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SCHACH-SPHINX/05780: Staub und Schicksal (SB)


Neulinge hatten es in den Hallen des Königlichen Spiels immer schon schwer gehabt. Kein Ruf eilte ihnen voraus außer der, eine leicht besiegbare Trophäe zu sein. Menschen waren eben zu allen Zeiten arrogant und überheblich. In San Sebastian 1911 trat José Capablanca mit 23 Jahren zu seinem ersten internationalen Turnier an. Viel von sich reden gemacht hatte der Kubaner nicht. Wer konnte damals auch schon ahnen, daß in diesem wohlerzogenen Jüngling der nächste Weltmeister steckte. In seinem Heimatland hatte er für Furore gesorgt, und auch den amerikanischen Schachmatador Marshall konnte er in einem Wettkampf geschlagen. Aber seinerzeit waren die Nachrichtenwege noch langsam und viel Notiz hatte man von Capablancas Sieg auch nicht genommen. So kam es, daß Dr. Ossip Bernstein, ein gefürchteter Spieler damals, Protest einlegte gegen die Teilnahme des Kubaners. Seines Erachtens war der Kubaner spielerisch noch lange nicht reif für ein Meisterturnier. Einen Grünschnabel wollte er in San Sebastian nicht neben sich dulden. Aber Bernstein sollte für seine hochtrabenden Worte bitterlich büßen. Gleich in der ersten Runde überflügelte ihn Capablanca auf dem Brett, als wäre es die leichteste Sache der Welt. Für seinen Sieg erhielt er später vom Baron Rothschild einen Sonderpreis. Keine Frage, daß Capablanca das Turnier gewann. Aber auch Capablanca mußte sich wiederholt in seiner Karriere jüngeren Meistern beugen, wie zum Beispiel in Rotterdam 1938, wo er gegen den späteren Weltmeister Michail Botwinnik aufsehenerregend verlor. Das Schicksal geht seltsame Wege, mal erhebt es den Menschen, mal schlägt es ihn in den Staub nieder. Im heutigen Rätsel der Sphinx hatte Capablanca zuletzt 1...De8-e7 gespielt. Botwinnik schrieb über seinen nächsten Zug: "Mit diesem Zug beginnt eine zwölfzügige Kombination. Ich muß zugeben, daß ich sie nicht bis zum Ende berechnen konnte. Deshalb ging ich in zwei Etappen vor. Ich berechnete zunächst die ersten sechs Züge und kam zu der Überzeugung, daß ich mindestens Remis durch ewiges Schach in der Hand hatte. Nachdem diese sechs Züge gespielt worden waren, konnte ich die Kombination bis zum Ende durchrechnen. Man sieht, daß die Möglichkeiten eines Schachspielers, besonders gegen Ende einer Partie, doch begrenzt sind." Nun, Wanderer, genug der Hinweise?



SCHACH-SPHINX/05780: Staub und Schicksal (SB)

Botwinnik - Capablanca
Rotterdam 1938

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Acht Züge zum Matt sind manchmal schneller zu finden als der kurze Weg zu einem Zweizüger. So auch für Dr. Neustadl: 1...Le6-h3+ 2.Kg2-h2 De3- f2+ 3.Kh2xh3 g5-g4+ 4.Kh3xg4 Sd7-f6+ 5.Kg4-h3 Df2-f3+ 6.Kh3-h2 Sf6-g4+ 7.Kh2-g1 Df3-f2+ 8.Kg1-h1 Df2-h2#


Erstveröffentlichung am 03. April 2003

19. März 2016


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