecher der indigenen Bevölkerungsmehrheit, muss feststellen, dass die indigene Bewegung kaum noch Verbindungen zur Kirche hat. Im Gegenteil: Die intellektuellen Führer der Indigenen, die zumeist dem MAS nahe stehen, sehen in der Kirche eher einen politischen Gegner. Und die Versäumnisse in der Indigenen-Pastoral der letzten zehn Jahre lassen sich nicht leugnen. Dennoch akzeptiert Staatspräsident Morales die Kirche als Vermittler, so zum Beispiel im Konflikt zwischen den (armen) Bundesstaaten des Hochlands und den (reichen) des Tieflands, der das Land tief gespalten hat. Kardinal Terrazas selbst brachte die Politiker wieder an einen Tisch.


Vertreter einer christlichen Linken

Während Evo Morales, der ehemalige Cocabauern-Anführer, selbst ein eher distanziertes Verhältnis zur Kirche hat, ist Rafaél Correa in ECUADOR ein bekennender und aktiver Katholik. 1963 in einer Mittelschichtsfamilie in Guayaquil geboren, studierte Correa Wirtschaft, auch in den USA und in Belgien. Er sieht sich in der Linie der katholischen Soziallehre und arbeitete daher auch als freiwilliger Missionar in einer indigenen Gemeinde. Dies erlaubte ihm, neben Spanisch, Englisch und Französisch die Quechua-Sprache der Indigenas Ecuadors, die 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen, zu erlernen. Seine religiöse Motivation mischte Correa mit seinem sozialen Anspruch. Er versichert, links zu sein, "aber nicht eine marxistische, sondern eine christliche Linke" zu vertreten.

Correa absolvierte eine universitäre Karriere. Zuletzt Professor für Wirtschaftswissenschaften, wurde er im April 2005 überraschend nach der Abberufung von Präsident Lucio Gutiérrez als Wirtschaftsminister ins neue Kabinett unter Präsident Alfredo Palacio berufen. Der neue Minister sah, wie schon zuvor als Professor, im Schuldendienst des Landes die Hauptursache der wirtschaftlichen Probleme Ecuadors. Zudem kritisierte er die internationale Kreditpolitik für sein Land und baute wirtschaftliche sowie politische Beziehungen zur venezolanischen Linksregierung unter Chávez auf. Der Regierung tat er damit keinen Gefallen: Die internationalen Finanzmärkte reagierten sensibel, man befürchtete Instabilität und eine Abkehr vom Schuldendienst. Correa wurde nach nur 106 Tagen im Amt als Minister entlassen.

Als Präsident nahm sich Correa umgehend der Frage der Auslandsschulden wieder an und kündigte die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Ecuador habe seine Restschulden beim IWF beglichen, sagte Correa und fügte hinzu: "Wir wollen nichts mehr von dieser internationalen Bürokratie hören. Wir werden uns von niemandem mehr erpressen lassen." Der Weltbank drohte der Präsident, sie gegebenenfalls des Landes zu verweisen. "Ich bin Humanist, Christ und links. Humanist, weil für mich Politik und Wirtschaft im Dienste der Menschheit stehen; Christ, weil ich von der katholischen Soziallehre der Kirche herkomme, und links, weil ich an die Gleichheit, Gerechtigkeit und den Vorrang der Arbeit vor dem Kapital glaube", hatte Correa im Wahlkampf 2006 erklärt, als er sich um das Präsidentenamt bewarb.

Im November 2006 hatte sich Correa in der Stichwahl gegen den Erstplatzierten des ersten Wahlgangs, Alvaro Noboa, durchgesetzt. Für die Übel im Land sah Correa nur "korrupte und nichtsnutzige Politiker" verantwortlich. Um ein "neues Vaterland" zu gründen, kündigte der neue Präsident gleich zu seinem Regierungsantritt die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung mit "uneingeschränkter Machtausübung" an. Bereits im Wahlkampf hatte Correa versprochen, die Verfassung aus dem Jahr 1999 zu überarbeiten, um damit die Vorherrschaft der traditionellen Parteien im Kongress einzuschränken.

Da Correa im Kongress über keine eigenen Anhänger verfügt, hatte er nach seinem Amtsantritt per Dekret eine Volksbefragung über die Verfassunggebende Versammlung angeordnet. Das Projekt der Volksbefragung hatte im Kongress starke Gegner. Es kam zu innenpolitischen Konflikten, bei denen - als Höhepunkt - das Oberste Wahlgericht 57 von 100 Kongressabgeordneten das Mandat entzog. Indigenengruppen und Sozialbewegungen stützten mit Demonstrationen den Kurs von Präsident Correa. Es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Der Vorsitzende der Ecuadorianischen Bischofskonferenz und Bischof von Machala, Néstor Herrera, rief im Radio zu Ruhe und Dialog auf und bot die Hilfe der Kirche als Vermittlerin an: "Die Kirche sieht mit großer Sorge und einer gewissen Angst, was passieren könnte, wenn diese Konfrontation zwischen den staatlichen Mächten weitergeht. Denn wenn nicht klar ist, wer uns regiert, dann bricht sofort sozialer Tumult aus, und wenn er einmal angefangen hat, dann ist er sehr schwer aufzuhalten." In einer Erklärung vom 1. April 2007 betonte die Bischofskonferenz unter der Überschrift "Lasst uns das Land nicht zerstören", der Konflikt führe das Land in Auflösungserscheinungen.

