SCHACH-SPHINX/05564: Beratungszimmer des Herrn Kostic (SB)

Zwischen den Jahren 1911 und 1939 zählte Boris Kostic zu den besten Schachmeistern Jugoslawiens. Sein Stil war solide, ohne Schnörkel, eben von echtem Pragmatismus bestimmt. Nur eine kleine Angewohnheit, von der er nicht lassen konnte, trübte sein Erscheinungsbild, und davon soll nun die Rede sein. Ein Gedankenkünstler war Kostic nämlich nie gewesen. Was andere Meister in Mengen besaßen, nämlich eine hohe Abstraktionsfähigkeit, die Kunst also, Stellungen weitverzweigt vor dem inneren Auge zu entblättern, das ging ihm häufiger, als es ihm lieb sein konnte, ab. Also half er sich mit einem kleinen Trick. Wenn die Partie sich in Unüberschaubarkeit zu verlieren drohte, zog sich Kostic mit einem Taschenschach auf die Toilette zurück und stellte die Figuren um, bis er endlich die gewiefte Folge von Zügen und seinen Plan gefunden hatte. Zuweilen trieb ihm sein Manko mehrmals während einer Partie zum besagten Örtchen zurück, wo seine Gedanken so wundervoll sprießten. Um sich einen Scherz mit ihm zu machen, und weil sein Schmu natürlich nicht unentdeckt blieb, hefteten gewissenloser Spötter eines Tages ein Schild an die Klosettür, darauf unerhörterweise geschrieben stand: "Beratungszimmer des Herrn Kostic". Solche Schleichwege zum Sieg hatte sein Landsmann Milan Vidmar nicht nötig, um im heutigen Rätsel der Sphinx seinen gefährlichen Gegner Max Euwe zu bezwingen. Dabei sieht die Diagrammstellung für die weiße Seite alles andere als verlockend aus. Das drohende Matt auf h2 scheint undeckbar. Doch wie das Auge trügt, am Scheine hängt, so sicher waltet über dem Lebensstern eine andere Macht, die das Geschick uns lenkt. Kannst du es nachvollziehen, Wanderer?

Vidmar - Euwe
Karlsbad 1929

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Gegen Capablanca fehlzuziehen, blieb selten ungestraft, und so auch hier gegen Bogatirtschuk. Nach 1.Sc3xd5? folgte widerlegend: 1...Db4xd4! 2.Sd5-e7+ Kg8-f8 3.Dd2xd4 Lc5xd4 4.Se7xc8 Sg4-f2+ 5.Kh1-g1 Sf2xd1+ und angesichts der Minusfigur strich der russische Großmeister die Segel.

Erstveröffentlichung am 01. September 2002

12. August 2015

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