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BUNDESLIGA/516: Herren - 3. Runde (SB)



Fortunas scheeler Blick

Die 3. und 4. Runde der Bundesligasaison 2016/17 am 19. und 20. November verlief einesteils erwartungsgemäß, schrieb andererseits aber auch seltsame Geschichten. Bedeutungsvoll waren vor allem die Spielstätten Bremen und Baden-Baden, wo es zu richtungsweisenden Spitzenkämpfen kam. So mußte sich der amtierende Deutsche Meister aus Solingen am Samstag dem gastgebenden Haufen der Bremer stellen, während der alte Traditionschampion OSG Baden-Baden zu Hause mit Schwäbisch Hall und Dresden zwei kampfstarke Teams sowie Aufsteiger SG Speyer-Schwegenheim empfing. Für die Titelambitionen der Badener hatte insbesondere die Brettschlacht gegen Schwäbisch Hall höchste Priorität. An die Weser kamen zudem Mülheim und Hamburg, um im Fraunhofer Institut den guten Saisonstart fortzusetzen. Als Gastgeber fungierten außerdem Berlin und Trier. In der Bundeshauptstadt trafen die beiden Berliner Mannschaften SK König Tegel und SF Berlin quasi in einem Stadtduell auf den FC Bayern München und die Münchener Schachakademie (MSA) Zugzwang. Hier standen die Spiele ganz im Zeichen des nominellen Abstiegskampfes, ging es doch für das Quartett im wesentlichen darum, wichtige Punkte für den Klassenerhalt zu sichern. In der Europäischen Rechtsakademie in Trier war Hockenheim dagegen bestrebt, nach den Auftaktsiegen gegen Bremen und Hamburg weiter Fahrt aufzunehmen, zumal Teamchef Blerim Kuci seine Mannschaft durchaus im Dunstkreis der Mitfavoriten um den Liga-Titel sieht. Aachen und Griesheim wie auch Gastgeber Trier mußten indes zusehen, sich jetzt dringend erforderliche Polster und Reserven für die heiße Phase der Saison zuzulegen.

Am Ende der Spiele am Samstag waren es schließlich Baden-Baden, Solingen und nicht zuletzt Hockenheim, die sich ohne Verlustpunkt an der Spitze festsetzen konnten und als Trio zum Kreis der eigentlichen Titelfavoriten gerechnet werden müssen. Während die beiden erstgenannten Teams ohne Blessuren und schwache Momente ihr Soll erfüllten, mußte Hockenheim beim 4,5:3,5-Sieg gegen Trier zunächst einige bange Augenblicke überstehen. Obwohl die Rennstädter Favoritenstatus besaßen, war es dennoch Trier, das dank der überzeugenden Leistung des Ukrainers Vassily Ivanchuk am Spitzenbrett gegen Rainer Buhmann zwischenzeitlich die Führung übernahm. Als David Baramidze nach einem klaren Sieg über Rüdiger Seger für Hockenheim den Ausgleich herstellte, richteten sich alle Augen auf die Partie zwischen Stewart Haslinger und Dennis Wagner. An diesem vierten Brett mußte die Entscheidung fallen. Auf den Schultern des 19jährigen Wagner lagen alle Hoffnungen seines Teams. Gegen den Engländer hatte Wagner leichten materiellen Vorteil erzielt, aber das Endspiel war lang. Wohl und Wehe hingen in dieser streßgeplagten Situation nicht unwesentlich von den Nerven der Akteuere ab. Daß Wagner am Ende den knappen Erfolg seines Teams sicherstellen konnte, war zwar kein Pyrrhussieg, aber immer noch teuer genug erkauft, wenn man dies mit der Elo-Überlegenheit des Hockenheimer Kaders in Rechnung stellt. Mehr wird auf jeden Fall nötig sein, wenn Hockenheim Baden-Baden und Solingen im Titelkampf tatsächlich gefährlich werden möchte.

