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SCHACH-SPHINX/05342: Zum Kreuze geboren (SB)


Der Kardinal Petrus Damiani war ein zum Kreuze geborener Mensch, das heißt, sein ganzes Leben widmete er mit Feuereifer der sittenstrengen Befolgung seines christlichen Weges. Im frühen 11. Jahrhundert besaß die Kirche bei weitem nicht die Machtposition, die ihr später zufallen sollte. Um die Zeit von Kardinal Damiani verehrten die Menschen mit der einen Hälfte ihres Herzens noch die alten Schicksalsmächte ihrer Väter und mit der anderen den Christengott. Sittenlos und unzüchtig, roh und verwildert sei die Zeit gewesen, sagen die Chroniken und selbst unter den Glaubensleuten herrschte zuweilen Gottlosigkeit vor. Wo Kardinal Damiani auf seiner Visite auch hinkam, ob in die Klöster, Städte und Herbergen, überall lauerte der Teufel, und da nach Gustav Meyrink "des Teufels größte Gemeinheit ist, daß er so tut, als ob er nicht existiere", versteckte sich der Böse gerne in den unscheinbarsten Handlungen der Menschen. Nun betrat Kardinal Damiani eines Abends in Florenz eine Herberge, um sich dort zur Nacht einzuquartieren, aber kaum ging er in den hellen Kerzenschein hinein, da traf er auch schon auf den Behuften in einer seiner schändlichsten Verkleidungen, im Schachspiele nämlich, und der Ärmste, der vom Spieß der Sünden gepflockt wurde, war ausgerechnet ein Bischof, ein Würdenträger der Kirche. Mit dem Zorn eines Racheengels schritt Kardinal Damiani auf den vom göttlichen Wege Abgeirrten zu und beschimpfte den Teufel, der in den Leib des Bischofs gefahren war, bis dieser sich die Ohren zuhaltend in seine Schwefelgrube zurückfloh. Daraufhin verordnete Kardinal Damiani dem Bischof zur Läuterung seiner Seele eine schwere Buße. Zu allem Übel hatte der Bischof nämlich auch noch um Geld gespielt. Nachricht schickte Kardinal Damiani umgehend an den Papst Alexander II., damit der oberste Hirte achtgebe auf seine Schafe, die nicht vom Schachspiel lassen wollten. Wie gesagt, manche Menschen werden zum Kreuze geboren. Einen sprichwörtlichen Kniefall vor dem Kreuz mußte auch unser Schachfreund Böhlig machen, der im heutigen Rätsel der Sphinx noch nicht ahnte, daß er kurz davor stand, einen Turm einzubüßen. Ob da der Teufel seinem Gegner Starck einen Wink gegeben hatte, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05342: Zum Kreuze geboren (SB)

Böhlig - Starck
Leipzig 1972

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Der holländische Großmeister Piket ließ unserem Schachfreund Hertneck nicht die kleinste Hoffnung und beendete die Partie mit dem Damenopfer 1...Df5xf4! Wegen des Grundreihenmatts war diese jedoch nicht zu schlagen, und da auch 2.Dd2-e1 witzlos blieb wegen der Antwort 2...Df4xc1!, gab Hertneck sogleich auf.


Erstveröffentlichung am 28. Januar 2002

02. Januar 2015





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