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SCHACH-SPHINX/05632: Der Ritterwelt entliehen (SB)


Die große Turnierwelt ist zu einem Dorf geworden. Das liegt daran, daß die Fachpresse heutzutage selbst kleinste Turniere ins Auge der Aufmerksamkeit rückt. Wir wissen heute, was in einem Turnier in Prag oder in irgendeinem kleinen Kaff in den USA vor sich geht. Kein Provinz-Ereignis, das nicht mit Zahlen, Fakten und Kommentaren aufgezeichnet wird. Ohne daß man sich weitere Gedanken macht, hat sich der Gedanke, das "Turniere" das moderne Gesicht des Schachspiels bestimmen, wie selbstverständlich unserem Bewußtsein eingeprägt. Woher aber stammt der Ausdruck "Turnier", der seit dem ersten internationalen Wettkampf 1851 in London tausende Male Verwendung fand? Robert John McCrary, im 19. Jahrhundert ein Zeitgenosse des englischen Schachmeisters Howard Staunton, ist dieser Frage nachgegangen und hat dabei herausgefunden, daß eine Verschmelzung von Schachspiel und Turnier erstmals in Heidelberg 1467 und dann in Nürnberg 1477 vorgenommen wurde. Das Wort Turnier selbst wurde ursprünglich für die Kampfspiele der Ritter verwendet. Etymologisch betrachtet, bedeutet Turnier soviel wie "die Pferde im Kreis laufen lassen". Der ritterliche Wettkampf wurde jedoch nach 1559 eingestellt, nachdem der französische König Heinrich II. in diesem Jahr bei einem solchen Turnier eine tödliche Verletzung erlitt. Damit geriet auch der Begriff Turnier bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts außer Mode. Erst als in England um das Jahr 1840 Schachwettkämpfe in den Städten Leeds, London und Nottingham veranstaltet wurden, führte George Walker das Wort Turnier für den schachlichen Wettstreit wieder ein. Später wurde er für alle Arten sportlicher Auseinandersetzung genommen. Wenden wir den Blick im heutigen Rätsel der Sphinx zur Deutschen Meisterschaft 1953 in Berlin zu. In der Partie zwischen den beiden deutschen Rittern Unzicker und Teschner war es nach 1.Le3-g5! zu einer hochbrisanten Stellung gekommen. Lanze schlug gegen Lanze, und das Schnauben der Rösser zerriß die Luft. Teschner parierte nun mit 1...Lc8-b7, verlor allerdings nach 2.Lg5xf6 g7xf6 3.Df2-h4 Dc6-c4 4.Lf3-e4 f6-f5 5.Dh4- g5+ Kg8-h8 6.Le4xd5 Lb7xd5 7.Dg5-f6+ Kh8-g8 8.Sc3xd5 den Boden unter den Füßen und gab sich im Angesicht der übermächtigen weißen Drohungen geschlagen. So unpretentiös, wie Teschner verlor, so prächtig hätte Unzicker jedoch nach 1...Lf6xg5 gewonnen. Also, Wanderer, welcher fabelhafte Abschluß blieb der Schachwelt zu bewundern versagt?



SCHACH-SPHINX/05632: Der Ritterwelt entliehen (SB)

Unzicker - Teschner
Berlin 1953

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der Siegeszug, der den amerikanischen Meister Larry Evans, einst Sekundant des ehemaligen Weltmeisters Bobby Fischer, so ins Schwärmen brachte, war 1.Df7-e8!! Wie immer der Nachziehende nun gezogen hätte, denn er gab sofort auf, die Drohung 2.f6-f7+ hätte ihm in allen Fällen den Garaus gemacht, zum Beispiel 1...Ta8xe8 2.f6-f7+ Tg8-g7 3.f7xe8D# oder 1...Le1-c3 2.f6-f7+ Lc3xd4 3.f7xg8D#


Erstveröffentlichung am 07. November 2002

19. Oktober 2015


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