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STANDPUNKT/025: Karel Wojtyla - Der unheilige Werdegang eines Heiligen - Teil 1 (Gerhard Feldbauer)


Der unheilige Werdegang eines Heiligen
Karel Wojtyla, der sich als Papst Johannes Paul II. nannte

Teil Eins
Wie er Pontifex und ein zuverlässiger Gehilfe der USA-NATO-Strategie wurde

von Gerhard Feldbauer, 8. Mai 2014



Mit Beginn der Ost-West-Blockkonfrontation wurde es charakteristisch für den Kurs der Kurienhierarchie an die Spitze der Papstmonarchie einen Kardinal, welcher der Politik der USA und der Nato verpflichtet war, zu bringen. Zu einem offensichtlichen Beispiel dafür wurde der Pole Karol Wojtyla. Dieses Ziel durchzusetzen erschien besonders nach der Wahl Johannes XXIII. (1958-1963) als notwendig. Dieser Papst hatte eine Liberalisierung der Kirche, der Versöhnung mit den Juden, des Dialogs mit dem Osten, der Aufgeschlossenheit gegenüber der Dritten Welt, eine Lockerung der Blockkonfrontation sowie der Friedenssicherung eingeschlagen und war damit auf unverhohlene Feindschaft der USA und ihres reaktionären Klerus gestoßen. Mit Paul VI. (1963-1968) kam dann wieder ein Papst auf den Heiligen Stuhl, der als Kardinal Giovanni Batista Montini eng mit den US-Geheimdiensten zusammengearbeitet hatte und an der Organisation der Fluchthilfe für NS-Kriegsverbrecher auf der sogenannten Rattenlinie beteiligt gewesen war. Dennoch war man in Washington mit ihm nicht zufrieden, da er zwar deren traditionellen Kurs folgte, aber nicht entschieden genug die Ergebnisse des II. Vatikanischen Konzils wieder aufhob und auch keine energischen Schritte gegen die Befreiungstheologie in Südamerika unternahm. Umstritten war zunächst auch die von seinem Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli eingeleitete "neue vatikanische Ostpolitik". Seine 1967 erlassene wichtigste Enzyklika "populorum progressio" (Die Entwicklung der Völker) wurde sogar als profunde Kritik am Kapitalismus gesehen.


Wurde Johannes Paul I. ermordet?

Doch dann kam Karol Wojtyla. Dieser polnische Kardinal wurde am 16. Oktober 1978 als erster nicht italienischer Papst seit 455 Jahren gewählt. Trotz einer umfangreichen, weitgehend geheim betriebenen Kampagne zu seinen Gunsten, hatte es zuvor eine Panne gegeben. Das vorangegangene Konklave hatte nicht zum vorgesehenen Ergebnis geführt. Das Kardinalskollegium hatte am 26. August überraschend den als Sohn eines Arbeiters geborenen Albino Luciano zum Papst Johannes Paul I. (26.8.- 28.9.1978) gewählt. Als er nach nur 33 Tagen plötzlich verstarb, wurde frühzeitig geargwöhnt, er sei einem Mord zum Opfer gefallen. Wie auch immer, damit war der Weg frei für Wojtyla. Dieser nahm nach seiner Wahl den Namen Johannes Paul II. (1978-2005) an.


