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MELDUNG/055: Religionspädagogik und -didaktik - Aufbau einer Datenbank zu Korankommentaren (idw)


Justus-Liebig-Universität Gießen - 17.12.2018

Religionspädagogik und -didaktik: Aufbau einer Datenbank zu Korankommentaren

Professur für Islamische Theologie und ihre Didaktik der Universität Gießen beteiligt am Kooperationsprojekt "Linked open Tafsīr" mit den Universitäten Frankfurt und Hamburg


Der Koran bildet sowohl als Quelle religiösen Wissens als auch als Gegenstand vieler Themenfelder einen zentralen Bestandteil der Erziehung und Bildung für Muslime. Die Inhalte reichen von den Prophetengeschichten, über Genderaspekte bis hin zur Gewaltfrage und vielen weiteren wichtigen Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Was bedeutet das für den Religionsunterricht? Nicht hinlänglich beantwortet ist bislang die Frage, wie angesichts der Fülle dieses Materials in der Religionspädagogik und -didaktik mit tradiertem Wissen in Bezug auf die Schriftquellen des Islam umgegangen werden soll. Antworten soll ein Kooperationsprojekt von Goethe-Universität Frankfurt, Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und Universität Hamburg (UHH) liefern, das bis zum Jahr 2022 von der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Goethe-Universität gefördert wird. Die AIWG- Longterm-Forschungsgruppe "Linked open Tafsīr" wird dazu eine online abrufbare Datenbank frühislamischer Korankommentare (Tafsīr) aufbauen. Die Leitung der Forschungsgruppe übernehmen Prof. Dr. Ömer Özsoy (Goethe-Universität), Prof. Dr. Yasar Sarikaya (JLU) und Prof. Dr. Serdar Kurnaz (UHH).

"Das Hauptanliegen der Kooperation ist die Verzahnung zwischen fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Komponenten der Islamischen Theologie, die andernfalls voneinander isolierte modulare Einheiten bleiben würden", erläutert Prof. Dr. Yasar Sarikaya, Professur für Islamische Theologie und ihre Didaktik am Fachbereich 04 - Geschichts- und Kulturwissenschaften der JLU. Vorgesehen sei daher, dass alle Antragsteller sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Datenbankerstellung und Netzwerkmodellierung beteiligt werden, so dass einerseits die Fachdidaktik in Berührung mit Textgrundlagen komme und mit deren Komplexität konfrontiert werde sowie andererseits die Fachwissenschaft mit praktischen Fragen herausgefordert werden könne. Prof. Sarikaya bringt seine fachdidaktische und hadithwissenschaftliche Kompetenz auf der Basis früherer Forschungen in die Projektarbeit mit ein. Sein Teilprojekt wird von der AIWG mit rund 267.000 Euro gefördert.

Eine Analyse der korandidaktischen Konzeptionen, die den bisher vorhandenen Unterrichtsmaterialien für den Islamischen Religionsunterricht an Lernorten Familie, Moschee und Schule sowie den bereits vorliegenden Fachtexten zugrunde liegen, stelle ein Novum dar, erklärt Prof. Dr. Yasar Sarikaya. Ein Blick auf die deutschsprachige Literaturlage im Bereich der Vermittlung koranischer Inhalte zeige, dass die vorhandenen Publikationen noch keine eingehende, fachwissenschaftlich fundierte und fachdidaktisch gestützte Grundlage bieten.

Unbeantwortet bleibe dabei oft, wie mit tradiertem Wissen in Bezug auf den Koran und Hadith umgegangen werden soll - und zwar mit Blick auf die Vielfalt des tradierten Wissensbestands, die dem Koranverständnis eine deutliche Richtung geben. "Es handelt sich dabei um ein reiches Material, welches über Jahrhunderte hinweg bis heute de facto als eine zentrale Wissens- und Erkenntnisquelle gilt. Eltern, Erzieherinnen und Erzieher sowie Pädagoginnen und Pädagogen sind mit dieser Thematik fachlich nicht genügend vertraut, weswegen sich im schulischen - und noch stärker im außerschulischen - Islamunterricht eine gewisse Willkür hinsichtlich der Auswahl, Anwendung und Deutung von Überlieferungen beobachten lässt", so Prof. Sarikaya.

Die Sammlung der Überlieferungen, die zu unterschiedlichen, thematisch geordneten Korpora mit Hilfe des hiesigen Projektes zusammengetragen werden, sollen es erlauben, über religionspädagogische Themen im Lichte der historisch-kritischen Koranforschung zu reflektieren und die Ergebnisse für eine konstruktivistische Erziehungs- und Bildungsarbeit fruchtbar zu machen. Dieser Transfer soll einen Beitrag dazu zu leisten, eine plausible Fachdidaktik zu begründen, die den Koran als Zeuge seiner Zeit anerkennt, ihn als solchen zu verstehen versucht und den Anspruch stellt, in den Koran keine Bedeutungen hineinzulesen und -interpretieren, die dort so nicht stehen bzw. nicht gemeint waren.


AIWG
Die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) ist eine universitäre Plattform für Forschung und Transfer in islamisch-theologischen Fach- und Gesellschaftsfragen. Sie ermöglicht überregionale Kooperationen und Austausch zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der islamisch-theologischen Studien und benachbarter Fächer sowie Akteurinnen und Akteuren aus der muslimischen Zivilgesellschaft und weiteren gesellschaftlichen Bereichen. Die AIWG wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Stiftung Mercator.

Die 1607 gegründete Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) ist eine traditionsreiche Forschungsuniversität, die rund 28.000 Studierende anzieht. Neben einem breiten Lehrangebot - von den klassischen Naturwissenschaften über Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Gesellschafts- und Erziehungswissenschaften bis hin zu Sprach- und Kulturwissenschaften - bietet sie ein lebenswissenschaftliches Fächerspektrum, das nicht nur in Hessen einmalig ist: Human- und Veterinärmedizin, Agrar-, Umwelt- und Ernährungswissenschaften sowie Lebensmittelchemie. Unter den großen Persönlichkeiten, die an der JLU geforscht und gelehrt haben, befindet sich eine Reihe von Nobelpreisträgern, unter anderem Wilhelm Conrad Röntgen (Nobelpreis für Physik 1901) und Wangari Maathai (Friedensnobelpreis 2004). Seit dem Jahr 2006 wird die Forschung an der JLU kontinuierlich in der Exzellenzinitiative bzw. der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern gefördert.

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-giessen.de/fbz/fb04/institute/islamtheo/personen/sarikaya-yasar
https://aiwg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution217

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Justus-Liebig-Universität Gießen, 17.12.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2018

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