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INTERNATIONAL/077: Pakistan - Imagepflege mit Falschinformationen, Taliban bedrohen Professoren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Mai 2012

Pakistan: Imagepflege mit Falschinformationen - Taliban bedrohen Professoren

von Ashfaq Yusufzai

Taliban betreiben Imagepflege mit Falschinformationen - Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Taliban betreiben Imagepflege mit Falschinformationen
Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Peshawar, 21. Mai (IPS) - Professoren an der pakistanischen Universität von Peshawar haben Todesdrohungen erhalten, weil sie angeblich Werke des indisch-britischen Schriftstellers Salman Rushdie in den Lehrplan ihrer Hochschule aufnehmen wollen. Beobachtern zufolge handelt es sich um fiktive Behauptungen, von denen sich die Taliban eine Verbesserung ihres Ansehens versprechen, das sie durch ihre Selbstmordattentate eingebüßt haben.

"Die Taliban in Pakistans Stammesgebieten nahe der afghanischen Grenze werden alles versuchen, um sich in der Öffentlichkeit Respekt zu verschaffen", meint dazu Javid Khan, Professor am Institut für politische Wissenschaften der Universität von Peshawar. Die jüngsten Morddrohungen seien der verzweifelte Versuch der Islamisten, ihr durch Anschläge auf Moscheen, Trauerzüge und Marktplätze ramponiertes Image aufzupolieren.

Zwei Professoren erhielten am 1. Mai identische Briefe, in denen sie aufgefordert wurden, sich auf ihren Tod vorzubereiten und ihr Begräbnis zu arrangieren. "Ich setze Sie hiermit auf die Liste jener Personen, die sterben müssen. Mich hat Ihre Freundschaft mit dem Gotteslästerer und Apostaten Salman Rushdie zutiefst schockiert", heißt es in den Schreiben.

Salman Rushdie, vom ehemaligem iranischen Staatspräsidenten Ayatollah Khomeini im Februar 1989 für sein Buch 'Die satanischen Verse' mit einer Todesfatwa belegt, wird bis heute von Fundamentalisten als Feind des Islam gebrandmarkt.


Wiederholte Drohungen

"Nicht zum ersten Mal schicken Taliban Briefe an Professoren der Universität von Peshawar". meinte der Polizeioffizier Sajid Khan. "Die gleichen Personen wurden vor einem Jahr mit Telefondrohungen traktiert." Die Briefe tragen die Unterschrift von Muhammad Tariq Afridi, der sich selbst als Taliban-Chef der Nachbaragenturen (Bezirke) Orakzai und Dara Adamkhel bezeichnet. Orakzai und Dara Adamkhel liegen rund 40 Kilometer nördlich von Peshawar, der Hauptstadt von Khyber Pakhtunkhwa.

Aktivisten eines radikalen Studentenflügels hatte Ende April gegen angebliche Pläne protestiert, der akademische Rat der Universität von Peshawar habe Rushdies Werke 'Mitternachtskinder' und 'Scham und Schande' in den Lehrplan für englische Literatur aufgenommen. "Einen solchen Beschluss hat es nicht gegeben", meint dazu Mujeebur Rehman, einer der bedrohten Professoren.

Nach Erhalt der Morddrohungen informierte Rehman, Leiter der englischen Fakultät der Universität von Peshawar, den Vizekanzler und die Regierung informiert. "Wir dürfen diese Drohungen nicht ignorieren. Wir wissen ja, zu was die Taliban fähig sind."

Die Briefe haben an der Universität von Peshawar, der Hochschule für Ingenieurswesen und Technologie, der Agraruniversität von Khyber Pakhtunkhwa und der 'Islamia College University' (ICU) Panik ausgelöst. Auf dem Campus befinden sich 20 Wohnheime für 55.000 Studierende, die aus nachvollziehbaren Gründen Angst haben.

Den Lehrkörpern und Studenten ist die Entführung des ICU-Vizekanzlers Muhammad Ajmal Kha, noch allzu gut in Erinnerung. Bis heute wird er von den Taliban festgehalten. Diese wollen ihn nur im Austausch gegen inhaftierte Kämpfer freilassen.

Im August 2010 war Naeem Khalid, Vorsitzender des ICU-Instituts für Physik bedroht worden. Im Oktober des gleichen Jahres ermordeten die Taliban den Vizekanzler der Swat-Universität, Muhammad Farooq Khan, der die Selbstmordanschläge der selbsternannten Gotteskrieger rigoros kritisiert hatte. Der Religionswissenschaftler und Psychiater hatte sich trotz unzähliger Morddrohungen von den Taliban nicht einschüchtern lassen und an seiner Kritik festgehalten.

Die Taliban nehmen seit langem Akademiker ins Visier. Im November 2009 entführten sie den Vizekanzler der Kohat-Universität für Wissenschaft und Technologie, Lutfullah Kakakhel. Nach sechs Monaten Geiselhaft konnte die Regierung mit einem Lösegeld seine Freilassung erwirken.

Angehörige der Dschihad-Organisation 'Lashkar-e-Toiba' erzwangen sich im Februar Zutritt zu einer Universitätsmoschee in Peshawar und wetterten gegen die USA und Indien. Sie waren auf der Suche nach Rekruten, die ihren "Kampf gegen die Feinde des Islams" unterstützen sollten.

In den letzten fünf Jahren haben Islamisten in Khyber Pakhtunkhwa und in den nördlichen Stammesgebieten unter Bundesverwaltung 800 Bildungseinrichtungen in die Luft gesprengt. Fünf Schüler kamen dabei ums Leben. (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2012