Die Widerauferstehung der Connection USA-Vatikan

Mit Wojtyla wurde nicht schlechthin ein Pole Papst, sondern ein erbitterter Gegner der kommunistischen Regierungen in Warschau wie des sozialistischen Blocks insgesamt. Er unterhielt enge Beziehungen zum US-amerikanischen Klerus und führte fort, was Vatikan-Kenner als Connection USA-Vatikan bezeichnen. Sie war schon während der engen Zusammenarbeit des OSS (Vorläufer der CIA) mit dem Päpstlichen Geheimdienst Pro Deo begründet worden. Nach einer gewissen Stagnation unter Paul VI. lief sie nun unter Wojtyla zur Hochform auf. Der Klerus der USA hatte diesen, in Übereinstimmung mit der CIA, schon frühzeitig als Nachfolger Paul VI. ins Auge gefasst und systematisch aufgebaut. Der faschistenfreundliche Pius XII. (1939-1958) ernannte ihn 1958 zum Weihbischof von Krakau. 1963 wurde er Erzbischof und 1967 mit 47 Jahren jüngster Kardinal der Kurie. Von 1962 bis 1965 nahm er an allen vier Sitzungsperioden des II. Vatikanischen Konzils teil. Trotz sozialistischer Machtverhältnisse verfügte die katholische Kirche in Polen über nahezu unbeschränkte Handlungsfreiheit. Polen stand hinter Italien, Frankreich und Spanien an vierter Stelle in Europa in der Zahl an Katholiken, besaß die größte Zahl an Kirchen und war das Land, in dem in dieser Zeit die meisten Priester geweiht wurden. 1976 reiste der Militärbischof und Schirmherr des Malteserordens, Kardinal Terence Cooke, zur Kontaktaufnahme mit Wojtyla nach Polen und lud ihn in die USA ein, wo er u.a. einen Vortrag an der Harvard University hielt. "The Harvard Crimson Newspaper" lancierte ihn danach am 30. Juli 1976 erstmalig als Papabili (Papstkandidaten) in die Öffentlichkeit. Von da an kümmerten sich einflussreiche Leute darum, seine Wahl abzusichern. Zu ihnen gehörte auch der führenden Theoretiker der Roll back-Strategie des Sozialismus, der 1928 in Warschau geborene Zbigniew Brezezinski, langjähriger Sicherheitsberater Präsident Carters. Nach dem mysteriösen Tod Johannes Paul I. am 28. August 1978 reiste er zur Teilnahme an dessen Beisetzung als Vertreter des US-Präsidenten nach Rom. Dort hielt er sich anschließend während des ganzen Konklaves auf, dass Wojtyla zum Papst wählte. Dieser bot seinem Intimus Ratzinger an, die Kongregation für katholische Erziehung zu übernehmen. Der lehnte jedoch ab und wartete auf höhere Weihen. Solche wurden ihm dann 1981 mit der Ernennung zum Chef der Kongregation für Glaubensfragen zuteil.


Die CIA in der USA-Vatikan-Lobby

In der USA-Vatikan-Lobby spielte der elitäre Souveräne Malteser Orden (so der volle Name) auf Grund seines Masseneinflusses eine gewichtige Rolle. Unter seinen führenden Persönlichkeiten befanden sich die Kardinäle Joseph Ratzinger und Joseph Höffner (Bundesrepublik), Franz König (Österreich), Vernon Walters und William Casey (USA/CIA) und NATO-General Alexander Haig (USA). Die Malteser gingen aus dem im 11. Jahrhundert während der Belagerung Jerusalems gegründeten bewaffneten Hospitalorden der Johanniter hervor. Von den Maltesern Casey und Haig liefen wichtige Verbindungen zum Center of Strategic and International Studies an der Georgetown University, dem die beiden angehörten. Zu weiteren prominenten Mitgliedern zählten Ronald Reagan und Henry Kissinger und der führende CIA-Mann William Colby. Das Institut arbeitete gegen den "kommunistischen Einfluss" in Ländern der westlichen Hemisphäre Strategien aus, die später auch Karel Wojtyla als Papst zugingen. Eine weitere maßgebliche Rolle bei der Wegbereitung Wojtylas auf den Papstthron spielte das Gotteswerk Opus Dei.


Ein Pakt mit der CIA

Als Johannes Paul II. nahm Wojtyla aktiv am Kalten Krieg gegen den sozialistischen Block teil und förderte mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln besonders die Opposition in seinem Heimatland. Bereits im November 1978 sei es zu einem ersten Treffen zwischen ihm und der CIA gekommen. Dem Papst wurde zugesichert, ihn regelmäßig mit nachrichtendienstlichen Informationen zu versorgen. Wie eine ZDF-Sendung am 28. März 2007 offenbarte, besuchte ihn William Casey (1981 bis 1987 CIA-Chef) regelmäßig persönlich. Im Februar 1992 berichtete die "Times", dass Wojtyla und Präsident Reagan bei einem Treffen am 7. Juni 1982 im Vatikan eine "Heilige Allianz" gegen den Kommunismus schmiedeten. Bei den geheimen Absprachen sei es um das Überleben der verbotenen polnischen Gewerkschaft Solidarnosc sowie darum gegangen, die sowjetische Position in Osteuropa zu schwächen. Für den Religionswissenschaftler Hubertus Mynarek, ehemaliger Dekan der katholisch-theologischen Fakultät der Wiener Universität, der 1972 als erster Theologieprofessor im deutschsprachigen Raum aus der katholischen Kirche austrat, war diese "Zusammenarbeit zwischen dem Vatikan und den USA, zwischen dem Papst und Reagan" der "entscheidende Faktor", für den "Zusammenbruch des sowjetischen Regimes" (Hubertus Mynarek: Der polnische Papst, Freiburg, 2005).

