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MELDUNG/048: Mexiko - Foltervideo öffentlich geworden (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Mexiko
Foltervideo öffentlich geworden

Von Gerd Goertz


(Mexiko-Stadt, 18. April 2016, npl) - Die auf Video festgehaltene Folter einer jungen Frau durch eine Bundespolizistin sowie eine Soldatin und einen Soldaten hat in Mexiko Empörung ausgelöst. Der Vorfall im dem Ort Ajuchtlán del Progreso, Bundesstaat Guerrero, war am 4. Februar 2015 gefilmt worden, das Video gelangte aber erst am vergangenen Mittwoch (13. April) in die Öffentlichkeit. Zu sehen ist, wie die beteiligten Sicherheitskräfte der - kurz zuvor verhafteten - Frau beim Verhör eine Plastiktüte über den Kopf stülpen, um sie zum Aussagen zu bewegen.


Folternde Soldat*innen nur wegen "Ungehorsam" angeklagt

Die Bundespolizistin ist zu hören, wie sie die weinende Frau höhnisch fragt, ob sie "Plastiktüte, Wasser oder (Strom-)Schläge (toques)" vorziehe. Intern ist der Fall den Sicherheitskräften schon länger bekannt. Die Soldat*innen befinden sich nach Angaben der Militärs seit dem 11. Januar 2016 in Haft, sie sind vor einem Militärgericht allerdings nur wegen "Ungehorsam" angeklagt. Die Bundespolizistin soll noch in der vergangenen Woche ihrem normalen Dienst nachgegangen sein.

Zwar hat sich inzwischen in einem bisher beispiellosen Vorgehen der mexikanische Verteidigungsminister Salvador Cienfuegos für den Vorfall entschuldigt. Der Beauftragte für die Bundespolizei, Enrique Francisco Galindo, verurteilte per Twitter "alle Praktiken, die die menschliche Würde angreifen". Doch beide Aussagen scheinen stark dem öffentlichen Druck geschuldet zu sein. Denn während General Cienfuegos von der Folter als "isolierten Vorkommnissen" in Mexiko sprach, zeichnen nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen seit Jahren das Bild ihrer häufigen wenn nicht gar systematischen Anwendung durch mexikanische Sicherheitskräfte, um Geständnisse zu erzwingen.


"Systematische Praxis der Folter"

Es ist schwer abzuschätzen, wie viele Häftlinge für unter Folter "zugegebene" Straftaten im Gefängnis sitzen, die sie nicht begangen haben. Wird die Folter öffentlich, haben die durch sie erlangten "Beweise" vor Gericht zudem keinen Bestand. Im konkreten Fall wird dem heute 22-jährigen Opfer die Mitgliedschaft in einem Drogenkartell vorgeworfen. Die Anwälte der Gefolterten forderten angesichts der Begleitumstände der Verhaftung ihre sofortige Freilassung.

Eine der schärfsten Kommentierungen des Videos kommt von dem Jornada-Journalisten Julio Hernández López: "Das Video der gefolterten Frau in dem guerrerensischen Ort Ajuchtlán del Progreso ist eine grafische Bestätigung dessen, was eine immense Mehrheit der Mexikaner*innen weiß und ein unglücklicher Teil von ihnen erleidet oder erlitten hat: die systematische Praxis der Folter, um ein Foltersystem zu behaupten. Es handelt sich nicht nur um Polizisten, Armee- oder Marinesoldaten, sondern die komplette Struktur einer Macht. Sie hat eine solche Phase der Verrottung erreicht, dass sie die brutale Gewaltanwendung und die Verletzung der Menschenrechte generalisiert. Die Fälle die aufgedeckt werden und Verbreitung finden, versucht sie, mit Zynismus und legalistischer Rhetorik zu verschleiern."


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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. April 2016

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