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SCHACH-SPHINX/05649: Für sich allein darf nichts sein (SB)


Über Ursprünge ist viel diskutiert worden. Überhaupt scheint unter abendlichen Himmeln der Hang weit verbreitet zu sein, sein Empfinden, Denken und Handeln in Beziehung rücken zu wollen zu einem Grund, der als geheiligter Zweck herhalten muß für alle Willensäußerungen. Ja, auch diese werden belastet von Reflektionen über Motive und Wechselseitigkeiten. Für sich allein darf nichts sein! Immer muß etwas herhalten, ein Rahmen, ein Gerüst, eine sinnvolle Stütze, daran sich der westlich-zivilisierte Mensch anlehnen kann. Selbst unternehmerische Aktionen werfen stets die Frage fordernd in die Höhe: Wozu all das? Ein gutes Beispiel dafür sind die sogenannten Gambite. Kaum wird ein Bauer geopfert, entsteht ein wildes Ringen um seine Gültigkeit. Man will den Lohn erst in der Hand halten, ehe man etwas riskiert. Dabei ist gerade ein Gambit solch ein Unruhestifter, der das ganze Gebäude zum Umsturz bringen könnte. Wer nach Kompensation ruft, verlangt strenggenommen nach der Rente, sorgt sich schon ums Endspiel, ehe die Verwicklungen überhaupt begonnen haben. In den meisten Fällen läßt ein Schachspieler die Finger davon, weil das Gambit anscheinend keinen Gegenwert aufbringen kann. Ein trauriges Stück Geistesgeschichte. In Italien, wo diese Spielweise herrührt, opferte man einen Bauern, um unbefangener spielen zu können, um Linien zu öffnen und Figuren besser zum Angriff plazieren zu können. Der wissenschaftlich-kragensteife Ernst, typisch gerade für deutsche Gemüter, erstickte diesen Gedanken schon früh, spätestens jedoch mit den Theorieergüssen eines Wilhelm Steinitz, dieses Verfechters erstarrter Prinzipien. Es wäre durchaus angebracht, sich mit der Fragwürdigkeit solch antidynamischen Denkens einmal gründlicher auseinanderzusetzen, ohne jedoch gleich die Buchhalterei herbeizurufen. Kann es denn etwas Lehrreicheres geben, als aus der Reihe zu tanzen, Neuland nicht nur zu betreten mit Grenzpfählen im Kopf, sondern Wege ins unbesiedelte Land überhaupt erst zu schaffen? Im heutigen Rätsel der Sphinx hatte Meister Liwschitz zwar kein Grenzland betreten oder ersonnen, dafür allerdings einen alten Stellungsfehler rustikal ausgenutzt und sich eine nette Angriffsposition verschafft. Daß er den Gewinnweg fand, dazu allerdings bedurfte es einer ordentlichen Portion Phantasie. Ein Tip und Rat an dich, Wanderer, die Dame schwenkt mal hier-, mal dorthin!



SCHACH-SPHINX/05649: Für sich allein darf nichts sein (SB)

Liwschitz - Kotschetkow
Kasan 1976

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Nach 1.Sd4xe6 drohte ja Matt durch Se6-c7#, und nur die schwarze Dame stand als Hüterin dieses Feldes bereit. Also zog Meister Rott nach 1...Dc7-c6? vernichtend 2.Dg4-e4! Nach dem notwendigen 2...Dc6xe6 3.De4xb7 schien durch 3...De6-c6 wieder alles ins rechte Lot zu kommen. Fehlanzeige! Meister Rott spielte prompt 4.Td1xd7! und das schwarze Kartenhaus fiel zusammen.


Erstveröffentlichung am 24. November 2002

05. November 2015


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