Carl Bernstein und Marco Politi berichteten in ihrem Buch "Seine Heiligkeit - Johannes Paul II. und die Geheimdiplomatie des Vatikans" (München, 1997), dass Wojtyla dazu auch eine enge konspirative Zusammenarbeit vor allem mit Vernon Walters, einem der ranghöchsten US-amerikanischen Agentenführer, pflegte.


Ein Dorfraufbold als Verbündeter

In Polen gewann der Heilige Stuhl mit Lech Walesa einen Volksverführer par Excellence, der es mit jedem Ablasshändler des Mittelalters aufnehmen konnte. Ob die heutigen Anschuldigungen gegen ihn, er habe insgeheim auch mit den Geheimdiensten der Volksrepublik zusammengearbeitet und Spitzeldienste geleistet, zutreffen, lässt sich kaum beurteilen. Und ob die Vorwürfe des Historikers Pawel Zyzak, der Solidarnosc-Gründer und vorgebliche Arbeiterführer sei ein Dorfraufbold gewesen und auch vor antireligiösen Ausfällen nicht zurückgeschreckt ("Neues Deutschland", Berlin, 31. März 2009), sei dahingestellt, ebenso, ob sie dem Vatikan über seinen stets bestens informierten Geheimdienst Pro Deo bekannt waren. Von einer Zusammenarbeit hätten sie den polnischen Papst kaum abgehalten, hat sich dieser doch auch sonst mit wahren das Tageslicht scheuenden Gestalten zusammengetan, wenn es denn um den Kampf gegen den Kommunismus ging.


Eine Milliarde Dollar für Lech Walesas Gewerkschaft

Ein wichtiger Bereich der Zusammenarbeit von Vatikan und USA wurde neben der politischen die materielle und direkte finanzielle Hilfe für die Solidarnosc. Gelder, welche die USA bereitstellten, liefen über den Chef der Vatikanbank IOR, Erzbischof Marcinkus, der einer Komplizenschaft bei der Ermordung des christdemokratischen Parteiführer in Italien, Aldo Moro, beschuldigt wurde. Wojtyla soll seinen Status als Staatsoberhaupt dazu genutzt haben, bei Reisen nach Polen Gelder in seinem Diplomatengepäck zu befördern. Wie E. R. Carmin in seinem Buch "Das schwarze Reich" meint, werde die finanzielle Hilfe, die Wojtyla selbst der Solidarnosc für ihre Untergrundarbeit zukommen ließ, auf weit über 100 Millionen Dollar geschätzt. In deren Finanzierung war auch das Mitglied der faschistischen Putschistenloge P2, Roberto Calvi, und außerdem Finanzmanager des Vatikans, einbezogen. Laut Calvi selbst soll die Finanzhilfe insgesamt mehr als eine Mrd. Dollar betragen haben ("Tagespiegel", 16. März 2009). Der nach dem Bankrott seiner Bank nach London geflohene Calvi habe gedroht, die Verwicklung des Papstes persönlich zur Sprache zu bringen, wenn die Ermittlungen gegen ihn nicht eingestellt würden. Danach wurde er per Selbstmord umgebracht.


Ein CIA-Agent für die Solidarnosc

Bei der Solidarnosc setzten die CIA in Zusammenarbeit Pro Deo einen ihrer erfahrensten Agenten, Corrado Simioni, ein. Im Mordkomplott gegen Moro hatte er, wie bei den Untersuchungen der hierfür eingerichteten italienischen Parlamentskommission bekannt wurde, als Anstifter (Einflussagent) eine entscheidende Rolle gespielt. Durch Berichte des "Corriere della Sera" und des "Espresso" wurde am 14. bzw. 28. März 1993 bekannt, dass Johannes Paul II. den Agenten fünf Monate vorher in Privataudienz empfangen hatte, begleitet von dem führenden Pro Deo-Mann Abbé Pierre.

Nach der Zerschlagung des Sozialismus in Europa beeilte sich Wojtyla in seiner dritten Enzyklika "centesimus annus", die er anlässlich des 100. Jahrestages von "Rerum novarum" 1991 erließ, die Verurteilung des "Sozialismus als Pest" durch Leo XIII. zu bekräftigen: eine "Absage an jede Form des Sozialismus".


Schützenhilfe für Faschisten und Rassisten

Es muss kaum noch betont werden, dass die von Silvio Berlusconi, Mitglied des Dreierdirektoriums der faschistischen Putschloge P2, angeführte rechtsextreme Koalition mit AN-Faschisten und Lega-Rassisten vom Vatikan gefördert wurde, wo immer sich dazu Gelegenheit ergab. So leistete der Papst kurz vor Weihnachten 2000 mit einem Empfang des Österreichers Jörg Haider, der die traditionelle Weihnachtstanne für den Petersplatz nach Rom brachte, der Wahlhilfe für Berlusconi und dessen Gesinnungsfreunde Schützenhilfe. Der in seiner Heimat "Duce der Carinzia" (Führer Kärntens) genannte Haider durfte als Gast des Papstes offen seine Sympathien für AN und Lega bekunden. Zwei Wochen vor dem Urnengang, der am 13. Mai 2001 erfolgte, rief der römische Kardinal Camillo Ruini dann offen zur Wahl Berlusconis auf, was im tiefkatholischen Italien zweifelsohne zu dessen Wahlsieg beitrug. Einen solchen Schritt ging, noch dazu unter Wojtyla, kein Amtsträger der Kurie ohne die Zustimmung seines Herrn auf Erden.


"Wir sind keine Pazifisten"

Wojtyla erteilte auch der von Johannes XXIII. verfolgten Politik eines Beitrags zu Entspannung und Friedenssicherung (Enzyklika "Pacem in terris") eine Absage. Zu seinem nach dem ersten Irakkrieg 1991 erlassenen, sehr allgemein gehaltenen Friedensappell an alle Kriegsparteien stellte er ausdrücklich klar: "Wir sind keine Pazifisten, wir wollen keinen Frieden um jeden Preis". Das war eine deutliche Parteinahme zugunsten der USA, die einen grausamen Feldzug geführt hatten. Der Vatikan beteiligte sich auch an der Entfesselung des Bürgerkrieges auf dem Balkan und der Zerschlagung Jugoslawiens, indem der Kirchenstaat zeitgleich mit Deutschland und noch vor der EU den katholisch dominierten Separatstaat Kroatien diplomatisch anerkannte.


Die Missetaten des weißgetünchten Fürsten

Insgesamt hat Johannes Paul II. "die Restauration von Moral und Lehre der katholischen Kirche ins Werk gesetzt, um den Gefahren einer zunehmenden Verweltlichung der 'Herde' zu begegnen, und hat alle von der offiziellen oder offiziösen Linie des Vatikans abweichenden Stimmen unterdrückt" (Rosella Lotti: "Der weißgetünchte Fürst. Taten und Missetaten eines umstrittenen Pontifikats, La Contradizione, Nr. 108, Rom, Juni 2005). Wie Rosella Lotti schrieb, verstand es Wojtyla, dazu perfekt "die Instrumente zu nutzen und zu handhaben, welche die so geschmähte Moderne ihm bot: etliche seiner Aktionen waren bewusst auf Spektakel angelegt, und ihm lag daran, einen bestimmten Typ von Botschaften zu übermitteln, der Konsens herstellen, die kirchliche Autorität ausweiten und überall neue Proselyten gewinnen konnte." Unter der Herrschaft Wojtylas wurden die Befreiungstheologen in Lateinamerika verfolgt, aber auch unorthodoxe Meinungen weltweit abgestraft, die absolutistische Leitung der Weltkirche verstärkt, den Gläubigen im Weltkatechismus von 1992 ein mittelalterliches Strafregister für ihre "Sünden" verkündet, in dem selbst die Drohung mit dem "ewigen Tod in der Hölle" nicht fehlte. Das alles umgab der polnische Papst in medienwirksamen Auftritten mit einer modernen Fassade.

Als er am 2. April 2005 starb, hatte er in seiner 26 Jahre und fünf Monate währenden Amtszeit den Aufbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils wieder gestoppt und eine regelrechte Gegenreformation eingeleitet. Seine reaktionäre Wende wurde in Fragen wie Zölibat, Scheidung, Frauenpriestertum, Sexualmoral und vielen anderen sichtbar.


Hundertausende Katholiken verließen die Kirche

Dieser Kurs rief nicht nur in Italien Widerstand und Protest hervor. Seit Mitte der 1980er Jahre häuften sich in Europa die Kirchenaustritte. 1989 verließen allein in der Bundesrepublik 93.000 Mitglieder die katholische Kirche. Nach dem Anschluss der DDR an die BRD vergrößerte sich zwar die Zahl der Christen in Deutschland, wovon jedoch in erster Linie die protestantischen Kirchen profitierten. Sie lagen 2004 mit 31 Prozent Mitgliedern nur knapp unter der katholischen Kirche (31,1).


Demnächst

Teil Zwei

Ein Inquisitor, der jegliche Kritik und abweichende Meinungen unerbittlich verfolgte

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2014