Dagegen zeigte sich Baden-Baden ganz von seiner souveränen Seite. Gleichwohl die Begegnungen gegen Schwäbisch Hall in den letzten Jahren mit zu den Höhepunkten des Liga-Betriebs gehörten, fiel diesmal die Gegenwehr relativ schwach aus. Erstaunlich war das nicht, denn während Baden-Baden selbst am Schlußbrett mit Arkadij Naiditsch einen klangvollen Namen aufwies und auch ansonsten ein Potpourri der Weltelite an den Brettern versammelte, bot Hall zumindest im unteren Segment der Teamstruktur keine Streiter von hohem Format auf. Dennoch traf der erste Schock die Gastgeber selbst. Ausgerechnet am Spitzenbrett unterlag der Weltklassespieler Peter Svidler seinem russischen Landsmann Ernesto Inarkiev. Die Führung war indes von kurzer Dauer, und mehr als zwei Remisen sollte Hall an diesem Tag nicht mehr verbuchen. Baden-Baden setzte sich beim schlußendlichen 6:2-Kantersieg dank der Erfolge von Michael Adams, Rustam Kasimdzhanov, Etienne Bacrot, Alexei Shirov und Naiditsch klar durch, wobei die letzten vier Brettern für Hall ausnahmslos verlorengingen.

Sicher und souverän fiel auch der 5:3-Sieg von Solingen gegen die Bremer aus, wenngleich Letztere bei sechs Remisen nur zwei Niederlagen weggeben mußten. Beeindruckend war vor allem der Sieg von Pentala Harikrishna am Spitzenbrett gegen den Engländer Luke McShane, der bereits nach 18 Zügen ums Überleben kämpfen mußte und nach dem Verlust der Qualität im Endspiel sang- und klanglos unterging. Für den zweiten Solinger Sieg sorgte Mads Andersen gegen Rolf-Alexander Markgraf. Die bisherigen Niederlagen gegen Hockenheim und Solingen sind für Bremen bitter und finden ihren Ausdruck im 12. Tabellenplatz, aber mit dem Kehraus der Titelfavoriten ist Bremen erst einmal aus dem Gröbsten heraus und dürfte in absehbarer Zukunft wieder höhere Ränge bekleiden.

Im Parallelkampf zerlegten die Hamburger derweil Mülheim nach allen Regeln der Kunst. Eigentlich lag ein Sieg, geschweige denn in einer Höhe von 6:2, so fern wie nur irgend etwas, aber an diesem Samstag überboten sich die Hanseaten in Findigkeit und Ausdauer und sorgten so für eine faustdicke Überraschung. Mühlheim, sonst immer für einen harten Waffengang zu haben, konnte kaum etwas reißen. Als erstes mußte sich Alexander Berelowitsch am fünften Brett Lubomir Ftacnik geschlagen geben, weil ein Figurenverlust nicht zu kompensieren war. Nach seinem Studium in den USA erstmals wieder für den Hamburger SK am Brett erhöhte Niclas Huschenbeth bald darauf die hanseatische Führung, die zwar durch die Niederlage von Rasmus Svane am Spitzenbrett gegen David Navara wieder zurückgeschraubt wurde, aber Mühlheim brachte in der Folge kein weiteres Bein mehr auf den Boden. Nachdem Jonas Lampert und Thies Heinemann ihre Partien gewonnen hatten und Sipke Ernst nach fast sieben Stunden einen letzten Hamburger Sieg dazusteuerte, knallten die Sektkorken.

