Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/05625: Galerie des Ergötzlichen (SB)


Amüsant sind insbesondere Anekdoten über die Kinderzeit berühmter Meister. Allen voran in dieser Galerie des Ergötzlichen steht der kubanische Ex-Weltmeister José Raul Capablanca. Im zarten Alter von viereinhalb Jahren gesellte sich der junge Raoul zu seinem Vater, der gerade mit einem Freund eine Partie Schach spielte. Raoul konnte zu diesem Zeitpunkt weder lesen noch schreiben, er betonte dies mit Nachdruck, denn die erste Weihe, die er erhielt, war die der Göttin Caissa. Und das trug sich so zu: Klein-Raoul blieb stundenlang in diesem Zimmer und beobachtete mit feucht-glänzenden Augen das Treiben auf dem Brett. Bis dahin kannte er weder die Zugart der Figuren noch den Sinn dieses Erwachsenenspiels. Auch am nächsten Tag schlich er sich ins Zimmer und betrachtete eifrig die kapriziösen Züge, die er nicht begriff. Doch schon am darauffolgenden Tag geschah das Wunderliche. Als nämlich Vater Capablanca einen falschen Zug ausführte, kicherte das kleine Kerlchen vor sich hin, darauf der erboste Vater ihn streng beäugte und fragte, warum er so unartig lache. Raoul schwieg jedoch, und schon sollte er das Zimmer verlassen, da erklärte er mit schüchterner Stimme, daß der letzte Zug die Partie verderben würde. Zornrot lief das Gesicht seines Vaters an, doch dessen Freund bestand nun darauf, daß der Dreikäsehoch seinen Einwand beweisen müsse, denn er sah nicht, warum der letzte Zug von Herrn Capablanca falsch sein sollte. Also erhob sich der Vater und setzte den frechen Knirps auf seinen Stuhl. Beide waren nun in der Tat verblüfft, als Raoul nach nur einer halben Stunde den Vater nach allen Regeln der Kunst zur Aufgabe zwang. Was danach geschah, ist sattsam bekannt. Klein-Raoul wuchs heran, wurde Landes- und später Weltmeister. Im heutigen Rätsel der Sphinx überraschte er ausgerechnet den Meister der Kombination, Rudolf Spielmann, mit einer glänzenden Opferattacke. Spielmann hatte zuletzt 1...De6-d5 gezogen. Ob Capablanca den angegriffenen Läufer auf g5 in Schutz nahm, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05625: Galerie des Ergötzlichen (SB)

Capablanca - Spielmann
New York 1927

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Benkös Augen sprühten förmlich vor Wachheit, als er 1.Se5xf7! zog, ein Zug, der das ganze Dilemma der schwarzen Stellung ans Licht brachte. Natürlich ging nun 1...Tf8xf7 nicht wegen 2.Lg2xd5. Also spielte sein Kontrahent Horowitz 1...Dd8-c8, nur daß es darauf für den schwarzen König erstickend eng wurde: 2.Sf7-h6+ Kg8-h8 3.Df5xd5 Sa1-c2 - nur 3...Dc8-e8 hätte die Partie in die Agonie verlängern können - 4.Dd5- g8+! Tf8xg8 5.Sh6-f7#


Erstveröffentlichung am 31. Oktober 2002

12. Oktober 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang