Schattenblick →INFOPOOL →REPRESSION → FAKTEN

REFLEXION/004: Afghanistan - Beobachtungen in Tschuristan (Matin Baraki)


Beobachtungen in Tschuristan

Wir leben nicht in Afghanistan, sondern in "Tschuristan", d. h. ein Ort des Raubes, meinte Ahmad Farid.

Von Matin Baraki, Frühjahr 2011


Das afghanische Jahr 1389 (21. März 2010 - 20. März 2011) hat blutig begonnen und ist noch blutiger zu Ende gegangen. Am stärksten betroffen war die Zivilbevölkerung. Es gab keinen Tag, an dem es keine Toten gegeben hätte. Allein innerhalb von drei Tagen sind insgesamt 140 Menschen Opfer des NATO-Krieges geworden. Am 20. Februar 2011 wurden in der nordöstlich gelegenen Provinz Kunar mehr als 70 Zivilisten durch einen gemeinsamen Kampfeinsatz von afghanischen und Nato-Militärs getötet. Die Hälfte der Opfer waren Kinder unter 13 Jahren. Außerdem wurde eine sechsköpfige Familie ausgerottet. Am selben Tag gab es in der ostafghanischen Stadt Jalalabad 36 Tote und 48 Verletzte, angeblich durch ein Selbstmordattentat. Am 21. Februar 2011 wurden aus dem deutschen Besatzungsbezirk Kunduz 38 Tote und 41 Verletzte gemeldet. Am 24. Februar 2011 starben fünf Zivilisten in der Provinz Kapisa nördlich von Kabul durch NATO-Bomber. Neun Kinder wurden am 2. März 2011 in Kunar beim Holzsammeln aus einem US-Hubschrauber gezielt erschossen. Deutsche Soldaten haben am 10. März 2011 in Kunduz eine Frau erschossen und eine weitere verletzt.

Kleiner Basar im Zentrum von Kabul, August 2010 - Foto: © Matin und Zaki Baraki

Kleiner Basar im Zentrum von Kabul, August 2010
Foto: © Matin und Zaki Baraki

Während General Tommy Franks, ehemaliger Oberkommandierender der US-Streitkräfte im Nahen Osten, keine Toten gezählt haben will, geben die Vereinten Nationen die Zahl der Toten für die vergangenen beiden Jahren (2009 und 2010) mit 5047 und die der Verletzten mit 11.180 an. Die afghanische Bevölkerung geht von drei bis viermal so vielen Opfern aus, da es kaum eine Familie gibt, die kein Opfer zu beklagen hat.

Zunächst morden, dann entschuldigen, ist das übliche Prozedere der NATO-Führung im Krieg gegen Afghanistan. Eine rhetorische Entschuldigung des US-Generals David Petraeus am 3. März 2011 wurde von vielen Afghanen als Heuchelei eingestuft. Bei einer Demonstration von hunderten Menschen in Kunar wurde die NATO als Terrororganisation bezeichnet. Auch in Kabul demonstrierten über 500 Menschen, die die Bilder der neun getöteten Kinder trugen. "Tod Amerika, Tod den Invasoren", "Wir wollen keine Besatzungstruppen" skandierten die Demonstranten. Nicht ohne Grund schweigen die afghanischen Medien über die Revolten in den arabischen Ländern. Weil sie auch in Afghanistan einen Aufstand des Volkes befürchten.

Würden die Menschen in den NATO-Ländern ein Viertel dessen wissen, was die westliche Soldateska am Hindukusch verursacht, könnte, so meine Überzeugung, eine Antikriegsbewegung wie in der Zeit des US-Krieges gegen Vietnam entstehen.

Obwohl der Widerstand sich zu dem Selbstmordattentat vom 20. Februar 2011 bekannt hat, so glauben dennoch inzwischen immer weniger Afghanen an die Selbstmordattentate als Taten der islamisch geprägten Opposition, die unter dem Oberbegriff Taleban subsumiert wird. Die Selbstmordattentate seien eher von der NATO initiierte Mordtaten, die dem Widerstand in die Schuhe geschoben werden, um diesen zu isolieren. Weil durch die massiven NATO-Luftwaffeneinsätze immer mehr Zivilisten ermordet werden, sehen viel Menschen die Selbstmordattacken, die den Taleban zugeordnet werden, als ein Ablenkungsmanöver der NATO-Propagandisten an, um ihre eigenen Mordtaten zu relativieren.

Am 18. März 2011 sprach ich mit einem Oberst der afghanischen Nationalarmee, den ich hier aus Sicherheitsgründen Ahad nenne. Er berichtete von seinen Kampferfahrungen, der Zusammenarbeit mit den Besatzersoldaten, den festgenommenen Widerständlern und seiner eigenen Festnahme durch Widerständler. "Wir haben öfters Widerstandskämpfer festgenommen, bei denen wir die gleichen Lebensmittel und Waffenausrüstung vorgefunden haben, wie bei den US-Soldaten. Während wir bei unseren Einsätzen nicht einmal ausreichend Trinkwasser aus Brunnen bzw. aus Leitungen zur Verfügung hatten, geschweige denn Obst oder Gemüse, waren die von uns verhafteten Taleban genauso gut wie die US-Soldaten mit Mineralwasser, Obst, Gemüse, Keksen usw. versorgt. Als wir die uns begleitenden US-Amerikaner darauf ansprachen, woher die Taleban dies hätten, gaben sie sich ahnungslos." Die Afghanen vermuten aber, dass der Widerstand von den Besatzern versorgt wird.

Wir haben öfters erlebt, sagte Ahad, dass auf dem Wege zum Kampf unsere Soldaten angegriffen wurden, jedoch nicht die Kolonne der Besatzer, die dieselben Strecken passierten. Unsere Soldaten sind davon überzeugt, dass es zwischen den Widerständlern, den US-Amerikanern und anderen NATO-Kräften geheime Absprachen gibt.

Auf der Strecke Dschalalabad-Kabul beobachtet: ein riesiger LKW zur Versorgung der NATO. Alle Leute im Land wissen, dass diese LKWs für die NATO fahren. - Foto: © Matin und Zaki Baraki

Auf der Strecke Dschalalabad-Kabul beobachtet: ein riesiger LKW zur
Versorgung der NATO. Rüstung, Ausrüstung, Lebensmittel kommen über den
großen Hafen von Karatschi am indischen Ozean, werden dort auf LKWs
umgeladen und über Peschawar und den Chayberpass Richtung Kabul
transportiert und von dort in die verschiedenen NATO-Basen. Alle Leute
im Land wissen, dass diese LKWs für die NATO fahren.
Foto: © Matin und Zaki Baraki

Fawad, ein bekannter afghanischer Taxifahrer, mit dem auch ich ab und zu gefahren bin, erzählte mir, dass er mit einigen Freunden komplette LKW-Ladungen, die für die Versorgung der NATO vorgesehen sind, kaufen und damit gute Geschäfte machen kann. Da 80 % der NATO-Versorgung von Karatschi über den Khaibarpaß nach Afghanistan gebracht werden, bietet sich des öfteren die Gelegenheit die eine oder andere Ladung zu entwenden. Das könnte eine weitere Quelle sein, wodurch die Versorgung der Taleban gewährleistet wird.

Eine US-Delegation traf am 13. März 2011 in Kabul ein, um mit ihrem dortigen Statthalter über die langfristige US-Militärpräsenz in Afghanistan zu beraten. Als erster meldete sich der Drogenbaron und Provinzpolitiker Mahmud Karsai zu Wort. Dieser Bruder des Kabuler Präsidenten hob die Bedeutung der US-Stützpunkte für Afghanistan besonders hervor. Schon Anfang März 2011 begann der Kabuler Verteidigungsminister General Abdul Rahim Wardak, ein durch und durch US-höriger Mann, mit einer Propagandaoffensive, bei der er sich zunächst für das US-Militärengagement in Afghanistan bedankte und dann eine dauerhafte US-Militärpräsenz am Hindukusch auch nach 2014 verlangte. Er sprach sich für regelmäßige Treffen zwischen dem US- und dem Kabuler Verteidigungsminister aus.

Da jeder dritte Soldat der afghanischen Nationalarmee desertiert, meistens im Süden und Osten des Landes, sind sich die Kabuler US-Marionetten nicht sicher, sich ohne US-Armeepräsenz in Afghanistan an der Macht halten zu können.

