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SCHACH-SPHINX/04697: Gefühle sind ein untreues Völkchen (SB)


Der Augenblick des Angriffs in einer Schachpartie stellt ein Mysterium dar, zumindest in den Augen des Laien. Wann soll man angreifen, wann lieber noch warten und lavieren? Schon der nächste halbherzige Zug kann den Kontrahenten ans Ruder bringen, und jäh, ohne ersichtlichen Grund, ist der ganze mühsam zusammengehaltene Vorteil den Händen entglitten. Niemand kann die endlosen Varianten und Abzweigungen im Kopf berechnen. Woher jedoch nehmen die Großmeister das Wissen, im richtigen Moment anzugreifen, Linien zu öffnen und die Figuren in Richtung auf den gegnerischen König zu bewegen? Liest man die dazu bereitgestellte Literatur durch, so stößt man als Suchender auf den Begriff "Positionsgefühl". Nun sind Gefühle bekanntlich ein untreues Völkchen. Auf der Höhe eines sicher geglaubten Triumphes fallen sie einem gerne in den Rücken. Hochmut nennt sich dieser Sohn der Niederlage. Andersherum kann der Eindruck, nichts ausrichten zu können, die einzig Rettung versprechende Zugwahl ungenutzt verstreichen lassen. Man kann sich hin und her wenden, wie man will, das so umjubelte Positionsgefühl will im Grunde nichts anderes besagen, als daß eine Menge Erfahrung, kombiniert mit Talent und dem Glück des Angreifers, die Siege stiften, von denen dann behauptet wird, ein Gefühl hätte sie geboren. Die Romantik der Schachkunst überschattet offenbar noch unser so vernünftig sich gebärendes Zeitalter. Vielleicht hatte sich unser Schachfreund Dubeck im heutigen Rätsel der Sphinx ebenfalls auf ein Gefühl verlassen, als er die folgende Stellung anvisierte. Sein Kontrahent Staller, mit den schwarzen Steinen spielend, hielt lieber seinem Verstand die Treue und fand so den Gewinnzug. Also, Wanderer, mit Köpfchen ans Werk!



SCHACH-SPHINX/04697: Gefühle sind ein untreues Völkchen (SB)

Dubeck - Staller
Bundesliga 1983

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Der Tatar Gata Kamski schickte seine Dame mit 1.Db3-b5! vor, um die Kapitulation entgegenzunehmen. Die schwarze Dame war angegriffen und gleichzeitig drohte vernichtend 2.Lf4xd6+, zwei Gründe, die Anand bewogen, dem Leiden seiner Stellung ein Ende zu machen.


Erstveröffentlichung am 16. Februar 2001

28. März 2013





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