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INTERNATIONAL/108: Guatemala - Untersuchung von Blutbad an indigenen Demonstranten gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Oktober 2012

Guatemala: Untersuchung von Blutbad an indigenen Demonstranten gefordert

von Danilo Valladares



Guatemala-Stadt, 10. Oktober (IPS) - Der Tod von acht Indigenen, die im Südwesten Guatemalas gegen den Anstieg der Strompreise, die Verlängerung der Lehrerausbildung und Verfassungsreformen protestiert hatten, ist im In- und Ausland auf Empörung gestoßen. Augenzeugen berichteten, dass die Armee angerückt sei und das Feuer auf die insgesamt 3.000 versammelten Demonstranten eröffnet habe.

"Wir sind sicher, von den Militärs unter Beschuss genommen worden zu sein. Wir selbst waren unbewaffnet", betonte Carmen Tacam, Vorsitzende der Vereinigung der Bürgermeister der 48 Kantone des Gemeindebezirks Totonicapán im gleichnamigen Departement.

An diesem Tag hatten die Indigenen aus Protest gegen die Regierungspolitik von Staatspräsident General a. D. Otto Pérez Molina die 'Panamericana'-Autostraße blockiert. Die zum Schauplatz der Proteste entsandte Armee habe auf die Menschenmenge geschossen und acht Menschen getötet, sagte Tacam. Weitere 40 Menschen seien verletzt worden.

Tacam fordert eine Untersuchung der Übergriffe, die Bestrafung der Verantwortlichen und eine Entschädigung der Opferfamilien. "Wir wollen wissen, wer direkt und indirekt für den Tod unserer Leute verantwortlich zu machen ist", erklärte sie.

Staatspräsident Pérez Molina zufolge hatten Soldaten "in die Luft" geschossen. Zusammen mit seinen Ministern des Inneren und der Verteidigung erklärte er, dass der Angehörige einer privaten Sicherheitsfirma auf die Demonstranten geschossen habe. Am 5. Oktober sagten sieben Soldaten bei einer richterlichen Anhörung aus, Schüsse in die Luft abgegeben zu haben.

Nach dem Treffen mit ausländischen Diplomaten am 8. Oktober ließ der Staatschef verlauten, dass er die Ergebnisse einer Untersuchung der Generalstaatsanwaltschaft abwarten und akzeptieren werde. Er forderte die Demonstranten auf, bis dahin Ruhe zu bewahren.


Erinnerungen an den Bürgerkrieg

Der Vorfall hat Erinnerungen an den 36-jährigen Bürgerkrieg von 1960 bis 1996 zwischen den Streitkräften und linken Rebellen geweckt, der 250.000 Menschen - mehrheitlich Indigenen - das Leben kostete. "Der Vorfall sollte die Behörden zum Nachdenken bringen", meinte Helen Mack von der Myrna-Mack-Menschenrechtsorganisation. "Das aufs Töten geeichte Militär sollte niemals wieder zivile Sicherheitsaufgaben übernehmen."

Kritik kommt auch aus dem Ausland. Am 8. Oktober brandmarkte der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, der Guatemalteke Frank La Rue, den Einsatz des Militärs zur Beilegung sozialer Konflikte als "schweren Fehler". Zuvor hatte der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), José Miguel Insulza, die Notwendigkeit betont, die Hintergründe des Blutvergießens aufzuklären, "um die Gemüter zu beruhigen und in einen Dialog treten zu können".

Der Vorfall in Totonicapán ist einer von vielen Übergriffen der Sicherheitskräfte in Guatemala. Jorge Santos vom Internationalen Zentrum für Menschenrechtsuntersuchungen erinnerte in diesem Zusammenhang an den Tod von zwölf Bauern auf der Finca Nueva Linda im südwestlichen Departement Retalhuleu 2004 und an die Zwangsräumungen von Landgütern in Valle del Polochic in Alta Verapaz im Nordwesten Guatemalas im letzten Jahr, die drei Menschen den Tod brachten. Weitere 18 Menschen wurden verletzt. Die Übergriffe vom 4. Oktober bezeichnete Santos als "Ausdruck einer rassistischen Denkweise".


Vorwürfe gegen Präsidenten

Die Indigenenaktivistin Rosalina Tuyuc machte Pérez Molina für den Tod der acht Demonstranten verantwortlich, "weil das Heer dem Befehl des Präsidenten untersteht". Die Ergebnisse der in Auftrag gegebenen Untersuchung seien für die Justiz eine Bewährungsprobe. Sollte der Vorfall nicht aufgeklärt werden, wäre ein weiteres abschreckendes Beispiel für die im Lande verbreitete Straflosigkeit gegeben.

Tuyuc rechtfertigte die Straßenblockade als "einzige Form des Protestes, der dazu führt, dass man uns zuhört". Guatemala verfügt über ein hohes Potenzial an Sozialkonflikten. Die Kluft zwischen Reich und Arm ist immens groß. (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2012