Der ehemalige Gouverneur von Herat, Warlord Ismael Khan, seit etwa einem Jahr geschäftsführender Minister für Energie und Wasser, ist gegen eine dauerhafte US-Militärpräsenz in Afghanistan. "Karsai soll keine Angst haben, ohne US-Militärschutz weggefegt zu werden. Eine Entscheidung für eine dauerhafte US-Präsenz hingegen sollte auf einer nicht bestellten und nicht handverlesenen Loya Jerga entschieden werden", sagte er am 15. März 2011 auf einer Kundgebung in Herat. Auch afghanische Senatoren verlangten am 15. März 2011 den Rücktritt des Verteidigungsminister Wardak und die Auflösung des nationalen Sicherheitsrates. Wardak wurde Unfähigkeit bescheinigt, da er nicht in der Lage sei, die zunehmende Unsicherheit im Lande einzudämmen. Der Minister gerät auch wegen der drastischen Zunahme der Desertionen in Bedrängnis.

Die NATO, vor allem die USA, sind bei der afghanischen Bevölkerung derart verhasst, dass selbst kleine Kinder mir gegenüber ihre Abneigung zum Ausdruck brachten. Zum Beispiel erzählte mir die fünfjährige Tamara folgende Anekdote: In einem Flugzeug sitzen drei Menschen. Ein Japaner, ein Amerikaner und ein Afghane. Der Japaner erzählt, dass es in seinem Land zu viele Fernsehgeräte gäbe und wirft ein Gerät aus dem Fenster. Der Amerikaner erzählt, dass es bei ihnen zu viele Dollars gäbe und wirft einige Dollarscheine aus dem Fenster. Der Afghane erzählt, dass es bei ihnen zu viele Amerikaner gäbe und wirft den neben ihm sitzenden Amerikaner aus dem Fenster der Maschine.

Der Krieg, die Zerstörung des Landes und das Morden unschuldiger Menschen, was auch schon von den Kleinsten wahrgenommen wird, lässt tiefe Wunden in der Psyche der afghanischen Bevölkerung zurück, die nicht so schnell verheilen werden. Die NATO sät täglich neuen Hass. Dass es das Ziel sei, Herz und Kopf der Afghanen zu gewinnen, wie die Propagandisten der westlichen Soldateska über ihre Medien verbreiten, davon können nur noch abergläubische Menschen überzeugt werden.

Afghanische Flüchtlingskinder in Peschawar kämpfen ums Überleben - im Müll suchen sie nach Brauchbarem - Februar 2011 - Foto: © Matin und Zaki Baraki

Afghanische Flüchtlingskinder in Peschawar kämpfen ums Überleben, Februar 2011
Foto: © Matin und Zaki Baraki

Auch sechs Monate nach dem Ende der Parlamentswahlen in Afghanistan, ist das Gremium immer noch nicht arbeitsfähig. Das Geschacher um die durch Fälschung und Stimmkauf ins Parlament gelangten Abgeordneten war kaum zu Ende, da ist "der Kampf um den Kopf des toten Esels", wie die Afghanen es nennen, entbrannt. Der ehemalige Präsident, ein Warlord und Kriegsverbrecher, Mohammad Jonus Qanuni, will weiter Parlamentspräsident bleiben. Aber auch Abdul Rab Mohammad Rasul Sayaf, ein Kriegsverbrecher und Massenmörder, will das Amt für sich haben. Der Kabuler Präsident Abdul Hamid Karsai verhandelt mit beiden, um den Streit endlich zu beenden. Qanuni soll ein wichtiges Ministerium, möglicherweise das Außenministerium und Sayaf das Amt des Präsidenten des obersten Gerichtes bekommen. Da er sich in seiner ideologischen Borniertheit kaum von den Taleban unterscheidet, wird die afghanische Judikative das islamische Recht, die "Scharia", eher anwenden als verfassungsmäßig festgelegte Gesetze. Sayafist ein Ultraislamist wahabitischer Prägung. Dieser Wahabitismus wurde seit 1980 mit saudischen Petrodollars für die islamistischen Modjahedin aus Saudi-Arabien nach Afghanistan gebracht. Das politische Theater scheint vorläufig zu Ende zu sein. Zum Präsidenten des Unterhauses wurde Abdul Rahman, ein Usbeke von der Hesbe Islami von Hekmatyar "gewählt". Auch ein Verbrecher, wie viele andere, die in Afghanistan in führenden Positionen mitmischen.

Als eine Abgeordnete daran erinnerte, dass im neuen Kabuler Parlament Menschen sitzen, die in den Jahren des Bürgerkrieges unter den Modjahedin (1992-1994) ihren Gegnern Nägel in die Köpfe geschlagen hätten, kam es im Parlament zu einer wilden Schlägerei, die später auch außerhalb des Hauses fortgesetzt wurde. Die Menschen in Afghanistan nehmen solche Parlamentarier nicht mehr ernst. Sie haben die Nase voll von dem billigen Theater einer korrupten Menschenansammlung, die sich Abgeordnete nennen. "Diese Abgeordneten sind nicht Vertreter der Interessen des Volkes, sondern verfolgen ihre eigenen Interessen", meinten viele Menschen Anfang März 2011 im Rahmen einer Straßenumfrage in Kabul.

Der Landraub, der 1992 durch die Modjahedin-Kommandanten eingeleitet wurde, wird auf höchster Ebene weiter fortgesetzt. Staatliche Ländereien in der Daschte Padulah südwestlich von Kabul wurden durch Parlamentsfunktionäre enteignet. Als zwei Journalisten in der nordöstlichen Provinz Kapisa über einige Abgeordnete und den ersten Stellvertreter des Parlamentpräsidenten Hadji Farid, die an der Landraubaktion beteiligt waren, Informationen sammelten, konnten sie nur knapp einen Mordkomplott entkommen. Kurz danach strahlte dann der TV-Sender "Nuri" darüber einen Bericht aus, die Sendung wurde jedoch sofort gestoppt, der verantwortliche Redakteur Naro Naderi verhaftet und die Infrastruktur des Studios zertrümmert.

Auch in Qole Fatehchan am Ostrand des Dorfes Schinah ca. 15 km östlich von Kabul wurde Staatsland durch afghanisch-stämmige Sicherheitskräfte aus dem Umfeld des Kabuler Präsidenten Karsai, die sich als seine Bodyguards ausgaben, beschlagnahmt. Sie haben das Land unter sich verteilt und darauf Luxusvillen bauen lassen. Vorher hatten landlose Bauern dort Frühjahrsweizen angebaut, um ihr Überleben zu sichern. "In der Vergangenheit haben wir Karsai kritisiert, weil er sich durch ausländische Söldner schützen ließ. Nun haben wir den Salat", meinten die armen Bauern von Schinah.

Der Autor - Matin Baraki, landesüblich gekleidet irgendwo in AfPak - wandelt auf traditionellen Spuren des Widerstands, März 2011 - Foto: © Matin und Zaki Baraki

Der Autor, irgendwo in AfPak, wandelt auf traditionellen Spuren des Widerstands, März 2011
Foto: © Matin und Zaki Baraki

Die afghanische Realität steht in diametralen Widerspruch zu der Wiederaufbaupropaganda der kriegführenden Länder. In 40% Afghanistans hat die UNO keinen Zugang zu den Menschen, berichtete der Sonderbotschafter des UN-Generalsekretärs für Afghanistan Staffan de Mistura. Im Ort Mangan in der westlichen Provinz Badghis gibt es weder Schulen noch sauberes Trinkwasser. Die Menschen trinken gespeichertes Schneewasser. Ein 70jähriger erzählte, er habe die Provinzhauptstadt Badghis nie gesehen. Im Bezirk Schahrak der westlichen Provinz Ghor leben Menschen wie in der Urzeit. Sie kennen weder Obst noch Tomaten, berichtete Oberst Ahad. In der afghanischen Hauptstadt Kabul wurde bei Kindern eine dramatische Zunahme von Leukämie festgestellt. Dies wird als Folge der Bombardierungen durch die US- und britische Luftwaffe bei der Vertreibung der Taleban im Jahr 2001 angesehen. Dazu kommt noch die enorme Luftverschmutzung in Kabul, die den Menschen die Luft zum Atmen nimmt.

Die Krönung des Jahres war, als am 21. März das afghanische Jahr 1390 (2011/2012) mit einer Rede von General David Petraeus eröffnet wurde und nicht mit Karsais Ansprache. Die Rede wurde sogar mehrfach ausgestrahlt. Karsai wurde mit keinem Wort erwähnt, als ob es ihn überhaupt nicht gäbe! Darüber hinaus brachten afghanische Medien Auszüge der Reden von US-Präsident Barack Obama und Außenministerin Hilary Clinton sowie des UNO-Vertreters für Afghanistan. Karsai durfte immerhin mit einem Gongschlag den Beginn des neuen Schuljahrs verkünden.

Vor der Abreise hatte ich noch ein interessantes Gespräch mit einem Geschäftsmann, nennen wir ihn hier Ahmad Farid. Nicht allzu weit vom Innenministerium in Schahre-Nau (Neue Stadt), einem Viertel der reichen und schönen Kabulis, betreibt er ein Geschäft für Büroeinrichtungen. Er verfügt über einen unerschöpflichen Erfahrungsschatz bezüglich des Umganges mit der Kabuler Verwaltung und Bürokratie. Wenn er irgendwelche Büros einrichten soll, wird mit ihm im Vorfeld ganz offen über "Bakschisch", wie beim Kuhhandel verhandelt. Der erfahrene Händler erzählte mir dies ganz gelassen, in Erstaunen versetzte ihn jedoch, daß die großen blonden Ausländer, die als Mitarbeiter der internationalen Organisationen in der afghanischen Hauptstadt stationiert sind, wenn sie ihm für ihre Büros einen Auftrag erteilen, ganz offen verlangen, daß Ahmad Farid ihre Privatwohnungen dafür kostenlos ausstattet.

Gott schütze dich vor der afghanischen Verwaltung, vor der Polizei, vor allem vor den Gerichten, wünschte mir Ahmad Farid noch. Die Richter predigen offiziell zwar Recht, aber ohne "Bakschisch" täten sie nichts, erzählte der Geschäftsmann, wobei er tief seufzte. Diese Geschichte hatte er mir schon einmal erzählt. Er kann sich aber immer noch nicht beruhigen und schreit fast: mein Gott, was ist das für ein Land, in dem wir leben? Wir leben nicht in Afghanistan, sondern in "Tschuristan", d.h. ein Ort des Raubes, meinte Ahmad Farid. Eine Handvoll vom Ausland eingesetzte korrupte und kriminelle Elemente fällt über das im Elend vegetierende Volk her und raubt ihm noch das letzte Hemd bzw. saugt ihm den letzten Blutstropfen aus. Dabei nennen sich diese Leute auch noch die afghanische Regierung.

Der Darunta-Staudamm - Foto: © Matin und Zaki Baraki

Der Darunta-Staudamm liegt in der Provinz Nangahar im Osten Afghanistans,
an der Grenze zu Pakistan, in der Nähe der Provinzhauptstadt Dschalalabad.
In dieser Provinz gab es eine große Wüste, niemand konnte in dieser Gegend
leben. Mitte der Fünfzigerjahre vergangenen Jahrhunderts hat die Sowjetunion
den Fluss Kabul, der durch die Provinz Nangahar fließt, aufgestaut. Die
Sowjetunion baute einen Drei-Schluchten-Staudamm, d.h. Das Wasser stürzte
dreimal und passierte dreimal Turbinen, die Strom produzierten. Zum Schluss
wurde das Wasser umgeleitet in die Wüste, aus der eine riesige Plantage für
Zitrusfrüchte, Olivenbäume et cetera wurde. Damit wurde das Wasser in
zweifacher Hinsicht nutzbar gemacht. Noch wichtiger aber war, dass sich das
Klima in der Hauptstadt Dschalalabad verbesserte, so dass man dort auch im Sommer
leben konnte, weil es kühler wurde. Später haben die reichen Kabulis ihre
Urlaubsresidenzen in Dschalalabad gebaut, das zu einer Art Kurort wurde. Im
Winter kamen die Kabulis dorthin, weil es wegen des tropischen Klimas keinen
Schnee gab. Den Staudamm gibt es immer noch. Die Mudschahedin haben 1992 Teile
der Anlage zerstört bzw. Leitungen abtransportiert zum Verkauf in Pakistan.
Die Kraftwerke sollen wieder aufgebaut werden, dies ist aber bisher noch nicht
geschehen. Zur Zeit kauft die afghanische Administration von Tadschikistan Strom.
Foto: © Matin und Zaki Baraki

Quelle des Originaltextes:
www.forumaugsburg.de
Der Beitrag als PDF-Datei:
http://www.forumaugsburg.de/s_3themen/Nahmittelost/110604_beobachtungen-afghanistan/artikel.pdf


*


Quelle:
© 2011 by Matin Baraki
mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2011