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SCHACH-SPHINX/05338: Die häßliche Narbe der Schönheit (SB)


"Das Gefühl der Schönheit im Schach", so erklärte der Ex-Weltmeister Tigran Petrosjan, "ist vor allem mit etwas Unerwartetem verbunden". Man könnte also von einer positiven Überraschung oder Bilanz sprechen, weil negativ besetzt wäre sie, zumindest für den Betroffenen, nicht schön, sondern häßlich, vielleicht sogar abgrundtief schlecht. Der Begriff der Schönheit ist häufig aus dem Bereich der Beschaulichkeit, wo er im Grunde hingehört, in die Uferlosigkeit des Transzendenten abgedrängt worden. Ziel dieser Begriffsverunsicherung ist jedenfalls, im schwammigen Teich des Daseins weiterhin nach den letzten Resten unhinterfragter und im Kern uneingelöster Versprechen zu fischen. Man läßt sich also eine Hintertür offen und hofft, daß das Zufällige und Überraschende, dem sich jede Seele stündlich ausgeliefert sieht, von einem sanften Naturell sei. Der Positivismus der Neuzeit und das archaische Denken begegnen sich an dieser Nahtstelle zur Modernität, und offenbar tun sie sich beide nichts zuleide, harmonieren also bestens miteinander, wie ja auch Harmonie auf allen Ebenen als heiligstes Versprechen wie ein Tabu aufrechterhalten wird. "Schön ist, was gefällt", sagte Wilhelm Busch dazu; schön, daß es die schöne Absicht noch gibt in einer Welt der Tauschgeschäfte. Solange das Schöne immer nur an gesellschaftliche Akzeptanzen oder übersinnliche Mächte geknüpft ist, solange wird der Mensch sich mit dem Zufälligen arrangieren, nie jedoch das Schöne, vor dem die Dichter vor Sehnsucht zerflossen, weil es nicht von dieser Welt war, aber auch nicht in einem alten Paradies oder einer Zukunfts- oder Jenseitsaussicht verortet wurde, überhaupt erst schaffen. Schöpferisch betätigte sich auch unser Schachfreund Paavilainen und schwor weder auf das Zufällige noch Unerwartete und zog nun also 1.Dc2xa4, was, soviel sei verraten, Wanderer, kein häßlicher Irrtum war!



SCHACH-SPHINX/05338: Die häßliche Narbe der Schönheit (SB)

Paavilainen - Kuro
Finnland 1982

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Botwinnik war ein Ingenieur, also gehörten statische Konstruktionen zu seinem beruflichem Metier; und auch in seiner Partie gegen Paul Keres verhalf ihm ein solcher Umsetzungsplan, beginnend mit 1.Tg5xg7+!, zum Sieg. Von soviel Ingenieurswissen bedrängt, gab Keres nach 1...Kg8xg7 2.Sg3-h5+ Kg7-g6 3.Dd4-e3! sofort auf.


Erstveröffentlichung am 25. Januar 2002

29. Dezember 2014





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