Für eine weitere Überraschung des Tages sorgte Speyer-Schwegenheim. Obgleich als klare Unterdogs gegen Dresden gehandelt gelang dem Aufsteiger der nunmehr zweite Saisonsieg. Ähnlich wie in der Fußballbundesliga, wo Leipzig derzeit für Furore sorgt, scheint auch das Mannschaftsschach seine Ausnahmemomente zu haben. Daß ein Aufsteigerteam, das praktisch an allen Brettern von der Spielstärke her deutlich unterlegen ist, gegen einen etablierten Verein derart blankziehen und gewinnen konnte, muß schon als echte Sensation gewertet werden. Nichts geschieht grundlos, denn tatsächlich lieferten die Dresdner Großmeister an Brett 1, 2 und 4, womöglich aus einem Gefühl der Überheblichkeit heraus, grottenschlechte Leistungen ab. Dies rächte sich fatal. Vor allem die Niederlage des Ukrainers Pavel Eljanov gegen Arturs Neiksans, die beide wirklich in verschiedenen Klassen spielen, unterstrich dies. Aber auch der Ungar Zoltan Almasi im Schulterschluß mit dem Polen Mateusz Bartel machten gegen Toms Kantans bzw. Luca Shytaj keine gute Figur. Nur Bartosz Socko zeigte Format beim einzigen Dresdner Sieg bei dieser 3:5-Niederlage. Speyer-Schwegenheim belegt nun mit vier Mannschaftspunkten - man staune - Rang 6 in der Tabelle.

Aachen gelang zwar nicht ein derart großer Wurf, aber mit dem 5,5:2,5-Erfolg gegen Griesheim holte sich der Aufsteiger immerhin den ersten Bundesligasieg seiner Vereinsgeschichte. Akzente setzte dabei insbesondere der 17jährige Niederländer Jorden van Foreest, der Jaroslaw Krassowizkij am Spitzenbrett nach nur 25 Zügen in die Knie zwang. Für die weiteren Siegpunkte sorgten Ilja Zaragatski und Christian Braun. Beim Duell der Kellerkinder zwischen König Tegel und Bayern München blieb es beim 4:4 nach wechselvollem Spiel. Die Berliner gingen zwar nach einem frühen Sieg von Ulf von Herman in Führung, aber Valentin Dragnev konnte schließlich für die Bayern nach 60 Zügen den Gleichstand wahren. Problemlos gestaltete sich dagegen der 6:2-Sieg der Schachfreunde Berlin über den MSA Zugzwang. Kacper Piorun, Martin Krämer, Jan Michael Sprenger, Krzysztof Jakubowski und Marco Baldauf punkteten für die Hauptstädter, während für die Münchener lediglich Altmeister Gerald Hertneck dank eines mutigen Figurenopfers für zwei Bauern gegen den italienischen Großmeister Daniele Vocaturo einen Lichtpunkt setzte und so wieder an seine besseren Tage anknüpfte.


Runde 3, am 19.11.2016

SV Werder Bremen - SG Solingen 3:5

McShane, Luke - Harikrishna, Pentala 0:1
Bluebaum, Matthias - Ragger, Markus 0,5:0,5
Hracek, Zbynek - Van Kampen, Robin 0,5:0,5
Nyback, Tomi - Predojevic, Borki 0,5:0,5
Babula, Vlastimil - Smeets, Jan 0,5:0,5
Werle, Jan - Sandipan, Chanda 0,5:0,5
Smerdon, David - Nikolic, Predrag 0,5:0,5
Markgraf, Rolf-Alexander - Andersen, Mads 0:1


Hamburger SK - SV Mülheim Nord 6:2

Svane, Rasmus - Navara, David 0:1
Huschenbeth, Niclas - Tregubov, Pavel 1:0
Hansen, Sune Berg - Fridman, Daniel 0,5:0,5
Ernst, Sipke - Landa, Konstantin 1:0
Ftacnik, Lubomir - Berelowitsch, Alexander 1:0
Lampert, Jonas - Levin, Felix 1:0
Heinemann, Thies - Feygin, Michael 1:0
Sebastian, Dirk - Hausrath, Daniel 0,5:0,5


OSG Baden Baden - SK Schwäbisch Hall 6:2

Svidler, Peter - Inarkiev, Ernesto 0:1
Wojtaszek, Radoslaw - Jakovenko, Dmitry 0,5:0,5
Adams, Michael - Rodshtein, Maxim 1:0
Vallejo Pons, Francisco - Postny, Evgeny 0,5:0,5
Kasimdzhanov, Rustam - Cornette, Matthieu 1:0
Bacrot, Etienne - Le Roux, Jean-Pierre 1:0
Shirov, Alexei - Raykhman, Alexander 1:0
Naiditsch, Arkadij - Zpevak, Pavel 1:0


