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SCHACH-SPHINX/03284: Verfechter des wissenschaftlichen Prinzips (SB)


Als einer der vielseitigsten Talente muß der russische Großmeister Michail Botwinnik, der 15 Jahre lang auf dem Schachthron saß, noch vor vielen anderen als jene Persönlichkeit hervorgehoben werden, die das wissenschaftliche Prinzip ins Spiel der 64 Felder einbrachte. Bei Botwinnik vereinigten sich kühler Verstand und Missionsdrang. Sein Leben verschrieb er dem Ziel, aus dem oft in romantischen Vorstellungen gefangenen Schachspiel eine berechenbare, mathematische Angelegenheit des Geistes zu machen. Als Umherstolpern galten ihm die großen Kombinationen der Frühzeit. Statt auf eine glückliche Fügung von Zuständen zu warten, zwang Botwinnik die Partie vom ersten Zug an unter seinen kalkulierenden Willen. Das Großartige am Schachspiel konnte nur aus der Summe kleiner zusammengehäufter Vorteile erwachsen. Darin knüpfte er ein Band zu Wilhelm Steinitz, aber anders als dieser war Botwinnik kein Sklave von Lehrsätzen, die für jeden Stellungstyp zu gelten hatten. Diese Kurzsichtigkeit hatte Botwinnik aus seinem Spiel verbannt. Im konkreten Falle gab es für ihn keine Verallgemeinerung. Seine Suche nach den Quellen der treibenden Kräfte einer Partie war eine Mischung aus Empirie und Fortschrittsgeist. Botwinnik verstand sich als Mittler dieser beiden Domänen. Schachgesetze, die unwandelbar angenommen wurden, widersprachen seinem technischen Verstand. Im heutigen Rätsel der Sphinx baute er seine Stellung mikroskopisch-klein, aber mit unaufhaltsamer Folgerichtigkeit auf, bis die siegreiche Kombination als Resultat, nicht als Zufallstreffer in Erscheinung trat. Nun, Wanderer, wie nutzte Botwinnik die Vorteile der weißen Position aus?



SCHACH-SPHINX/03284: Verfechter des wissenschaftlichen Prinzips (SB)

Botwinnik - Keres
Moskau 1952

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Zumindest in der taktischen Verwirklichung von Stellungsvorteilen hielt Réti den alten Meistern die Treue: 1.Se3-d5! Sf4xd5 - 1...c6xd5 2.c4xd5 und Weiß erobert die Figur mit hervorragenden Angriffschancen zurück - 2.c4xd5 Le7-g5 - oder 2...c6xd5 3.Lg2xd5 Le7-f6 4.Dd2-e3 - 3.d5xe6! Dc8xe6 - Figurenverlust war unvermeidlich, da 3...Lg5xd2 4.Tg1xg7+ Kg8-h8 5.Tg7-g6+ zum Matt führt - 4.Dd2-c3 Lg5-f6 5.Dc3-d2 Kg8-h8 6.Tg1-g2 Tf8-f7 7.Ta1-g1 Lf6-e5 8.d3-d4 Le5-f6 9.d4-d5 und Schwarz gab das hoffnungslose Spiel auf.


Erstveröffentlichung am 20. November 1999

15. September 2010