"Diese Konfrontation ist gekennzeichnet durch eine gewaltbereite Sprache, eine Missachtung der Gesetze, eine Interpretation der Verfassung nach dem Geschmack der Parteien und die Manipulation von Personen und Institutionen", schreiben die Bischöfe. "In diesen Momenten wissen wir nicht, wen wir respektieren und unterstützen sollen. Die Aussagen der obersten Leiter von Exekutive, Legislative, Justiz und des Obersten Wahlgerichts sind weit davon entfernt, die Situation zu erhellen und führen zu Konfusion." Die Abstimmung über die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung fand am 15. April statt und brachte dem Präsidenten eine deutliche Mehrheit: Vier Fünftel der Wähler hatten für die Einberufung gestimmt.

Zwar hatte die Bischofskonferenz zu Ruhe und Respektierung der Bürgerrechte aufgerufen und damit eine moderierende Haltung eingenommen. Doch sie steht selbst unter Druck, da im Februar 2007 erneut die Finanzverwaltung der Kirche in den Medien zum Thema wurde. Die Bischofskonferenz hatte Gelder in einer Auffanggesellschaft zur Sicherung von Bankguthaben der Sparer aus Vermögenswerten der Schuldner zusammengebrochener Banken (AGD) geparkt und durch den günstigen Kauf von Immobilien der AGD und ihren späteren Verkauf gute Gewinne erzielt. Dies wurde in Ecuador als Skandal gebrandmarkt. Rafaél Correa, der die Verschuldung des Landes immer noch als Hauptübel bewertet, wird dieses Gebaren der Kirche mit dem Geld privater Schuldner nicht gutgeheißen haben.


Kirche vermittelt und moderiert

Drei Länder mit neuen "linken" Regierungen, drei unterschiedliche Realitäten, drei unterschiedliche Positionen der Kirche. Als Fazit lässt sich festhalten, dass es zwischen den neuen Regierungen und der katholischen Kirche zu einem vorsichtigen Annäherungsprozess gekommen ist. In Konfliktfällen vertrauen auch die neuen "linken" Regierungen auf die Kirche als Vermittlerin und Moderatorin. Auch in den anderen Ländern mit "linken" Regierungen lässt sich eine weitere Annäherung von Staat und Kirche beobachten: In CHILE gibt es inzwischen zwischen Bischofskonferenz und Staatspräsidentin Michelle Bachelet regelmäßige Kontakte; bei ihrer Amtseinführung waren mehrere Bischöfe anwesend.

In ARGENTINIEN hat sich mit Néstor Kirchner nicht wirklich etwas im Verhältnis Staat-Kirche geändert. In BRASILIEN hat sich die Kirche mehrfach deutlich zur Politik Lulas geäußert (vgl. HK, Juli 2006, 371 ff.). In NICARAGUA hat die katholische Kirche den neuen Staatspräsidenten Daniel Ortega an seine Wahlversprechen erinnert und sichere Arbeitsplätze gefordert. Im Wahlkampf sei die Schaffung von neuen Arbeitsstellen das große Thema gewesen, sagte der Erzbischof von Managua, Leopoldo Brenes. Doch die Arbeitslosen seien noch immer arbeitslos, "und die, die Arbeit haben, müssen fürchten, sie zu verlieren". Die Bischofskonferenz ist damit einverstanden, dass Kardinal Miguel Obando y Bravo den neu geschaffenen Nationalen Rat für Wiederversöhnung und Frieden leitet.

Ein Statement der Bischöfe weist darauf hin, dass Obandos Rolle ja nicht impliziere, dass sich die Kirche der Exekutive in irgendeiner Weise unterordne oder einseitig Partei ergreife. Gegen den "Trend" haben Mexiko, Peru und Kolumbien gewählt: Hier blieben konservative Parteien an der Macht. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche ist aber auch in diesen Ländern nicht einheitlich.


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Christian Frevel leitet die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und Bildung bei der Bischöflichen Aktion Adveniat. Zuvor war er Redakteur und Öffentlichkeitsreferent bei verschiedenen Zeitungen, Zeitschriften und Institutionen, von 1999-2002 stellvertretender Chefredakteur des Missionsmagazins "kontinente" in Köln.


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Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
61. Jahrgang, Heft 6, Juni 2007, S. 294-298
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Die "Herder Korrespondenz" erscheint monatlich.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2007