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SCHACH-SPHINX/05451: Ausdruck künstlerischen Feuers (SB)


Die schnöde Jagd nach dem Gewinn, wie eine Migräne empfinden sie feingeschliffenere Geister. Und die heutige Zeit ist in der Tat eine einzige Hetzpartie. Auf den Turnieren schlagen die Rivalen fast mit den Köpfen zusammen, so emsig beugen sie sich über die Bretter, daß ihnen ja nicht der geringste Vorteil entgehe. Rastlose Gedanken schaffen gereizte Eingeweide. Und wer immer nur Feuer küßt, verbrennt sich nicht nur die Lippen, sondern auch Haar und Haut. Jedenfalls fühlte sich der Prager Meister Lubomir Kavalek wie ein einsamer Wahrheitssucher inmitten trostloser Wüsten: "Schach muß man zum Vergnügen spielen. Wenn du für Geld spielst oder für Ranglistenpunkte, macht es keinen Spaß." Um geistige Enge zu vermeiden, hatte der talentierte Großmeister und Weltmeister-Sekundant in seiner Heimatstadt vor Zeiten Dichterlesungen abgehalten. Als dann sowjetische Panzer den Traum eines ganzen Volkes zunichte machten und der Prager Frühling unter der Gewalt der Waffen erstickt wurde, emigrierte Kavalek zunächst nach Deutschland und zwei Jahre später in die USA. Seinen Idealen hat er jedoch auch in der Fremde nie abgeschworen. Überzeugt davon, daß die Seele des Schachspiels in der Mannigfaltigkeit, nie jedoch im Kommerz liegt, widmet sich der studierte Journalist auch gelegentlich dem Schmieden von kleinen Versen. Schachkünstler, so Kavalek, sind Menschen mit dem ausuferndem Bedürfnis, sich auf vielen Gebieten des Geistigen zu verwirklichen. Aus dem Schach ein Spezifikum zu machen, wäre für ihn wie "Lebendigbegrabensein". Auch der russische Meister Jemelin besucht gern Dichterlesungen, Literaturkreise, Theaterstücke oder sieht sich auch einmal einen gehaltvollen Film an. Wie ein Ausdruck künstlerischen Feuers sind auch seine Partien. Im heutigen Rätsel der Sphinx gelang ihm mit den weißen Steinen gegen seinen Kontrahenten Nepomniaschtschi eine fein abgestufte Opfer-Gewinnkombination. Kannst du sie aus dem Gestein meißeln, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05451: Ausdruck künstlerischen Feuers (SB)

Jemelin - Nepomniaschtschi
St. Petersburg 1997

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Meister Vadasz hatte seine Streitmacht eng um den schwarzen König zusammengezogen. Zum Abschluß gab es dann einen rechten Kanonenschlag mit 1.Df7-g8+! Kh8xg8 2.f6-f7+ nebst Matt. Eine Miniatur von überzeugender Kraft!


Erstveröffentlichung am 12. Mai 2002

21. April 2015


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