Speyer-Schwegenheim - USV Dresden 5:3

Neiksans, Arturs - Eljanov, Pavel 1:0
Kantans, Toms - Almasi, Zoltan 1:0
Meskovs, Nikita - Nisipeanu, Liviu-Dieter 0,5:0,5
Shytaj, Luca - Bartel, Mateusz 1:0
Bratanov, Zsivko - Gajewski, Grzegorz 0,5:0,5
Commercon, Simon - Socko, Bartosz 0:1
Kraemer, Enrico - Maiwald, Jens-Uwe 0,5:0,5
Mager, Denis - Loxine, Jakov 0,5:0,5


SG Trier - SV Hockenheim 3,5:4,5

Ivanchuk, Vassily - Buhmann, Rainer 1:0
Gledura, Benjamin - Saric, Ivan 0,5:0,5
Bobras, Piotr - Balogh, Csaba 0,5:0,5
Haslinger, Stewart - Wagner, Dennis 0:1
Cyborowski, Lukasz - Moiseenko, Alexander 0,5:0,5
Jaracz, Pawel - Banusz, Tamas 0,5:0,5
Seger, Ruediger - Baramidze, David 0:1
Kolbus, Dietmar - Braun, Arik 0,5:0,5


DJK Aachen - SV Griesheim 5,5:2,5

van Foreest, Jorden - Krassowizkij, Jaroslaw 1:0
Donchenko, Alexander - Grabarczyk, Miroslaw 0,5:0,5
Nijboer, Friso - Tazbir, Marcin 0,5:0,5
Dambacher, Martijn - Jarmula, Lukasz 0,5:0,5
Burg, Twan - Walter, Stefan 0,5:0,5
Zaragatski, Ilja - Grimm, Julius 1:0
Braun, Christian - Koehler, Ronald 1:0
van Foreest, Lucas - Spitzl, Vinzent 0,5:0,5


SK König Tegel - FC Bayern München 4:4

Stern, Rene - Bischoff, Klaus 0,5:0,5
Rabiega, Robert - Fedorovsky, Michael 0,5:0,5
Moreno Tejera, Emilio - Dragnev, Valentin 0:1
Muse, Mladen - Johansson, Linus 0,5:0,5
Bruedigam, Martin - Lindgren, Philip 0,5:0,5
Fruebing, Stefan - Ribli, Zoltan 0,5:0,5
Muse, Drazen - Schneider, Stefan 0,5:0,5
Von Herman, Ulf - Reich, Thomas 1:0


Schachfreunde Berlin - MSA Zugzwang 6:2

Melkumyan, Hrant - Bromberger, Stefan 0,5:0,5
Piorun, Kacper - Mons, Leon 1:0
Vocaturo, Daniele - Hertneck, Gerald 0:1
Kraemer, Martin - Schramm, Christian 1:0
Dvirnyy, Daniyyl - Zysk, Robert 0,5:0,5
Sprenger, Jan Michael - Hoffmeyer, Falk 1:0
Jakubowski, Krzysztof - Eichler, Christoph 1:0
Baldauf, Marco - Lammers, Markus 1:0


 Stand nach der 3. Runde: 
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
OSG Baden Baden
SG Solingen
SV Hockenheim
Hamburger SK
SV Mülheim Nord
Speyer-Schwegenheim
USV Dresden
SK Schwäbisch Hall
FC Bayern München
Schachfreunde Berlin
DJK Aachen
SV Werder Bremen
SG Trier
SK König Tegel
SV Griesheim
MSA Zugzwang
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
6
6
6
4
4
4
3
3
3
2
2
2
2
1
0
0
19  
16,5
16  
13,5
13  
12,5
11,5
11  
11  
12  
12  
11,5
11,5
7,5
7  
6,5

22. November 2016


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