Ach, die Zahl derer, die die Schachuhr mit den größten Flüchen belegt haben, dürfte sich wohl kaum ermessen lassen. Wieviele gute Stellungen sind durch Zeitnot ruiniert, wieviele Turniere durch sie verloren worden. Tickendes Unheil begleitet die Schachspieler von Zug zu Zug. Der Wettkampf gegen die Zeit ist zuweilen ärger als das Spiel gegen den Kontrahenten. Die schlimmste Niederlage gegen die Schachuhr erleidet jedoch derjenige, der den ersten Schritt einer siegreichen Kombination findet, dann jedoch durch das fallende Blättchen um Ruhm und Punkte betrogen wird. Im heutigen Rätsel der Sphinx aus dem 10. Berliner Open hatte Schwarz durch die vorzügliche Ausnutzung der weißen Schwächen und Fehler eine Gewinnstellung erlangt. Mit seinem nächsten Zug wäre ihm die Frucht seiner Bemühungen zugefallen, aber das Regelwerk der Zeit macht keine Ausnahmen, Wanderer.
Tschesnoswitow - Kowaljew
Berlin 1992
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Zweigleisigkeit im Denksport ist zwar selten, aber eben nicht ausgeschlossen. Ebenso wie auf dem Fußballfeld war der norwegische Meister Simen Agdestein auch auf dem Schachbrett zu akrobatischen Leistungen fähig: 1.Sd4-e6! Ld7xe6 2.d5xe6 Te8xe6 - 2...b7-b6 scheitert an 3.e6-e7 Tf8-f7 4.Sc3-d5 Db4-c5 5.Lc1-e3 Dc5-c8 6.Sd5xb6 - 3.Ta1-a4! Db4-b6 4.Lc1-e3 Db6-c7 5.a6xb7 Sd6xb7 6.Ta4xa7 Te6-d6 7.Dd1- b3 Sb7-c5 8.Db3-a3 und Schwarz gab auf, da Figurenverlust nicht mehr zu vermeiden war.
Erstveröffentlichung am 01. Juni 1999
18. März 2010