Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/05410: Grobsinnliche Augen (SB)


Die Frage ist so unerheblich nicht, nach welchen Kriterien die mit Opfern verbundenen Gewinnkombinationen zu beurteilen sind. Wir haben zwar gelernt, eine Wertigkeit aufzustellen, die sich an die gängige Hierachie, ganz oben steht die Dame und ganz unten der Bauer, anlehnt, aber unbedingt logisch ist diese Einteilung nicht. Offenbar ist dieser Ansatz aus dem Reflex geboren worden, daß der Wert einer Aktion dann am größten sei, wenn sie zugleich das größte Selbstopfer darstellt. So werden Partien mit Damenopfern ungleich höher eingeschätzt als solche mit einem Springer- oder Läuferopfer. Schlimmer trifft es noch Partien, die mit Bauernopfern gewonnen werden. Sie spielen in der Rangfolge der schönsten Partien eine so untergeordnete Rolle, daß sie zumeist wie eine gewöhnliche Positionspartie behandelt werden. Für unsere grobsinnlichen Augen muß eben ein Feuerwerk her, Kerzenschein nehmen sie kaum wahr. In diesem Bild gesprochen, stehen selbst vorübergehende Damenopfer-Abwicklungen, die kaum mehr als einen positionellen Vorteil ergeben, in einem höheren Ansehen als die meisten grandiosen Bauernopfer. Die Befürworter einer anderen Sicht auf die Werteskala verweisen gerne auf den deutschen Großmeister Siegbert Tarrasch, der mit tiefer Sensibilität für das Schachspiel gesagt hatte: "Bauernopfer sind viel feiner als Damenopfer." Die Kommentatoren vieler Großmeisterpartien müssen in diesem Sinne wirklich ein Umdenken vollziehen. Die opfervollen Schlußkombinationen sind zweifelsohne schön und oft auch tief durchdacht, aber wer in einer frühen Phase der Partie ein Bauernopfer bringt, das die Weichen notwendig stellt für alle nachfolgenden Kombinationsmomente, der beweist mit kühnerer Stirn, daß er weiter, tiefer, schärfer blicken kann als das jubelglänzende Auge. Das Bauernopfer ist jener Felsen, um den sich die Wurzeln wilder Kombinationen schlingen. Auch im heutigen Rätsel der Sphinx leistete ein frühes feines Bauernopfer die Vorarbeit für die weiße Gewinnkombination, die nur mit einer Spürnase für latente Kombinationen zu finden ist, Wanderer!



SCHACH-SPHINX/05410: Grobsinnliche Augen (SB)

Blosze - Dietz
Rostock 1982

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Blind wie ein Maulwurf war der Plan zum Fangen des schwarzen Randläufers, doch dieser dachte gar nicht daran, sich ungestraft bedrohen zu lassen und konterte nach 1.f2-f4? stark mit 1...Lh5-e2!, worauf der Nachziehende sofort die Waffen streckte, denn zu nehmen war der Läufer wegen des Abzugsschachs 2.Dd3xe2 d4-d3+ nicht.


Erstveröffentlichung am 03. April 2002

11. März 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang